Grausame RitualeKölnerin mit Beschneidung minderjähriger Mädchen konfrontiert

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Mit Instrumenten wie diesen werden bis heute Mädchen beschnitten

Köln – Als ich von meinem heutigen Gespräch nach Hause komme, habe ich zum ersten Mal in mehr als 15 Jahren Kaffee-Rubrik das Bedürfnis nach einem Schnaps – oder einem Magenbitter, der hilft, das soeben Gehörte gedanklich zu verdauen. Vor meinem geistigen Auge bleibt beharrlich das Bild junger Mädchen, die dicht aneinandergereiht auf dem Boden liegen. Die Gesichter sind mit weißer Farbe beschmiert. Das macht es unmöglich, Empfindungen zu erkennen. Aber es kann kein Zweifel bestehen, dass sie unfassbare Schmerzen haben müssen. Man hat sie gerade ihres Lust-Organs beraubt, hat tief im afrikanischen Busch an ihren Genitalien herumgeschnitten – ohne Betäubung, natürlich.

Die Psychologin Brigitte Föller

Die Psychologin Brigitte Föller

Die Kölnerin, die mich am Ende ihrer Erzählungen mit diesen Bildern konfrontiert, ist Psychologin. Brigitte Föller hat sich 2015 beim Entwicklungsdienst beworben und sei dann in Sierra Leone mit der vielleicht schlimmsten Ausprägung von „HTPs“ konfrontiert, wie man „Harmfull Traditional Practices“ (schädliche traditionelle Praktiken) im Fachjargon nennt: Mit der Beschneidung minderjähriger Mädchen.

Kölnerin berichtet von Frauengeheimbünden in Sierra Leone 

Was mich bei dem, was mir die 56-Jährige sachlich beschreibt und am Ende mit Handyfotos belegt, fast am meisten erschüttert, ist die Tatsache, dass dieses verbreitete Ritual, vielfach ohne Zwang erfolgt. Genau das sei „in unserem Kulturraum so schwer zu vermitteln“, betont Föller und berichtet von einem „völlig verdrehten Rechtssystem“, in dem beispielsweise der Vater eines vergewaltigten Mädchens Geld zahlen müsse, „damit überhaupt ermittelt wird“.

Um das Prozedere zu verstehen, müsse man wissen, dass in Sierra Leone Frauengeheimbünde existierten, denen ein Großteil aller Mädchen und Frauen angehörten. Um in einem sogenannten „Bondo“ aufgenommen zu werden, müssten die Eltern der Mädchen eine Menge Geld bezahlen, erklärt Föller. Sie tun es, weil ihre Töchter ohne die Mitgliedschaft in solch einem Bund praktisch keine Chance auf Verheiratung hätten.

Beschneidung als „Schlüsselhandlung des Initiationsritus“

Die Beschneidung wiederum sei gewissermaßen „die Schlüsselhandlung des Initiationsritus“ für die Aufnahme. Bevor es dazu komme, werde das Mädchen drei Monate lang im Busch auf die Rolle als Frau vorbereitet.

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„Heißt das, die wissen genau, was auf sie zukommt?“, frage ich. Föller verneint. Es sei streng verboten, nach außen zu tragen, was in einem Bondo besprochen werde, daher spreche man ja von „Geheimgesellschaften“. Abgesehen davon, dass ein Ausplaudern „üble Konsequenzen nach sich ziehen könnte“, müsse man wissen, dass der Magie-Glaube in dieser Gegend unheimlich stark sei.

Zusammenarbeit mit der lokalen Polizei als Erfolg

Ich frage Föller, ob sie dort als weiße, ausländische Frau überhaupt irgendwas habe bewegen können. Die Psychologin nickt. Dann schildert sie, wie sie mit einer einheimischen Sozialarbeiterin, die nach ihrer eigenen traumatischen Beschneidungserfahrung zur Aktivistin wurde, eine Zusammenarbeit mit der lokalen Polizei erreichen konnte. Dutzende von Beschneidungsplätzen seien daraufhin kontrolliert worden, und man habe viele Mädchen vor dem blutigen Ritual schützen können. Mehr noch: einige der ehemals korrupten District-Chiefs gingen inzwischen ihrerseits aktiv gegen die Mädchenbeschneidung vor.

„Und Sie, werden Sie sich dort weiter engagieren?“, frage ich die Psychologin, nachdem ich erfahren habe, dass sie nach dreijähriger Tätigkeit nach Köln zurückgekehrt ist. Sie lächelt und sagt, dass sie als nächstes in die Ukraine gehen werde. Was sie dort machen wird, erfahre ich vielleicht bei einem weiteren Kaffee in ein paar Jahren.

Unsere Serie „Zwei Kaffee, bitte!“: Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?