„Fack ju Göhte“-Star Jella Haase„Ich habe etwas sehr Patziges in mir, aber reguliere das immer“

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Jella Haase als Kleo Straub in der zweiten Staffel der Netflix-Serie „Kleo“

Jella Haase als Kleo Straub in der zweiten Staffel der Netflix-Serie „Kleo“

Jella Haase ist zurück in der Netflix-Serie „Kleo“ und spricht darüber, warum sie gerne auch so unangepasst wäre wie ihre Serienrolle. 

Frau Haase, Sie haben jetzt zum zweiten Mal Kleo gespielt, vor einer Weile auch zum zweiten Mal Chantal, mit der Sie in „Fack ju Göhte“ bekannt geworden sind. Bei welcher Rolle fühlte es sich vertrauter an, wieder in sie hineinzuschlüpfen?

Bei Kleo musste ich etwas mehr suchen nach der Figur als bei Chantal, obwohl natürlich eine größere Zeitspanne zwischen dem letzten „Fack ju Göhte“-Film und „Chantal im Märchenland“ liegt als zwischen den beiden „Kleo“-Staffeln. Chantal war trotzdem sofort greifbar für mich, weil ich die Figur einfach so lange kenne. Wenn man dann wieder aufeinandertrifft, ist es ein Heimspiel.

So unterschiedlich beide Figuren auf den ersten Blick sein mögen: Haben sie auch etwas gemeinsam?

Chantal und Kleo sind beide sehr eigen und haben gemeinsam, dass sie unangepasst sind. Ihnen sind gesellschaftliche Konventionen egal. Das ist bei beiden Figuren befreiend.

Haben Sie diese Unangepasstheit selbst auch?

Ich würde sehr gerne mehr davon haben, mich wie Chantal und Kleo einfach freimachen zu können von Konventionen. Ich merke immer wieder, wenn ich über die Figuren nachdenke, dass ich das als sehr angenehm empfinde und feststelle, wie genormt wir doch sind gesellschaftlich.

Ich würde sehr gerne mehr davon haben, mich wie Chantal und Kleo einfach freimachen zu können von Konventionen
Jella Haase

In was für Momenten merken Sie diesen gesellschaftlichen Druck?

Ich nicke oft Dinge ab, anstatt direkt etwas zu sagen. Dabei spüre ich oft einen Widerstand, kann ihn aber nicht so schnell benennen. Ich habe etwas sehr Patziges in mir, aber reguliere das immer und lasse es nicht heraus. Ich bin eher ein People Pleaser als meine Mutter zum Beispiel. Die ist super direkt und viel mehr wie Kleo und Chantal als ich. Ich versuche immer eher, ausgleichend zu wirken und wünsche mir, dass ich meinen Gefühlen da manchmal mehr vertrauen würde.

Steckt mehr Kleo oder mehr Chantal in Ihnen selbst?

Das ist eine schöne Frage. Beide Figuren haben eine Verspieltheit mit mir gemeinsam. Was ich an Kleo mag, ist, dass sie oft über ihre eigene Courage stolpert und das erst im Nachhinein merkt. Das habe ich auch manchmal. Und mit Chantal verbindet mich so eine Albernheit und etwas im Moment Verankertes.

Kleo als Ex-Stasi-Killerin und Spionin ist auf den ersten Blick das krasse Gegenteil. Hat auch das Sie an der Figur gereizt oder was war es?

Ich habe sehr lange nach dem Motor der Figur gesucht und mich gefragt: Wie rechtfertigt man so eine Gewalt, auch im Hinblick auf die aktuelle Weltlage? Während des Drehens habe ich gemerkt, dass es um die Überhöhung der Gewalt geht. Ich kam gerade frisch aus dem Theater, und die Körperlichkeit, mit der man dort spielt, konnte ich übertragen auf Kleo. Es war mir aber wichtig, dass wir uns der Zeit trotz der Überhöhung mit Respekt nähern. Ich habe mit meiner Sprecherzieherin jeden Satz durchdacht, vor allem wegen der figurhaften Liebe für den Osten.

Ich kenne die DDR nur vom Hörensagen und musste erst mal ein Gefühl für die Lebensrealität der Menschen in der Serie entwickeln
Jella Haase

Die Serie spielt in DDR-Zeiten, Sie selbst sind aufgewachsen im wiedervereinten Deutschland. Wie sehr spielte bei der Vorbereitung die Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte eine Rolle?

Das war extrem wichtig. Ich kenne die DDR nur vom Hörensagen und musste erst mal ein Gefühl für die Lebensrealität der Menschen in der Serie entwickeln. Dabei möchte ich mir gar nicht anmaßen, das komplett so herstellen zu können, wie es damals war. Aber ich habe versucht, mich mit Respekt und großer Aufmerksamkeit der Zeit zu widmen. Und ich habe sehr viel gelernt.

Was hat Sie dabei besonders überrascht oder beeindruckt?

Für mich war dieser ganze Tschekisten-Komplex krass. Das ist natürlich eine sehr abseitige Welt, die nicht viel mit der Lebensrealität der Menschen zu tun hatte, die da einfach gelebt haben. Aber zu hören, wie die Leute ausgebildet worden sind und dass sie zum Beispiel auch Karate gelernt haben, fand ich schon sehr spannend.

