Kölner GymnasienSchüler und Lehrer veröffentlichen Buch mit bewegenden Biografien jüdischer Kinder

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Ein Lehrer hält ein Buch in die Kamera. Daneben stehen ein weiterer Lehrer sowie eine ehemalige Schülerin.

Buchvorstellung mit den Lehrern und Herausgebern Thomas Kahl (l.) und Dirk Erkelenz sowie der ehemaligen Schülerin Luca Wielage.

Das von zwei Geschichtslehrern des Königin-Luise-Gymnasiums und des Gymnasiums Schaurtestraße initiierte Projekt verbindet Vergangenheit mit Zukunft.

Terry Mandel aus Kalifornien ist über eine Großbildleinwand zu Gast in der Aula des Königin-Luise-Gymnasiums. „Eine völlig unerwartete Mail von einer 16-jährigen Schülerin aus Deutschland hat mein Leben verändert. Anna hat mir ermöglicht, dass die Geschichte meiner Mutter Ingelore Silberbach lebendig wird“, berichtet sie. Und der Sohn von Edith Jonas schreibt aus den USA, dass die Schülerin Carla nicht nur das Schicksal seiner Mutter, das er verdrängt habe, gewürdigt habe. Sie habe auch seinen Blick auf Deutschland und das deutsche Volk verändert.

„Ihr macht die Welt zu einem besseren Ort“, schreibt er. Ingelore und Edith sind zwei von ungezählten Schülerinnen jüdischen Glaubens, die in den 30er Jahren in städtische Kölner Schulen gingen und über deren Leben Kölner Schülerinnen und Schüler recherchierten.

Die Briefe der Angehörigen der jüdischen Schülerinnen, die während der NS-Zeit ihre Schule und Nazi-Deutschland verlassen mussten oder deportiert wurden, machen deutlich, wie sehr Geschichtsunterricht mit der Gegenwart zusammenhängt und wie tief er Menschen berühren kann: Schülerinnen und Schüler der Königin-Luise-Schule und des Deutzer Gymnasiums Schaurtestraße recherchieren seit nun schon acht Jahren in Projektkursen zu den Geschichten jüdischer Schülerinnen und Schüler, die während der Nazidiktatur ihre Schulen besuchten.

25 Biografien von Kölner Kindern jüdischen Glaubens

Unterstützt vom Kölner NS-Dokumentationszentrum zeichnen sie ihre Wege nach: von der Zeit als Schülerinnen wie jede andere bis zu immer stärkerer Ausgrenzung, Flucht und nicht selten Tod im Konzentrationslager. Schlusspunkt einer jeden Recherche ist jeweils die Verlegung eines Stolpersteins vor dem damaligen Haus oder der Wohnung der Familie. Das ganze Projekt beruht auf dem Engagement der Geschichtslehrer Dirk Erkelenz (KLS) und Thomas Kahl (Gymnasium Schaurtestraße).

Unterstützt durch das NS-Dokumentationszentrum und ermöglicht durch Fördergeld der Stadt Köln haben die beiden Pädagogen nun 25 Biografien von jüdischen Kölner Kindern in einem Buch veröffentlicht. Unter dem Titel „Jüdische Schülerinnen und Schüler an Kölner Gymnasien. Ihre Geschichte zwischen Integration, Abgrenzung und Verfolgung“ werden ihre Lebenswege erzählt und die schulgeschichtliche Forschung zu Kölner Gymnasien gebündelt. Dabei wurden mehr als die Hälfte der Biografien von den Schülerinnen und Schülern selbst geschrieben.

Ute Flink, Schulleiterin der Königin-Luise-Schule, bezeichnete das Buch als „Krönung eines langjährigen Projekts“. Es sei aber nur äußeres Zeichen für etwas Größeres und Wichtigeres: Nämlich Schülerinnen und Schüler mit den Konsequenzen von Ausgrenzung zu konfrontieren. „Und zwar nicht durch die abstrakte Zahl von 6 Millionen ermordeten Juden, sondern anhand der Geschichte von Altersgenossen mit den gleichen Wünschen und Träumen.“

Dass dabei auch die Brücke zu den Nachkommen der Verfolgten und Ermordeten geschlagen werde, verankere die Verantwortung von Geschichte im Heute. Als zum Abschluss der Buchvorstellung die ehemalige Schülerin Luca Wielage die von ihr recherchierte Geschichte der Schülerin Lieselotte Samuel vorliest, kann man eine Stecknadel in der Aula fallen hören. Samuel ging als Mädchen hier zur Schule und wurde mit ihrer Familie in Auschwitz ermordet.

Schülerinnen und Schüler schlugen Lehrer für Preis vor

Ohne das Engagement der beiden Lehrer Kahl und Erkelenz wären weder das Projekt noch das Buch denkbar gewesen, das betonen an diesem für die Schulen besonderen Tag alle.  Das honorierten auch die Schülerinnen und Schüler: Sie hatten ihren Lehrer für den Deutschen Lehrkräftepreis vorgeschlagen, mit dem der Pädagoge, der Geschichte und Latein unterrichtet, dann auch tatsächlich im vergangenen Monat ausgezeichnet wurde.

Erkelenz selbst gab am Ende in seiner eindrucksvoll zu Protokoll, was ihn antreibt, diese Arbeit zusätzlich zum Unterricht zu tun. Er wolle deutlich machen, dass der Weg nach Auschwitz nicht weit sei. Auf Diskriminierung folge Isolierung, anschließend würden Menschen zur Bedrohung erklärt. Damit seien dann die Voraussetzungen geschaffen. Manchmal frage er sich, „wie viele Schritte wir heute schon wieder auf diesem Weg gegangen sind. Damit wir aufstehen, sobald die Würde eines Menschen angetastet wird, darum haben wir alle dieses Buch gemacht.“


Info Das Buch „Jüdische Schülerinnen und Schüler an Kölner Gymnasien - Ihre Geschichte(n) zwischen Integration, Ausgrenzung und Verfolgung“, Dirk Erkelenz und Thomas Karl (Hrsg.) ist im Metropolverlag erschienen und kostet 24 Euro.