Druck auf die PolitikKölner Aktionstag zur Verkehrswende informiert am Neumarkt

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Kundgebung zur Verkehrswende auf dem Neumarkt.

Köln – Die Kwaggaband singt „Klimakiller, qu'est-ce que c'est“, den Hit der Talking Heads, umgeschrieben auf die Klimakrise. Rund 30 Passanten und Aktivisten stehen Samstagmittag vor der Bühne am Neumarkt, hier will das Aktionsbündnis Verkehrswende vier Stunden lang Bürger informieren und Druck auf die Politik ausüben: Köln soll klimafreundlicher und verkehrsberuhigter werden.

Stadt Köln ist Klimazielen noch nicht gerecht geworden

Das Bündnis hat viele Anliegen mitgebracht, an zehn Ständen stehen Vertreter der einzelnen Vereine, die sich zu der Aktion zusammengeschlossen haben. Dabei sind unter anderem der allgemeine deutsche Fahrradclub ADFC, attac und der Fachverband Fußverkehr Deutschland. „Wir haben uns gegründet, um den Ost-West-Tunnel zwischen Heumarkt und Eisenbahnring zu verhindern. Es gäbe bessere, oberirdische Lösungen“, sagt Angela Bankert, Sprecherin des Bündnisses. Drei Jahre ist die Gründung her, der Tunnelbau ist vorerst vertagt und Machbarkeitsstudien sind in Auftrag gegeben worden. Auch eine oberirdische Lösung wird in ihnen berücksichtigt. „Der Bau würde 20 Jahre dauern, eine Milliarde kosten und den Autoverkehr weiter fördern“, sagt Bankert – ein falsches Zeichen der Stadt, sollte sie eine klimagerechte Zukunft ermöglichen wollen.

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Verkehrswende und Klimakrise seien nicht voneinander zu trennen, sagt auch Mario Tvrtkovic, von der Organisation Scientists for Future. Er war am Freitag noch in Düsseldorf auf einem Klimastreik unterwegs, heute teilt er seine Expertise in Köln. „Wir Wissenschaftler haben keine Forderungen, wir kommunizieren Fakten und wollen sie den Bürgerinnen und Bürgern nahebringen“, sagt er. Tvrtkovic ist Professor für nachhaltige Stadtentwicklung an der Hochschule Coburg und berät die Stadt Köln im Klimarat: „Dafür, dass die Stadt den Klimanotstand 2019 ausgerufen hat, ist sie ihren Zielen bisher noch nicht gerecht geworden“, sagt der Wissenschaftler. Er hat Bücher mitgebracht, die über den Klimawandel informieren, sie liegen auf einem Lastenfahrrad aus.

Köln soll mit Kopenhagen mithalten

Rolf Beierling-Hémonet ist ebenfalls mit seinem Lastenrad zum Neumarkt gekommen, für ihn ist das Transportmittel ein geeigneter Auto-Ersatz: „Die Debatte um die Räder wurde viel zu aufgeregt geführt, es sollte viel eher um ein Straßennetz gehen, dass Räder bevorzugt.“ Beierling-Hémonet ist Stadplaner, unter anderem sanierte er in den 80er Jahren das Severinsviertel. Heute sei die Severinsstraße verkehrsberuhigter und sicherer für Radfahrer und Fußgänger. „Ich habe meinen Beruf immer politisch aufgefasst, weil er die Lebensqualität der Menschen beeinflusst. Wir sollten nicht zulassen, dass das Auto zu viel Raum bekommt“, sagt der 65-jährige. Er engagiert sich im Bündnis, weil er hofft, dass Köln in Zukunft mit Kopenhagen mithalten kann, einer der klimafreundlichsten Städte Europas. „Globalität fängt in Köln an“, sagt er. Die Ampel vor der Richmodstraße wird für Autofahrer grün, ein schwarzer Audi und ein BMW fahren an, während die Passanten warten.

Kurz darauf überquert Peter Schreiner mit seinem Sohn die Straße und bleibt vor der Bühne stehen. Der Beitrag zu Luftverschmutzung und Kindeswohl interessiert ihn: „Wir kommen aus Dünnwald und sind mit dem Auto hier. Wäre der ÖPNV flexibler hätten wir den vielleicht auch genommen, denn der Mann auf der Bühne hat recht: Wir sollten uns mehr Gedanken um die Lungen unserer Kinder machen.“ Kinder sind in den Redebeiträgen häufig Thema, Vortragende fordern Klimagerechtigkeit zwischen den Generationen, wieder und wieder.

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Auch, als eine Rednerin von der Auto- und Baulobby spricht, gibt es von den Zuschauern Beifall. „Das ist für mich die spannendste Frage: Wer verdient am Tunnel und an den Autobahnen“, sagt Zuschauerin Lucie G. Die 82-jährige hat ein Auto, das sie nicht nutzt. „Es werden Tunnel gebaut, die wir gar nicht wollen, da steckt die Wirtschaft hinter“, sagt sie. „Für mich hat die Politik, vor allem die Grünen, hier nicht genug gemacht. Und wenn die nicht reagiert, brauchen wir den Druck der Straße.“

Politiker kommen auf der Bühne ebenfalls zu Wort, allerdings keine von der CDU und der FDP. Die Moderatorin erklärt, dass dies ein Zeichen an beide Parteien sei: Sie sollten sich klarer zur Verkehrswende positionieren. Auf Nachfrage sagt Bankert, die Sprecherin des Bündnisses, dass alle Parteien eingeladen worden seien. Interviewt wurden unter anderem Katharina Dröge von den Grünen, Michael Weisenstein von den Linken sowie Karl Lauterbach von der SPD. Alle Politiker sprachen sich für eine baldige Verkehrswende aus - die Zeit sei knapp. Am Bahnsteig neben der Tribüne tummeln sich FC Köln-Fans, sie wollen zum Bundesligaspiel gegen Bochum fahren. Ein Fan hört beim Warten den Rednern zu: „Ich freu mich, dass ich jetzt mit der Bahn ins Stadion und trinken kann, ohne ein schlechtes Gewissen später im Verkehr zu haben. Da ist ÖPNV doch super.“