Jubel über Absturz des „Schlächters“Tänze, Feuerwerk und böser Spott – So feiern viele Iraner Raisis Tod

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Irans Präsident Ebrahim Raisi und sein Außenminister Hussein Amirabdollahian sind bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Viele Iraner feiern ihren Tod. (Archivbild)

Irans Präsident Ebrahim Raisi und sein Außenminister Hussein Amirabdollahian sind bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Viele Iraner feiern ihren Tod. (Archivbild)

Viele (Exil)-Iraner feiern freudig den Tod von Präsident Ebrahim Raisi – auch auf der Kölner Domplatte. Die Freude hat brutale Gründe.

Im Iran, aber auch in vielen anderen Ländern, haben Iranerinnen und Iraner mit Freudentänzen, Feuerwerk und Spott auf die Nachricht vom Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi reagiert. Im In- und Ausland gingen Menschen auf die Straße, um den Tod Raisis offen zu feiern – so auch in Köln. Andere brachten ihre Freude in den sozialen Netzwerken zum Ausdruck. 

Raisi war am Sonntagnachmittag zusammen mit Irans Außenminister Hossein Amirabdollahian und sieben weiteren Personen mit einem Hubschrauber nahe der Grenze zu Aserbaidschan abgestürzt. Keiner der Passagiere überlebte den Absturz. Bereits als das Schicksal des Präsidenten noch unklar war, kursierten die ersten Videos, in denen Menschen ihre Freude über den möglichen Tod Raisis zum Ausdruck brachten.

Feuerwerk und Freudentänze im Iran nach Tod von Ebrahim Raisi

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In mehreren iranischen Städten wurde demnach Feuerwerk gezündet, viele Iraner kauften zudem Gebäck, um den Tod des Präsidenten zu feiern und veröffentlichtem freudige Beiträge in sozialen Netzwerken.

„Hier seht ihr die Freude aus dem 19. Bezirk in Teheran, Abdollah-Abad, anlässlich der Nachrichten über Raisi. Die Leute feiern ausgelassen“, sagte eine Frau in einem der Videos laut dem „Spiegel“. Wie groß der Anteil derjenigen ist, die den Tod Raisis in Feierstimmung versetzt hat, bleibt zwar unklar – dennoch hatten augenscheinlich genug Iranerinnen und Iraner den Mut, offen ihre Freude über das Ableben des Präsidenten zu zeigen.

Tod von Ebrahim Raisi: Jubelstimmung in Heimatstadt von Mahsa Jina Amini

In einer Stadt im Iran fiel die Reaktion besonders freudig aus: In Saghes, der Heimatstadt der iranischen Kurdin Mahsa Jina Amini, deren Tod in Polizeigewahrsam im September 2022 die größte Protestwelle seit Jahren im Iran ausgelöst hatte, feierten die Menschen den Tod Raisis den Aufnahmen zufolge ausgelassen mit viel Feuerwerk.

In sozialen Netzwerken wurden derweil Karikaturen mit Bezug auf Amini veröffentlicht. „Mahsa Aminis Geist führte Raisis Hubschrauber zum Berg“, wurde dazu geschrieben. „In all den vergangenen Jahren habe ich meine Mutter nicht mehr so fröhlich gesehen“, schrieb derweil der Bruder von Navid Afkari, eines Teilnehmers an den Demonstrationen im Jahr 2022, der für seinen Protest gegen das Regime hingerichtet worden war, im sozialen Netzwerk X. 

In einem anderen Video war laut den Angaben der Menschenrechtsaktivistin Masih Alinejad eine Frau mit ihrer Tochter zu sehen, deren Sohn noch vor wenigen Monaten vom Regime in Teheran zum Tode verurteilt worden war. „Erst vor wenigen Monaten ließ Ebrahim Raisi ihren Sohn hinrichten, nun tanzt sie im Gedanken an seinen Tod bei einem Hubschrauberabsturz“, schrieb Alinejad zu dem Video, das die Frau mit ihrer Tochter an der Hand beim Freudentanz zeigte. 

„Als ich 1985 in Teheran landete, sah ich als Erstes drei Menschen in einem Kreisverkehr hängen“

Dass der Tod von Ebrahim Raisi in der persischsprachigen Welt von vielen ausgelassen gefeiert wird, hat unterdessen gute Gründe: Raisi ist im Iran auch unter dem Namen „Schlächter von Teheran“ bekannt. Als Staatsanwalt ließ der spätere Präsident und enge Vertraute des „Obersten Führers“ Ajatollah Ali Chamenei vor allem im Jahr 1988 tausende politische Gefangene ohne ordentliche Verfahren hinrichten. Bis heute wissen viele Angehörige nicht, wo die Leichen ihrer Familienangehörigen geblieben sind.

Auch die jüngste Protestwelle im Iran nach dem Tod Aminis ließ Raisi mit Gewalt niederschlagen. Tausende wurden verhaftet, Hunderte gefoltert, Dutzende für ihren Kampf für die Freiheit hingerichtet.

