WDR SinfonieorchesterHerbstliches Strahlen

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Dirigentin Anna Bihlmaier.

Dirigentin Anna Bihlmaier.

Die Dirigentin Anja Bihlmaier und die Geigerin Alina Ibragimova interpretierten in der Kölner Philharmonie das Violinkonzert e-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy sowie Werke von Jean Sibelius und Igor Strawinsky.

Der große, üppig schwelgende Tschaikowsky-Ton ist durchaus noch präsent. Aber zugleich ist Jean Sibelius in seiner ersten Sinfonie bereits unterwegs zu neuen Stil- und Ausdruckswelten. Die kargen Linien, die einsam in den Raum ragenden Abrisskanten, die gegeneinander verschobenen Feldstrukturen - überhaupt alles, was das Spätwerk des finnischen Meisters so eigenwillig und bizarr macht, ist in seinem sinfonischen Erstling aus dem Jahre 1899 bereits angelegt. Man hört das Stück hierzulande eher selten; umso besser, dass Anja Bihlmaier es für ihr Debüt beim WDR Sinfonieorchester ausgesucht hatte. Die 1978 geborene Dirigentin hat viele Jahre an den Opernhäusern in Hannover, Kassel und Chemnitz gewirkt; in den letzten Jahren hat auch ihre Konzertkarriere merklich Fahrt aufgenommen.

Mit klarer, resoluter Geste

Anja Bihlmaier dirigierte mit klarer, resoluter Geste; sie hielt das Stück auch da kompakt zusammen, wo seine Strukturen auseinanderdriften oder gar zu kollabieren drohen. Das WDR Sinfonieorchester ließ die bröckelnde Fassade der nordisch-slawischen Romantik noch einmal herbstlich strahlen, stellte aber auch die inneren Konflikte der Musik plastisch heraus. Das große, unsicher tastende Klarinettensolo zu Beginn war äußerst eindringlich geformt, der furiose Einsatz des Paukers machte destruktive Energien hörbar, die im Stück fraglos vorhanden sind.

„Schwerelos“ lautete das nicht besonders glücklich gewählte Motto des philharmonischen Abo-Konzerts. Es war indes wohl eher auf die erste Hälfte des Programms gemünzt, die noch ganz im Rahmen klassischer beziehungsweise klassizistischer Formgebung stand. Strawinskys Concerto in Es „Dumbarton Oaks“, eine sehnig-schlank gefasste Hommage an Bachs Brandenburgische Konzerte, war in seiner widerborstigen Rhythmik souverän umgesetzt, klang aber eher trittfest als tanzinspiriert. Wenn überhaupt etwas an diesem Abend „schwerelos“ war, dann das Spiel der Geigerin Alina Ibragimova im Violinkonzert e -Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Geigerin Alina Ibragimova.

Geigerin Alina Ibragimova.

Alle drei Sätze waren auffällig schnell; dazu eilte die Russin ungeduldig voran, sobald das Orchester die metrischen Zügel lockerte. Eine gewisse Neigung zum körperlos flötenden Klang in der Höhe sorgte zusätzlich dafür, dass das berühmte Stück insgesamt wenig Bodenhaftung zeigte. Immerhin war das eine legitime, spieltechnisch unanfechtbare Lesart, die im Saal auch durchaus gut ankam. Nach dem furiosen Endspurt bereitete das Publikum der Solistin stehende Ovationen, ohne sie allerdings zu einer Zugabe bewegen zu können.