Abschied im Jahr 2021Warum wir Angela Merkel vermissen werden

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Plenarsitzung im Deutschen Bundestag mit FFP-Maske. 

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Plenarsitzung im Deutschen Bundestag mit FFP-Maske. 

  • Angela Merkel bewies in der Corona- Krise, was sie am besten kann. 2021 wird ihr letztes Jahres als Bundeskanzlerin.
  • Schon jetzt trauern ihr Menschen quer durch die politischen Lager nach. Wofür eigentlich genau? Ein Portrait.

„Überraschen wir uns einmal mehr damit, was wir können.“ Das war der Schlussappell in Angela Merkels Neujahrsbotschaft an Silvester 2019. Von Corona war noch keine Rede. Die Kanzlerin beschäftigte sich mit Klimawandel, Migration, rassistischer Gewalt, 30 Jahren deutscher Einheit und dem europäischen Zusammenhalt. Schließlich würde Deutschland in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen und den Brexit-Deal mit den Briten verhandeln müssen. Wie nebenbei erwähnte die Kanzlerin, dass sie 65 Jahre alt sei.

Es war ihre erste Ansprache seit der Ankündigung, 2021 nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten. Der Satz „Sie werden mich noch vermissen“ stand nicht im Manuskript. Natürlich nicht. Aber es sollte keine drei Monate dauern, da überraschte Merkel das Land tatsächlich einmal mehr mit dem, was sie kann: abwägen, besonnen agieren und reagieren. Ihr sprichwörtliches „auf Sicht Fahren“ wurde in einer historischen Bewährungsprobe für die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Demokratie zum Gebot politischer Führung.

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„Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt.“ Diese Sätze in Merkels Rede an die Nation vom 18. März lesen sich heute geradezu prophetisch. Im Gegensatz zu viel Unsinn, Abwiegelndem und Aufwiegelndem, was Teile der politischen Konkurrenz insbesondere von Rechtsaußen von sich gaben.

Ähnlich wie in der Flüchtlingskrise war Merkel 2020 erneut gefordert, einen für notwendig erachteten Kurs gegen erhebliche Widerstände zu vertreten und durchzusetzen. Ohne Kriegsrhetorik wie Frankreichs Emmanuel Macron und erst recht ohne populistische Mätzchen wie Großbritanniens Boris Johnson, vom Großmaul über dem Großen Teich ganz zu schweigen.

Europa, im Divergieren der Interessen ohnehin an seiner Belastungsgrenze, geriet durch die Pandemie noch einmal verstärkt unter Druck. In den ersten Monaten schienen die nationalen Egoismen dem Gemeinschaftsgeist endgültig den Garaus zu machen. Doch dann gelang es Merkel, im Verbund mit Frankreich ein noch nie dagewesenes Rettungspaket für den Kontinent zu schnüren.

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„Was für ein Triple!“, staunte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (nicht ganz ohne Lobhudelei und Eigeninteresse) über Corona-Hilfen, EU-Haushalt und verschärftes Klimaziel. „Dafür hat es sich gelohnt, eine Nacht nicht zu schlafen“, sagte die Kanzlerin – ein weiterer Eintrag für Merkels Schulwörterbuch der politischen Untertreibungen.

Wie so oft in ihrer Karriere kam Merkel auch 2020 an die Grenze des Machbaren und – so seltsam es auf dem Höhepunkt ihres Ansehens im Volk klingt – auch an die Grenze ihrer Macht. Die Länderchefs taten längst nicht immer das, was Berlin wollte. Da verlegte sich die in der Forbes-Liste der „World’s 100 Most Powerful Women“ auf Platz 1 abonnierte Kanzlerin auch schon mal aufs Flehen:

„Wenn wir jetzt vor Weihnachten zu viele Kontakte haben und anschließend es das letzte Weihnachten mit den Großeltern war, dann werden wir etwas versäumt haben.“ Im Ringen mit dem Kanzleramt hatten zwei Kontrahenten, Armin Laschet und Markus Söder, stets auch Merkels Posten im Auge. Die Fallhöhe ist bisweilen so markant, dass sie schon jetzt Phantomschmerzen auslöst. Wer immer Ihnen folgt, Frau Bundeskanzlerin, wir werden Sie noch vermissen.