„Als ich 1985 zum ersten Mal in Teheran landete, sah ich als Erstes drei Menschen an einem Kran in einem Kreisverkehr hängen“, erinnerte sich der indische Politikanalyst Abhijit Iyer-Mitra bei X an die Zeit, als Raisi die führende Figur im Teheraner Justizsystem war. Die Menschen seien nicht durch „humanes Erhängen“ mit einem Genickbruch hingerichtet, sondern „langsam stranguliert“ worden, verdeutlichte Iyer-Mitra die brutalen Methoden des Regimes. „Der Mann, der dafür verantwortlich war? Ebrahim Raisi.“

Freude bei (Exil)-Iranern: „Von ganzem Herzen teile ich das Glück der iranischen Freiheitskämpfer“

Vergessen sind Raisis Taten im Iran nicht. Auch Mansoureh Behkish zeigte sich bei X in einem Video beim Freudentänzchen. Fünf ihrer Geschwister sind unter Raisis Herrschaft als Staatsanwalt hingerichtet worden, berichteten Menschenrechtsaktivisten. „Von ganzem Herzen teile ich das Glück der iranischen Freiheitskämpfer“, schrieb Behkish selbst zu ihrem Video.

Ein Mann veröffentlichte derweil bei X ein Bild, auf dem ein Minarett mit Galgen zu sehen ist – und schrieb dazu: „Raisi, man fand deine stinkende Leiche zu jener Stunde, zu der du zahllose Menschen getötet hast.“ Das Regime im Iran lässt Menschen im Morgengrauen vor Sonnenaufgang hinrichten. Nach stundenlangen Suchmaßnahmen war Raisis Leiche in der Nacht auf Montag gefunden worden. „Jede iranische Familie kennt jemanden aus seinem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis, der von Raisi hingerichtet wurde, auch ich“, schrieb eine deutschsprachige Iranerin bei X.

Feierstimmung bei Regime-Gegnern: Süßigkeiten, Gebäck und Alkohol

Bei Feuerwerk und Freudentänzen blieb es im Iran deshalb oftmals auch nicht: Iranische Exilmedien verbreiteten Aufnahmen von Menschen, die nicht nur feierten, sondern dabei auch Alkohol konsumierten – was unter dem Mullah-Regime in Teheran verboten ist. Viele Menschen verteilten zudem Süßigkeiten und Gebäck – und beglückwünschten einander zum Tod Raisis.

Freude auch in Norwegen: Exil-Iraner versammeln sich am Montag zu Freudentänzen vor der iranischen Botschaft in Oslo.

Freude auch in Norwegen: Exil-Iraner versammeln sich am Montag zu Freudentänzen vor der iranischen Botschaft in Oslo.

„Ich gratuliere allen Iranerinnen und Iranern zu diesem großen Tag und zu diesem Ereignis der Fröhlichkeit nach so langer Zeit und so viel Kummer“, sagte eine Frau Medienberichten zufolge in einem Video, in dem Süßspeisen und Feuerwerk zu sehen sind. Das Gebäck wolle sie am Abend verteilen – und das Feuerwerk zünden, kündigte sie zudem an. 

Absturz von Ebrahim Raisi: Freudentänze auf der Kölner Domplatte

Auch in Deutschland bejubelten viele Iranerinnen und Iraner den Tod des Präsidenten ausgelassen. In Köln versammelten sich Menschen für Freudentänze auf der Domplatte, wie in einem Video des WDR zu sehen war. Ähnliche Szenen spielten sich auch in anderen Städten ab.

Der Terror des Teheraner Regimes dauert unterdessen auch in der Gegenwart weiter an. Die Iranerinnen und Iraner „werden sich nicht dafür rechtfertigen“, wie sie mit Raisis Tod umgehen, erklärte Mariam Claren bei X. Ihre Mutter, die Kölner Architektin Nahid Taghavi, sitzt weiterhin im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran.

„Denkt niemals, dass die Iraner*innen aufgegeben haben zu träumen“

„Der ‚Schlächter von Teheran‘ war mitverantwortlich für den Mord an tausenden politischen Gefangenen. Jede Familie im Iran ist entweder davon betroffen oder kennt jemanden“, fügte Claren an. Neben Taghavi befindet sich auch der Deutsche Jamshid Sharmahd weiterhin im Iran in Haft. Gegen ihn wurde wegen „Verdorbenheit auf Erden“ das Todesurteil verhängt. Vollstreckt wurde die Strafe bisher jedoch noch nicht. 

Die iranische Schriftstellerin Mina Khani wandte sich derweil direkt an die deutsche Öffentlichkeit. „Denkt niemals, dass die Iraner*innen aufgegeben haben zu träumen“, schrieb Khani bei X und fügte an: „Im Iran ist immer noch die Revolution im Gange. Wir haben zu viel verloren, um aufzugeben. Und seid über eine Sache gewiss: Iraner*innen sind unberechenbar, weil sie mit einer unberechenbaren Mörderbande als Regime zu tun haben.“ Der Tod des „Schlächters von Teheran“ und von Außenminister Amirabdollahian werde deshalb nun gefeiert, erklärte Khani, „und morgen können noch andere Sachen passieren“, fügte sie an.