Kölner LandgerichtAnwalt nimmt Angriff des Richters gelassen – Mandant auf der Flucht

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Der Kölner Strafverteidiger Salih Kocak beim Prozessauftakt mit seinem Mandanten. Der ist inzwischen untergetaucht.

Köln – Die Urteilsverkündung am vergangenen Freitag war ganz und gar außergewöhnlich. Der Vorsitzende Richter Benjamin Roellenbleck verurteilte einen Gewalttäter zu sechs Jahren und neun Monaten Haft – in dessen Abwesenheit, denn der Angeklagte ist abgetaucht und auf der Flucht. Und dann beschimpfte der Richter den Verteidiger des Verurteilten regelrecht. Der Anwalt äußert sich jetzt und wehrt sich gegen das Urteil und die Breitseite des Richters.

Den Angriff des Richters sehe er sportlich, sagt Verteidiger Salih Kocak dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er habe sich für seinen Mandanten eingesetzt, „da mache ich nur meinen Job.“ Dass Sachverhalte von Richtern, Staatsanwälten oder Verteidigern unterschiedlich bewertet würden, sei Alltag bei Gerichtsprozessen. Ob er im Nachhinein das Gespräch mit dem Richter suchen wolle, dazu äußerte sich Kocak nicht.

Messerattacke in „McFit“-Studio

Alles zum Thema Bonner Straße (Köln)

Der Fall im Landgericht drehte sich um eine Messerattacke auf einen 31-jährigen Kunden im Fitnessstudio „McFit“ auf der Bonner Straße. Nach einem nichtigen Streit um einen Spind hatte der Angeklagte, 41 Jahre alt und dreifacher Familienvater, seinem Kontrahenten mit einem Messer in die Flanke gestochen und so dessen Lunge verletzt. Das Opfer drohte binnen kurzer Zeit zu verbluten.

In seinem Plädoyer hatte Verteidiger Salih Kocak gemutmaßt, die Verletzungen des Opfers seien schlimmer ausgefallen, weil dieser nach dem Stich noch durch das Sportstudio gelaufen, geschrien und einen Mülleimer zur weiteren Abwehr des Angeklagten ergriffen habe. Richter Roellenbleck hatte diese Aussagen des Verteidigers in seiner Urteilsbegründung scharf kritisiert.

Richter nannte Aussagen „zynisch“ und „menschenverachtend“

Zynisch und menschenverachtend, so hatte der Richter die Aussagen von Kocak bezeichnet. Roellenbleck hatte sich regelrecht auf den Anwalt eingeschossen; der Angeklagte war ja nun mal nicht da. „Sie sollten mal Ihre eigenen Aufzeichnungen lesen“, warf der Richter dem Anwalt ebenfalls an den Kopf, nachdem dieser in dessen Plädoyer ein wichtiges Detail weggelassen habe.

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Anwälte äußern sich zu Aussagen des Richters

„Dieses Nachtreten vom Richter am Ende des Prozesses gehört sich nicht“, sagt ein Anwalt zu den Worten Roellenblecks. Dispute sollte man innerhalb der Hauptverhandlung austragen. Eine Anwältin lobte hingegen die deutlichen Worte des Richters, für die er auch bekannt sei. Es sei das gute Recht des Vorsitzenden, in der Urteilsbegründung auch Kritik am Verteidigungsstil zu üben.

Ganz ausgestanden ist der Fall ohnehin noch nicht. Verteidiger Kocak geht gegen das harte Urteil des Richters vor und hat Revision eingelegt. Zu seinem abgetauchten Mandanten, so hieß es beim Prozess, habe der Anwalt weiterhin Kontakt. Der erheblich vorbestrafte Angeklagte, der trotz der schweren Vorwürfe auf freiem Fuß war, wird jetzt mit Haftbefehl gesucht.