Kommentar zur EuropawahlDie Klatsche für die Ampel ist selbst verschuldet

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Sachsen-Anhalt, Halle: Zahlreiche Wahlhelfer nehmen sich bei der Stimmenauszählung die Umschläge mit den Briefwahlstimmen zur Europawahl.

Zahlreiche Wahlhelfer nehmen sich bei der Stimmenauszählung die Umschläge mit den Briefwahlstimmen zur Europawahl. (Symbolbild)

Die Wählerinnen und Wähler haben auf Themen reagiert, bei denen populistische Parteien leicht andocken können.

Europa hat gewählt, und die erneute Verschiebung der politischen Gewichte hin zu Rechtspopulismus und Rechtsextremismus ist damit Realität. Eine Überraschung ist das nicht. Das ist ein bitterer Befund – an einem Tag, an dem sich das freie Europa eigentlich feiern sollte. In jedem der 27 Nationalstaaten gibt es eigene Gründe, warum die Bürgerinnen und Bürger manche Parteien abstrafen und andere stärken.

Quer über den Kontinent hinweg haben in allen Ländern aber die Frage von irregulärer Migration, die Angst vor Wohlstandsverlust und die Kriege in der Ukraine wie in Nahost eine zentrale Rolle gespielt. Bei all diesen Themen können Populisten leicht andocken und haben es in vielen Ländern mit Erfolg getan. In den nächsten fünf Jahren wird es noch schwieriger, die Europäische Union als Einheit gegen die globalen Herausforderungen zusammenzuhalten. Das Wahlergebnis ist insofern leider ein Votum gegen europäische Solidarität.

In Deutschland ist die EU-Wahl traditionell auch eine Abstimmung über die amtierende Bundesregierung. Dieser nationale Stimmungstest fällt hundsmiserabel aus. Im Vergleich zur Bundestagswahl verlieren alle drei Ampel-Parteien deutlich. Diese Klatsche ist selbst verschuldet. Mit Abwendung reagieren die Bürgerinnen und Bürger insbesondere auf den Dauerstreit der drei Koalitionäre, auf ihren fehlenden Pragmatismus beim Lösen von Problemen und auf einen Kanzler, der zwar öffentlich präsent ist, aber den Menschen viel zu wenig Halt gibt.

Für die laufenden Verhandlungen über den Bundeshaushalt ist dieses Wahlergebnis eine weitere schwere Belastung.

Bundesweit ist die skandalgeschüttelte AfD schwächer als noch Ende vergangenen Jahres. Sie konnte trotzdem zweitstärkste Kraft werden, weil sich insbesondere in den ostdeutschen Ländern die AfD-Wählerinnen und Wähler weder von der Bewertung der Partei durch den Verfassungsschutz als rechtsextrem noch durch die Skandale ihrer Spitzenkandidaten abschrecken lassen.

Damit werfen die Europawahl und die Kommunalwahlen in den Ost-Ländern schon jetzt einen dunklen Schatten auf die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im September.

Auch wenn die Union bundesweit mit Abstand stärkste Partei geworden ist, gibt es für sie keinen Anlass zum Triumph. Erstens sind CDU und CSU bei Europawahlen traditionell stark. Zweitens gelingt es der Union eben nicht, jene Wählerinnen und Wähler an sich zu binden, die sich frustriert von den Ampel-Parteien abwenden. Für CDU-Chef Friedrich Merz und seine Ambitionen, der nächste Kanzlerkandidat zu werden, ist das Ergebnis daher ernüchternd.

Dem Bündnis der Links-Rechts-Populistin Sahra Wagenknecht ist aus dem Stand ein Durchmarsch gelungen. Auch diese neue Partei wird bei den kommenden Landtagswahlen in Ostdeutschland eine wichtige Rolle spielen. Derzeit werden allerdings Themen in den Vordergrund gestellt, die in der Landespolitik keine Rolle spielen. Jedenfalls wird Wagenknecht nicht von Sachsen aus mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die Ukraine verhandeln können. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist aktuell nur ein Heißluftballon.

Diese Wahl kann einen nicht froh stimmen

Und Europa? Diese Wahl kann einen nicht froh stimmen. Man muss den Kontinent in historischer Perspektive betrachten, um die Vorteile der Europäischen Union auch weiter erkennen zu können. In den vergangenen Jahrhunderten haben sich die Nationen darüber die Köpfe eingeschlagen, was heute in Brüssel zwar mühsam, aber eben doch zivilisiert verhandelt wird. Gemessen daran ist die EU immer noch ein lohnendes Projekt für Freiheit, Frieden und Wohlstand. Und das muss es bleiben.