Das Schmuddelige funktioniert hier besser„Ich erkenne die kölsche Seele nicht mehr"

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Mercedes Slex

  • Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
  • Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach. Heute nennt Mercedes Slex Gründe, weshalb sie in Köln nicht alt werden möchte
  • Der Karneval hat inzwischen nichts mehr mit Tradition und Werten zu tun.

Kennen Sie das? Dass gewisse Vorhaben einfach nie zustande kommen? Ich spreche nicht vom Keller-Entrümpeln, sondern von diesen „Lass uns mal auf einen Wein treffen“ oder „lass uns mal einen Kaffee trinken gehen“-Vorsätzen, die nie umgesetzt werden. Weshalb das so ist, erklärt mir die Frau, mit der ich heute beim Cappuccino zusammensitze. „Wenn das Wörtchen „mal“ dazwischensteht, bedeute das in Köln „eigentlich ein Nein“, ist Mercedes Slex überzeugt. So leicht es einem die Menschen in dieser Stadt in mancherlei Hinsicht auch machen würden, „sie meinen es aber auch nicht ernst!“

Ich begegne der 61-Jährigen auf der Breite Straße, wo sie mir aufgrund ihres karierten Hutes auffällt. Eine Anschaffung für den Schottland-Urlaub, wo es „vier Wochen nur geregnet“ habe. Wir lachen beide. Ich erfahre, dass meine Gesprächspartnerin in Aachen geboren, aber schon mit zwölf nach Köln gekommen ist und ihren Vornamen Mercedes mit der aus Belgien stammenden Mutter teilt. „Also kein Modegag, sondern Tradition.“ - „Aber als Kind hatte man es damit sicher nicht leicht?“, mutmaße ich. „Es dient der Charakterformung“, entgegnet Slex augenzwinkernd.

„Köln ist unsicher, verwahrlost und unangenehm"

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Florentin Wohlgemuth

Die Juristin erzählt, dass sie viele Jahre die Kulturstiftung der Kreissparkasse als Referentin betreut hat und nun den Ruhestand genießt. Dazu gehöre, dass morgens nicht mehr der Wecker klingele und „man damit anfängt, sich ein bisschen mehr um seine eigene Seele und um sich selbst zu kümmern. Das wird ja im Job verdrängt, weil immer etwas anderes wichtig ist.“ Dass dieses „Muss“ nicht mehr im Raume stehe und man nicht länger fremdbestimmt sei – „so schön und interessant der Job auch war" - sei ganz wunderbar.

„Wenn Sie, wie heute, so durch Köln bummeln, was denken Sie dabei?“, frage ich. „Je älter ich werde, je unliebsamer wird mir die Stadt. Ich weiß, dass ich hier nicht alt werde.“ Sie sehne sich danach in einem ländlichen Bereich zu leben - möglicherweise auch in Mittel- oder Süddeutschland. „Weshalb?“ – Köln sei in ihren Augen „inzwischen unsicher, verwahrlost, unangenehm“, und sie habe auch nicht den Eindruck, dass sich diese Tendenz noch mal ins Gegenteil verkehrt. Während man in Belgien oder in den Niederlanden auf aufgeräumte Straßen treffe, „gepflegter, ohne Dreck und auf besser angezogene Menschen“, habe man in Köln das Gefühl, „dass die Dinge, die ein bisschen schmuddelig sind, besser funktionieren. „Das Feine gehört zu Düsseldorf. Tolle Geschäfte, schöne Passagen – das läuft in Köln nicht.“

„Als 80-Jährige mit Rollator sehe ich mich hier nicht"

Aus Sicht meines Gegenübers lassen auch Infrastruktur öffentlicher Personennahverkehr partiell zu wünschen übrig. Die Stadt gaukelt einem nur vor, dass man alles erreichen kann.“ Tatsache sei, dass es immer mehr Viertel ohne einen Bäcker oder eine Post gebe. Das sei furchterregend. „Als 80jährige Frau mit Rollator sehe ich mich hier nicht!“

Einen ähnlichen Abwärtstrend sieht Slex auch beim Karneval. Früher habe sie den gerne gefeiert. „Aber das hat heute doch kaum noch mit Tradition oder mit Werten zu tun, die es früher gegeben hat. Ich erkenne die kölsche Seele nicht mehr!“ Heute gehe es nur noch ums feiern. „Und das kann ich in jeder Stadt und in jedem Land.“