Frauen im KriegARD-Podcast porträtiert Akteurinnen in Konflikten weltweit

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ARD-Podcast „Women in War“

Köln – Krieg ist Männersache. Kaum ein Stereotyp sei in der Sache so falsch und mit seinen Folgen so fatal wie dieses, findet Cosima Gill. „In Kriegen bringen Frauen die Familien über die Runden, halten Gesellschaften zusammen, kümmern sich um Kinder und alte Menschen. Und ja, kämpfen tun sie auch“, sagt die ARD-Reporterin („Kontraste“).

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Cosima Gill

Zusammen mit der Kriegsreporterin Julia Leeb hat Gill für die ARD im Auftrag von „radioeins“ (rbb) eine achtteilige Podcast-Serie unter dem Titel „Women in War“ (Frauen im Krieg) produziert, die an diesem Donnerstag an den Start geht – just einen Monat nach dem Beginn des jüngsten kriegerischen Konflikts, des von Wladimir Putin befohlenen Überfalls der russischen Armee auf die Ukraine.

Wo bleiben die Frauen?

„Was wir hier sehen, ist auf furchtbare Weise typisch: Ein Mann entfesselt einen gewaltsamen Konflikt, schickt Männer in den Krieg und an den Verhandlungstisch. Wo bleiben da die Frauen?“ Spielten ihre Perspektiven die gleiche Rolle wie die der Männer und kämen sie damit gleichberechtigt zu Wort, dann – davon ist die Expertin für Sicherheitspolitik und internationale Beziehungen überzeugt – wären die Chancen größer, Kriege zu verhindern oder sie schneller zu beenden.

So habe eine Studie des „Graduate Institute“ in Genf zu insgesamt 40 Friedensprozessen  gezeigt, dass Vereinbarungen eher erreicht und umgesetzt werden, wenn Frauen großen Einfluss auf die Verhandlungen hatten (hier eine Zusammenfassung). „Logisch!“, sagt Gill. „Schließlich sind Frauen zu mindestens 50 Prozent von Kriegen betroffen. Sie einzubeziehen, stellt alle Entscheidungen auf ein entsprechend breiteres Fundament.“

Frauen als „selbst ermächtigte“ Akteurinnen

Die oft übersehenen oder bewusst ignorierten Perspektive von Frauen rücken Leeb und Gill mit ihren Sendungen ins Zentrum. Bewusst stellen sie Frauen nicht nur als Opfer des Krieges dar, sondern als „selbst ermächtigte“ Akteurinnen mit sehr unterschiedlichen Facetten.

Julia Leeb

Julia Leeb

So begegnet in der Auftakt-Folge zum Ukraine-Krieg, die Leeb und Gill aus aktuellem Anlass zusätzlich in ihr Programm aufgenommen haben, die russische Studentin Ksenia. Die 19-Jährige hat zunächst offen mit Videos auf Tiktok und auf der Straße in Moskau gegen Putins Krieg protestiert. Inzwischen ist sie aber aus Angst vor Verfolgung zu stilleren Formen des Widerstands übergegangen – dem Tragen eines grünen Bändchens etwa, eines Symbols für den Willen zum Frieden. In Putins Russland kann schon das zu Repressalien führen.

Glühende Anhängerin Putins

Ksenias Großmutter wiederum ist glühende Putin-Anhängerin. Ein erregter Wortwechsel mit ihrer Enkelin ist ein klassischer „clash of cultures“ – ein Riss, der hier mitten durch eine russische Familie geht. Gill und Leeb begleiten die ukrainische Englisch-Lehrerin Liubov auf der Flucht aus ihrer Heimat, und sie porträtieren Olena, eine Enddreißigerin aus Kiew, die 2014 die „Ukrainian Women’s Guard“ aufgebaut hat – ein Netzwerk mit 1500 Mitgliedern auf Telegram, das unter anderem den Umgang mit Handfeuerwaffen trainiert.

Olena, die im sechsten Monat schwanger ist, hat auch ihre elf und 16 Jahre alten Töchter gelehrt, mit Pistole und Gewehr zu hantieren. Und sie will, wenn es sein muss, auch selbst in den Kampf gegen Putins Armee ziehen. „Was wir zeigen, sind die vielen Rollen von Frauen im Krieg – manchmal in ein und derselben Person“, sagt Gill.

Anderthalb Jahre Vorarbeit

Die Idee zu ihrem Podcast hatten die beiden schon vor anderthalb Jahren. Seitdem arbeiteten sie an der Konzeption und der Umsetzung der einzelnen Folgen. Ihre Protagonistinnen haben Gill und Leeb durch langjährig aufgebaute eigene Netzwerke gefunden, über Kontakte zu lokalen Medien oder zu internationalen Hilfsorganisationen sowie mit umfangreichen Recherchen im Internet und den Sozialen Medien. „Da sind ein Jahr Energie und Herzblut eingeflossen“, sagt die 32 Jahre alte Gill, die am Anfang ihrer journalistischen Laufbahn zeitweilig auch beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ gearbeitet hat.

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In den weiteren sieben Folgen von jeweils 30 bis 40 Minuten Dauer geht es um Frauen in Afghanistan, im Jemen oder in der Demokratischen Republik Kongo. Den Begriff „Krieg“ definieren die Autorinnen bewusst weit. So befasst sich eine Podcast-Folge mit dem Drogenkrieg in Mexiko, eine andere mit Hexenverfolgungen in Indien. „In aller Verschiedenheit der Konflikte lassen sich immer gleiche Muster erkennen: Männliche Gewalt wird besonders dann zur Waffe gegen Frauen, wenn diese eigene Rechte – etwa auf Eigentum – geltend machen können oder wenn es darum geht, die Bindekräfte einer Gesellschaft zu schwächen und zu zerstören.“