Vorwurf HochverratKölner Jurist in Russland festgenommen und in Moskauer Gefängnis gebracht

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Außenwand des Moskauer Lefortovo-Gefängnis.

Der Kölner Jurist German Moyzhes ist in St. Petersburg festgenommen und im Moskauer Lefortovo-Gefängnis inhaftiert worden. (Symbolfoto)

German Moyzhes hat in Köln als Geschäftsführer für die Avers-Gruppe gearbeitet. Nun droht ihm lebenslange Haft in Russland. 

Der Kölner Jurist German Moyzhes ist in St. Petersburg festgenommen und im Moskauer Lefortovo-Gefängnis inhaftiert worden. Laut russischen Medienseiten wird dem 39-Jährigen Hochverrat vorgeworfen. Ihm drohe lebenslange Haft. Das Auswärtige Amt hat den Fall gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt.

Seit zwei Jahren verweigerten russische Behörden dem deutschen Konsulat Haftbesuche von deutsch-russischen Doppelstaatlern. Menschen mit zwei Staatsangehörigkeiten würden ausschließlich als russische Bürger behandelt. Die deutsche Botschaft in Moskau stehe in Kontakt mit der Familie von German Moyzhes und dränge darauf, ihn besuchen zu dürfen.

German Moyzhes war Geschäftsführer in Köln

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Moyzhes hat in Köln als Geschäftsführer für die Avers-Gruppe gearbeitet. Er war Mitglied der Kölner Synagogengemeinde und kulturell engagiert. So organisierte er Konzerte mit russischen Musikerinnen und Musikern. Vor sechs Jahren zog er nach St. Petersburg und beriet für sein Unternehmen auch Menschen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten. Die Internetseite der Firma lässt sich aktuell nicht aufrufen.

In St. Petersburg gründete Moyzhes eine Radfahrer-Bewegung („Let’s go“), die sich für mehr Radwege und höhere Parkgebühren in der Innenstadt einsetzte. In seiner Freizeit organisierte er Konzerte und half russischen Medienseiten zufolge ehrenamtlich, Schulen mit Internet auszustatten. German Moyzhes soll verschiedenen Medien zufolge beim Radfahren in St. Petersburg von der Polizei angehalten und festgenommen worden sein.

German Moyzhes über Nawalny: Ein „tapferer Tod“

Der geschiedene Vater einer Tochter hat im Internet mit sowjetischen Oppositionellen sympathisiert und den russischen Krieg gegen die Ukraine in Sozialen Medien kritisiert. Er kondolierte öffentlich nach dem Tod des bekanntesten russischen Regimekritikers Alexej Nawalny, der im Gefängnis starb, und schrieb von einem „tapferen Tod“.

Menschen, die ihn kennen und mit denen der „Kölner Stadt-Anzeiger“ sprach, gilt Moyzhes als Liberaler, aber auch als widersprüchliche Persönlichkeit: So sind auf der Website seines Unternehmens viele kremlnahe Firmen wie Gazprom aufgelistet, im Netz sind Bilder zu finden, auf denen Moyzhes mit Putin-Unterstützern posiert. Er erzählt dort auch selbst von seiner Zusammenarbeit mit russischen Staatsbeamten.

German Moyzhes sei ein „äußerst hilfsbereiter, liebenswürdiger Mensch“, sagt Abraham Lehrer, Vorstand der Kölner Synagogengemeinde, dessen Mitglied Moyzhes ist. Er habe einen Tag nach der Festnahme am 28. Mai von dem Fall erfahren. „Germans Mutter, die in Köln lebt, hat sofort einen Flug nach Moskau gebucht, dorthin wurde er überstellt.“ Betreut werde Moyzhes in Untersuchungshaft von einem Anwalt und einem Rabbiner, so Lehrer. „Auch wir bemühen uns um konsularische Betreuung.“ Er wisse, dass German Moyzhes sich regimekritisch geäußert habe, „er stand aber sicher nicht in der ersten Reihe, ein Provokateur war er nicht“. 

„Ich habe German Moyzhes als offenen, zugewandten und sehr gebildeten Menschen kennengelernt“, sagt Ulrich Soenius, Historiker und Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs. Seit er ihn vor vielen Jahren kennengelernt habe, tausche er sich regelmäßig mit Moyzhes aus. Seine regimekritischen Äußerungen in Sozialen Medien habe er stets „mutig gefunden“. Die Bundesregierung müsse gegenüber Russland „entschieden darauf drängen, dass er freigelassen wird“. Die Inhaftierung sei offensichtlich politisch motiviert.

Einige Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist German Moyzhes dem Vernehmen nach zu Besuch in Köln gewesen. Die Warnung von Bekannten, er begebe sich bei einer Rückkehr nach Russland in große Gefahr, soll er als unbegründet zurückgewiesen haben.

Auf regimekritischen russischsprachigen Medienseiten wird vermutet, die deutsche Staatsbürgerschaft des Kölners sei der Grund für seine Festnahme und geplante Anklage wegen Hochverrats. Das vermutet beispielsweise die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Zeitung Nowaja Gaseta. Moyzhes, heißt es dort und auf anderen Medienseiten, könnte als politische Geisel festgenommen worden sein, um womöglich einen Gefangenenaustausch mit dem Tiergarten-Mörder Vadim Krasikov zu erpressen. Präsident Vladimir Putin hatte in einem umstrittenen Interview mit dem ultrakonservativen US-Talkmaster Tucker Carlson im Februar angedeutet, er könne sich auch einen Austausch mit dem ebenfalls in im Lefortovo-Gefängnis inhaftierten Journalisten Evan Gershkovich vorstellen. Das Auswärtige Amt äußert sich dazu nicht.

Andere russische Journalisten vermuten, Moyzhes könnte wegen seiner Sympathien für liberale Kräfte in Russland oder seiner Offensive gegen die Auto-Lobby in St. Petersburg verhaftet worden sein.