Apropos Karate: Wie viele der zahlreichen Actionszenen haben Sie selbst gespielt?

Ich habe viele Actionszenen selbst gespielt. Ich hatte aber auch ein unfassbar tolles Stuntdouble, Anna Gaul, die mich auch auf die zweite „Kleo“-Staffel vorbereitet hat. Sie ist MMA-Weltmeisterin in ihrer Gewichtsklasse und wir haben uns während der ersten Staffel kennengelernt.

Also wenn Sie jetzt nachts in eine brenzlige Situation kommen, dann …

Ich habe mich noch nie so stark wie bei der ersten Staffel gefühlt. Da hatte ich echt ein paar Griffe auf Lager.

Ich hoffe, Sie mussten die abseits des Drehs noch nicht anwenden?

Nein (lacht). Nur aus Spaß, wenn jemand frech wurde. Ich habe auch ein paarmal Armdrücken gewonnen. Das war schon toll, so sportlich zu sein.

Kommen wir zurück zum Inhalt: Die Zukunft Europas liegt in der neuen Staffel in Kleos Händen. Was würden Sie in unserer heutigen Zeit für Europa tun oder sich wünschen, wenn Sie diese Macht hätten?

Wir müssen uns daran erinnern, dass der Friede und die Sicherheit, in der wir aufwachsen, keineswegs selbstverständlich ist und wir uns alle mehr beteiligen müssen an einer funktionierenden Demokratie. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wen wir wählen, und wir müssen auch realisieren, dass man für manche Sachen wie den Klimaschutz aktiv werden muss. Wir müssen alle ein bisschen verzichten, aber Verzicht ist nicht immer negativ, er kann auch befreiend sein. Was mich zudem sehr beschäftigt, ist der Umgang mit Wut und wie die kanalisiert wird.

Wir müssen uns daran erinnern, dass der Friede und die Sicherheit, in der wir aufwachsen, keineswegs selbstverständlich ist
Jella Haase

Inwiefern?

Dass Menschen wütend sind, verstehe ich. Wut kann auch ein positiver Antrieb sein, aber momentan wird Wut oft destruktiv und mündet in Hetze und populistischen, einfachen Lösungen. Populismus bietet einfache Lösungen, die man gern annehmen würde, aber wenn man sich mal mit Wahlprogrammen populistischer Parteien auseinandersetzt, wird schnell klar, dass das weder Hand noch Fuß hat. Natürlich muss man auch die Kapazitäten haben, um sich damit auseinanderzusetzen, und da muss die Politik auch aktiv werden, damit die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter auseinanderklafft. Dafür braucht man clevere Köpfe. Also wenn ich etwas für Europa tun könnte, wäre es, mehr kluge, junge Leute zu engagieren.

Die gibt es ja wahrscheinlich auch schon.

Ja, es gibt sie. Aber ganz ehrlich, ich weiß auch nicht, ob ich als Politikerin arbeiten wollen würde. Das ist ein tougher Job und es ermüdet sicher auch, sich bei diesem ganzen Machtgehabe um Geld und Verstrickungen durchzuschlagen, mit guten Ansichten. Ich glaube, dass sehr viele Leute mit guten Idealen starten und es ihnen dann schwer gemacht wird, dafür einzustehen. Meine Mutter sagte letztens zu mir: „Ich würde mir wünschen, dass die Leute verstehen, dass Demokratie auch Kompromisse bedeutet.“ Das müssen alle Seiten verstehen.

Sie sind keine Politikerin, aber was tun Sie im Kleinen für Demokratie?

Ich kann Leute aufrufen, wählen zu gehen. Es ist auch bekannt, welche Haltung ich zu rechtsextremen Parteien habe und dass ich aktiv den Klimaschutz unterstütze. Das ist etwas, wofür ich meine Reichweite nutzen kann.

„Wenn man richtig viel Glück hat, kann man auch die Welt verändern“, sagt Kleo in einer Szene. Gehen Sie da mit?

Ja, und wenn es darum geht, was ich machen kann, sind das natürlich auch politische Filme. Kleo ist da für mich eine Vorreiterin und eine tolle Antiheldin, weil sie sagt: „Beide Systeme sind nicht toll. Ich will weder die eine Ideologie noch die andere Ideologie. Wir müssen anfangen, neu zu denken.“ Dieses Visionäre muss man sich beibehalten, das ist extrem wichtig. Man sollte nichts weitermachen, nur weil man es immer so gemacht hat.


Jella Haase (31) wurde in Berlin geboren. Der Durchbruch gelang ihr 2013 als Chantal in der Komödie „Fack ju Göhte“. Dieses Jahr spielte sie in „Chantal im Märchenland“ die Rolle noch einmal. Für ihre Nebenrolle in „Lieber Thomas“ (2021) als Katharina Thalbach gewann sie den Deutschen Filmpreis und für ihre Hauptrolle in der ersten Staffel von „Kleo“ (2022) den Deutschen Fernsehpreis. Die zweite Staffel „Kleo“ ist jetzt bei Netflix zu sehen.