„Wo ist Tom?“Eigentlich ein ganz normales Café

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Mitch Contzen (links) und Christian Schütte sind im ersten Arbeitsmarkt angekommen. Caféleiterin Carina Becker freut das.

Mitch Contzen (links) und Christian Schütte sind im ersten Arbeitsmarkt angekommen. Caféleiterin Carina Becker freut das.

Sülz – Es ist ein ganz normales Café mit selbst gemachtem Kuchen, Zeitungen und Zeitschriften, Sofas und Spielecken. Und es ist doch kein ganz normales Café: Im jüngst eröffneten „Wo ist Tom?“ auf der Zülpicher Straße 309 arbeiten Menschen mit geistiger Behinderung. Das sollte in Zeiten gesetzlich geforderter Gleichberechtigung von Menschen mit und ohne Behinderung Alltag sein – ist es aber längst noch nicht.

„Für uns ist es ein mutiger Schritt. Längst nicht jeder ist der Meinung, dass Menschen mit geistiger Behinderung ganz normal als Kellner oder in der Küche arbeiten können“, sagt Matthias Toetz, der mit Silke Mertesacker die Geschäfte der Lebenshilfe Köln führt. Der Verein hat Ende 2012 eine gemeinnützige GmbH (Perspektive Lebenshilfe) gegründet, um Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubringen. Das Café auf der Zülpicher Straße ist das Pilotprojekt.

Fleisch, vegetarische und vegane Kost

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Kellner Christian Schütte, Küchenmitarbeiter Mitch Contzen und zwei andere junge Menschen mit geistiger Behinderung werden jetzt nach Tarif des Hotel- und Gaststättenverbands bezahlt – zuvor hatten die vier in Werkstätten für Menschen mit Behinderung gearbeitet. „Ich habe im Deutzer Bürgerzentrum schon in der Küche geholfen, die Arbeit ist also nicht ganz neu für mich“, sagt Mitch Contzen. Christian Schütte ist ein herzlicher Typ, der viel lacht und bei den Gästen gut ankommt – dass er motorisch nicht ganz so geschickt ist wie eine Oktoberfestkellnerin – geschenkt. „Die Arbeit macht Spaß, aber ich bin manchmal auch etwas nervös“, sagt er.

Dass das Café am Wochenende der Eröffnung schon erstaunlich voll ist, mag auch daran liegen, dass vorher ein anderes Café an der Zülpicher Straße 309 sein zu Hause hatte. Während das Café Himmelreich sich auf Kuchen und Torten spezialisiert hatte, gibt es im „Wo ist Tom?“ auch Herzhaftes: Gerichte mit Fleisch, vegetarische und vegane Kost. Der Koch kommt aus Guatemala, sein Handwerk hat er im Haus Unkelbach gelernt. Er hat es ziemlich gut gelernt, wenn er immer so kocht wie zur Eröffnung.

Ganztägiges Frühstück und mehr

„Unser Schwerpunkt liegt auf ganztägigem Frühstück, Kaffee und Kuchen, aber wir wollen ein größeres Spektrum abdecken“, sagt Matthias Toetz. Daher hat die Lebenshilfe auch eine Alkoholkonzession beantragt, die bald erteilt werden soll. Biere und Weine stehen schon auf der Speisekarte. Man denke dann auch darüber nach, wochentags länger zu öffnen: Aktuell hat das Café montags bis freitags von 9 bis 18.30 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Angeführt wird die neunköpfige Café-Crew von Carina Becker (28), die schon ein integratives Café in Hanau geleitet hat. „Unser Umgang untereinander ist sehr herzlich, das macht viel Spaß“, sagt sie. Was anders sei als in anderen Cafés? „Manches geht etwas langsamer, wir sprechen viel miteinander. Und wir haben ein anderes Bestellsystem.“

Weil einige Kellner nicht lesen und schreiben können, kreuzen die Gäste auf einem Zettel an, was sie essen und trinken wollen. Sonst ist alles „normal“. Es gibt sogar einen Bedienbereich auf einer Empore, die nur über Treppen zu erreichen ist. „Da haben wir lange überlegt bei der Wahl eines Ladenlokals. Entscheidend für uns war schließlich, dass die Toiletten barrierefrei erreichbar sind“, sagt Toetz. Da auch die meisten der 60 Sitzplätze im Erdgeschoss liegen, habe man sich auf den Platz im Herzen von Sülz geeinigt. Zur Freude benachbarter Geschäftsleute und Anwohner, die befürchtet hatten, ein Billigladen könnte das alte Café ersetzen.

Einen Bonus möchte das „Wo ist Tom?“, dessen Name auf Lebenshilfe-Gründer Tom Mutters zurückgeht, bei seinen Gästen nicht. „Wir werden zwar vom Integrationsamt und Spendern unterstützt, wollen aber bitte nicht als Sozial- oder Mitleidscafé rüberkommen“, sagt Toetz. „Wir wollen uns durchsetzen, weil wir eine gute Küche und guten Service haben.“