Wallraf-ErweiterungsbauOhne „Plagegeister“ geht es in der Kölner Kultur nicht voran

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Mehrere Passanten stehen in einer Visualisierung vor einem fensterlosen Gebäude mit Buchstaben im Erdgeschoss.

So soll der Erweiterungsbau für das Wallraf-Richartz-Museum aussehen.

Der Spatenstich des Wallraf-Erweiterungsbaus zeigt, dass die Kunststadt Köln manchmal zu ihrem Glück gezwungen werden muss. 

Aus der historischen Distanz lesen sich viele Kölner Dramen wie Komödien – zumal, wenn sie ein gutes Ende nahmen. Zu diesen stadtpolitischen Lustspielen darf man heute die Gründungsgeschichte des Wallraf-Richartz-Museums zählen: Als Ferdinand Franz Wallraf 1818 seiner Heimatstadt seine riesige Kunstsammlung vermachte, ahnte diese wohl allenfalls, worauf sie sich eingelassen hatte.

Nach Wallrafs Tod war die Kulturbürokratie allein zwei Jahre damit beschäftigt, das Erbe zu zählen und zu archivieren. Danach passierte erst einmal – beinahe nichts. Es dauerte 30 Jahre, bis sich der Kaufmann Johann Heinrich Richartz der heute unschätzbar wertvollen Sammlung erbarmte und seiner Heimatstadt 100 000 Taler für den Bau eines Museums schenkte.

Eigentlich sollte der Erweiterungsbau 2015 stehen

Auf ähnliche zeitliche Dimensionen steuert die Stadt mittlerweile beim Erweiterungsbau des Wallraf-Richartz-Museums zu. Dessen Geschichte liest sich allerdings weit weniger erbaulich – aus unmittelbarem Erleben lässt sich ein Drama schwerlich zur Komödie umdeuten. Im Jahr 2001 hatte der Sammler Gérard Corboud der Stadt Köln 170 impressionistische Gemälde als „ewige Leihgabe“ übergeben und dafür die Zusage erhalten, dass die mit großen Namen wie Monet, Renoir, Cézanne, Gauguin und van Gogh glänzende Fondation im angemessenen Rahmen präsentiert werden würde.

Bald war die Idee eines Erweiterungsbaus für das gerade erst fertiggestellte Wallraf-Richartz-Museum geboren; der damalige Kölner Oberbürgermeister versprach Corboud, der Anbau werde spätestens zu dessen 90. Geburtstag, am 18. Mai 2015, stehen. Doch Corboud war es nicht einmal vergönnt, die Grundsteinlegung zu erleben. Er starb am 6. März 2017 im Alter von 91 Jahren und wurde immerhin alt genug, um eine kölntypische Serie aus Schlendrian und Verwaltungspannen aus nächster Nähe verfolgen zu können.

Wir haben uns vorgestellt, dass, wenn der Stifterrat vorausgeht, sich die Stadt auf das Selbstverständliche besinnt und ihre Zusagen gegenüber der Fondation einhält
Peter Jungen, Vorsitzender des Stifterrats

Dass auch diese Geschichte nun ein gutes Ende zu nehmen scheint, ist vor allem der Beharrlichkeit des Wallraf-Stifterrates zu verdanken. Unter Alfred Neven DuMont hatte sich dieser im Jahr 1997 formiert, um die Finanzierungslücke für den Wallraf-Neubau zu schließen; später trat der Stifterrat in Vorleistung, um den Architekturwettbewerb für den Erweiterungsbau zu finanzieren – aus diesem ging 2013 der Entwurf des Schweizer Büros Christ & Gantenbein als Sieger hervor. Das fertige Gebäude soll nicht nur die Fondation Corboud aufnehmen, sondern auch einige Funktionsmängel des Haupttraktes ausgleichen. Bei stärkerem Besucherandrang stößt der Ungers-Bau rasch an Kapazitätsgrenzen.

Das kölsche Wunder geschah

Seit mehr als einem Jahrzehnt ringt Peter Jungen, Vorsitzender des Stifterrats, mit der Stadt um den Erweiterungsbau. Im August 2013 sagte er dieser Zeitung: „Natürlich haben wir nie die Absicht verfolgen können, das Museum oder dessen Erweiterung zu finanzieren. Aber wir haben uns vorgestellt, dass, wenn der Stifterrat vorausgeht, sich die Stadt auf das Selbstverständliche besinnt und ihre Zusagen gegenüber der Fondation auch einhält.“

Damals brauchte es einige Fantasie, sich diese Lösung vorzustellen. Aber das kölsche Wunder geschah: Der Stifterrat ging voraus – und die Stadt besann sich auf etwas, das in Zeiten knapper Kassen und steigender Kosten für die eigenen Kulturbauten schon lange nicht mehr als Selbstverständlichkeit gelten kann.

Um Ruhe vor dem „Plagegeist“ Peter Jungen zu haben, sprangen Stadtführung und Verwaltung über lange Schatten. Die Gebäudewirtschaft akzeptierte, dass ein externer Bauleiter die Projektsteuerung beim Erweiterungsbau übernimmt, und Oberbürgermeisterin Henriette Reker warb in der Politik erfolgreich für eine weitere Kulturbaustelle. All das beweist, dass sich bürgerschaftliches Engagement in Köln weiterhin auszahlt. Und dass es ohne dieses Engagement heute so wenig geht wie vor 200 Jahren.