„Ungerechte Kündigung“Erste Schwarze Bibliothek in Köln muss neue Bleibe suchen – Fortbestand gefährdet

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Zwei Frauen vor einer Bücherwand.

Über 6000 Bücher mit Schwerpunkt Rassismus und Afrika gibt es in der Theodor-Wonja-Michael Bibliothek, die Glenda Obermüller und Bebero Lehmann mit ihren Mitstreiterinnen aufgebaut haben.

Der Vermieter hat die Räume des Kölner Vorzeigeprojekts gekündigt. Nun ruft der Trägerverein Stadt und Politik um Hilfe. 

Es ist so etwas wie ein Kölner Vorzeigeprojekt und eine Erfolgsgeschichte: Seit nun zwei Jahren gibt es die Theodor Wonja Michael Bibliothek in Köln – die erste Schwarze Bibliothek in ganz Nordrhein-Westfalen. Familienministerin Josefine Paul (Grüne) war hier und auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker besuchte diesen besonderen Ort, um die Arbeit zu würdigen. Hier gibt es nicht nur ein Sortiment von 6000 Büchern Schwarzer Autorinnen und Autoren. Es ist auch ein Begegnungszentrum und ein Ort, an dem viele Kultur- und Bildungsprojekte realisiert werden. Auslöser der Gründung war der gewaltsame Tod des Schwarzen George Floyd im Jahr 2020 in Minneapolis.

All das ist nun gefährdet: Dem Trägerverein Sonnenblumen Community Development Group sind zum 30. September die Räume gekündigt worden. „Wir fühlen uns hier von den Vermietern systematisch rausgedrängt“, sagt Mitgründerin Glenda Obermuller und sieht die Schwarze Community mit einer ungerechten Kündigung konfrontiert. „Dabei ist dieser Ort viel mehr als ein Raum. Es ist ein Zufluchtsort, an dem sich unsere Communitys versammeln, sich gegenseitig unterstützen. Die Kündigung stellt einen direkten Angriff auf das kulturelle und soziale Gefüge dar, das uns zusammenhält.“

Vermieter wehrt sich gegen Vorwürfe

Alles zum Thema Henriette Reker

Dass die Kündigung kam, war allerdings für sie und ihre anderen ehrenamtlichen Mitstreiterinnen und Mitstreiter nicht überraschend. Es sei vielmehr das Ende einer langen Reihe von Vorwürfen und Unstimmigkeiten gewesen. „Wir hatten einfach keine Chance“, so Obermuller. Dem Kündigungsschreiben, das der Verwalter ihrer Aussage nach vor versammeltem Auditorium während einer Veranstaltung des Vereins übergeben hat, war auch eine Abmahnung beigefügt. Darin stand, dass der Verein im Obergeschoss eine öffentliche Bibliothek betreibe. Für eine solche Nutzung bedürfe es aber strenger behördlicher Auflagen und Genehmigungen, die nicht vorlägen. Diese entspreche nicht dem Mietzweck.

Zwei Frauen mit Büchern in der Hand.

Auch Josefine Paul, NRW-Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, war in diesem Jahr in der Schwarzen Bibliothek in Köln zu Gast.

Die Nutzung sei immer transparent gewesen, sagte Obermuller. Plötzlich nehme man nun daran Anstoß. Immer wieder sei dem Verein mit Kündigung gedroht worden. So sei etwa ein Rattenproblem im Keller des Gebäudes zu Unrecht dem Verein angelastet worden.

Der Vermieter verweist dagegen darauf, dass immer wieder darauf hingewiesen worden sei, dass die Nutzung als Bibliothek und vor allem als Veranstaltungsort nicht der im Mietvertrag vereinbarten Nutzung entspreche. Die Räume seien als Büroräume vermietet worden. Die baurechtlichen Voraussetzungen als Veranstaltungsort seien nicht gegeben. „Wenn dort etwas passieren würde, wäre der Aufschrei groß“, so der Vermieter. Zudem habe der Verein im Keller eine Küche betrieben und auch diesen für Veranstaltungen genutzt. Immer wieder habe man erfolglos gebeten, dies zu unterlassen. Am Ende war die Lage verfahren. „Sobald man etwas angesprochen hat, schlugen einem Wut und Aggression entgegen“, so Obermuller.

Offener Brief an Oberbürgermeisterin Reker

Schon zu Ende September muss der Verein die Räume verlassen und Obermuller und alle anderen ehrenamtlichen Mitstreiterinnen treibt die Sorge um, wie es nun weiter gehen soll. „Wo sollen wir auf dem angespannten Mietmarkt eine für uns finanzierbare Alternative finden?“. Der Verein wird von Ehrenamtlern getragen, das Erwirtschaften der Miete sei schon so immer ein Drahtseilakt gewesen. In einem offenen Brief hat der Verein sich an Oberbürgermeisterin Henriette Reker gewandt. Angesichts der aktuellen politischen Lage in Deutschland „ist unsere Arbeit bedeutender denn je“, konstatiert der Verein und verweist auf Projekte wie die „Initiative N-Wort Stoppen“ oder die Arbeit des Vereins für Geflüchtete.

In dem Brief fordert der Verein eine Unterstützung der Stadt bei der Bereitstellung alternativer, barrierefreier Räume und eine langfristige Förderung der Bibliothek. Von Seiten der Stadt hieß es, dass der Fortbestand der Bibliothek der Stadt sehr wichtig sei. Man hoffe, dass sich kurzfristig eine Lösung finde. Es gebe allerdings bei der Stadt kein reguläres Unterstützungsangebot bei der Suche nach Immobilien für Kultureinrichtungen. Das städtische Kulturraummanagement werde jedoch Kontakt zu dem Verein aufnehmen, um zu prüfen, wie eine eventuelle Unterstützung aussehen könnte.

Auch von Seiten der Politik kamen von CDU, Grünen, SPD und FDP Solidaritätsadressen und ein Bekenntnis zu der Wichtigkeit des Erhalts der Bibliothek für die gelebte Vielfalt in der Stadt. „Die Theodor Wonja Michael Bibliothek leistet wertvolle Arbeit für unsere vielfältige Stadt. Deshalb sollte die Stadtverwaltung die Bibliothek unbedingt bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten unterstützen. Hierbei sollten auch weitere Unterstützungsmöglichkeiten wie der bereits beschlossene Mietkostenzuschuss für soziokulturelle Nutzungen geprüft werden“, sagte Claudia Brock-Storms, die integrationspolitische Sprecherin der SPD. John Akude (CDU), erster Afrodeutscher im Kölner Rat, erklärte, dass er mit seiner Fraktion einig sei, dass alles dafür getan werden müsse, "dass die Bibliothek nicht obdachlos wird, weil ihre Arbeit sehr wichtig ist".  In einem zweiten Schritt sei jedoch wichtig, die Gelegenheit zu nutzen, das räumliche wie das inhaltliche Konzept zu überarbeiten und weiterzuentwickeln. Bei Veranstaltungen seien die Räume aus allen Nähten geplatzt. Es brauche aber nicht nur mehr Raum, sondern auch mehr konzeptionelle Öffentlichkeitsarbeit, um das Angebot sowohl in der Schwarzen Community als auch in ganz Köln bekannt zu machen.