„Das Geheimnis der Meister“Fühlt sich an wie eine Kochshow, ist aber Kunstfernsehen

Lesezeit 4 Minuten
Tim Ernst vergleicht die Reproduktion, die ihm als Vorlage dient, mit dem Originalwerk „Die Rasenbleiche“ von Max Liebermann.

Tim Ernst im Kölner Wallraf-Richartz-Museum mit einer Reproduktion von Max Liebermanns „Die Rasenbleiche“

Ein Gemälde aus dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum wird zum Star einer 3sat-Serie. Leider sieht die aus wie „Kitchen Impossible“.

Eigentlich hatte der Kultursender 3sat eine schöne Idee: In seiner Serie „Das Geheimnis der Meister“ stellt er heutige Künstler vor die Aufgabe, bekannte Gemälde zu kopieren, schaut ihnen dabei mit der Kamera über die Schulter und lässt das Publikum nachvollziehen, wie die Originale entstanden sein könnten. Solche „Fälschungen“ zu wissenschaftlichen Zwecken sind gar nicht so unüblich und leisten im besten Fall einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des malerischen Handwerks.

3sat dekliniert dieses Prinzip an fünf Gemälden durch, darunter Caspar David Friedrichs „Kreidefelsen“ und Paul Klees „Goldfisch“. In der vierten Folge kopiert das Fälscherteam ein Bild aus dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum: Max Liebermanns „Rasenbleiche“ (1882), das Wäscherinnen bei der Arbeit im Grünen zeigt. Diesem Meisterwerk des deutschen Impressionismus widmete das Wallraf im Jahr 2014 eine ganze Ausstellung und enthüllte dabei, dass Liebermanns Gemälde zunächst ganz anders aussah. Nach schlechten Kritiken im Pariser Salon übermalte er zwei Frauen, seine Hauptfiguren, im Vordergrund und schnitt am unteren Bildrand gut 20 Zentimeter aus der Leinwand.

Im Grunde wurde die „Rasenbleiche“ wie für das 3sat-Fernsehformat gemalt

Im Grunde ist die „Rasenbleiche“ wie für das 3sat-Fernsehformat gemalt, und tatsächlich bewältigt der als Kopist beauftragte Tim Ernst seine dankbare Aufgabe mit Bravour. Möglicherweise halten viele Kunstfreunde vor dem Bildschirm aber nicht bis zum Finale durch. Im ehrenwerten Bemühen, neue Publikumsschichten für die alten Maler zu erschließen, haben sich die Macher der Kölner Folge an eher kulturfernen Formaten orientiert. Stilistisch geht die Sache in Richtung von Kochshows wie „Kitchen Impossible“: Wir blicken in die Maltöpfe der großen Meister.

Durch die Folge führt die aus „Bares für Rares“ bekannte Kunsthistorikerin Bianca Berding, die ein leicht zu begeisterndes Team aus Malern und Restauratoren animiert. Berding trifft sich zunächst mit Wallraf-Kuratorin Iris Schaefer vor dem Original, führt das Publikum in die mit klebrigen Soundeffekten unterlegte Herausforderung ein und sorgt für den kunsthistorischen Hintergrund. Inhaltlich ist das alles durchaus belastbar, auch wenn Liebermann bei Berding als ein großer Neuerer erscheint, der er aber lediglich innerhalb der engen Grenzen des deutschen Kaiserreichs war.

Allzu viel scheint 3sat seinem Publikum nicht zuzutrauen. Nachdem sich Berding im Wallraf die Geschichte der „Rasenbleiche“ erklären lassen hat, trägt sie diese ihrem Team noch einmal vor. Einerseits prägt sich der Lehrstoff beim Zuschauer dadurch besser ein, andererseits können wir so miterleben, wie sich Tim Ernst und die Experten „spontan“ für das Werk und die damit einhergehende Aufgabe begeistern, während sie gut gelaunt um einen mit Katalogen und Reproduktionen bedeckten Tisch herumstehen. Ob der Funke auf diese Weise überspringt?      

Offenbar soll hier nicht nur die Kunst, sondern auch deren Erforschung zum Erlebnis werden. Also hören wir die Restauratorin Anna Bungenberg sich bange fragen, ob es ihr gelingen wird, den richtigen Malgrund für die Kopie zu beschaffen? Liebermann benutzte für die „Rasenbleiche“ einen groben Leinwandstoff, auf dem die Farbe wie aufgeraut und dadurch „typisch“ impressionistisch wirkt. Leider ist dieses Köpergewebe beim Düsseldorfer Restaurierungszentrum nicht in ausreichender Menge vorrätig. Prompt gibt Bungenberg die Suche auf und ordert etwas Ähnliches im Internet; für mehr fehle leider die Zeit, heißt es lapidar.   

Etwas enttäuschend verläuft auch die Reise, die Tim Ernst ins niederländische Dorf unternimmt, in dem Liebermann seine „Rasenbleiche“ malte. Vom Originalmotiv ist nicht viel erhalten, aber Ernst freut sich wie ein Kind über einige Bettlaken, die freundliche Einheimische für ihn auf einer Wiese ausgebreitet haben. Im Atelier ringt er vor allem damit, dass er im Sinne der Authentizität die aus dem Bild getilgten Wäscherinnen erst malen und dann übermalen soll. Liebermanns Drama scheint ihn aufrichtig zu rühren. Wie er dessen Hauptfigur opfert, um das Bild zu „retten“, gehört zum Besten, was die Folge zu bieten hat. Der eigentliche Akt des Malens schnurrt hingegen im Zeitraffer auf eine Spanne unter einer Minute zusammen. War es nicht dieses Geheimnis, das gelüftet werden sollte?


„Das Geheimnis der Meister: Max Liebermann“ läuft in der 3sat-Mediathek. Am 11. Juli, 18 Uhr, wird der Film mit Gästen im Stiftersaal des Wallraf-Richartz-Museums vorgestellt. Eintritt nach vorheriger Anmeldung auf www.kunstfreunde.koeln frei.