Kontakte zu IS-TerroristenWas Anhänger des Kölner Kalifatstaats beim Paintball planen

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Der Wiener Attentäter (rechts) holt einen Anhänger des ehemaligen Kölner Kalifatsaates dreieinhalb Monate vor dem Anschlag vom Wiener Flughafen ab.

Köln – Die Männer stehen lächelnd in ihren Tarnwesten im Wald. Mit hochgeschobenen Masken und Schusswaffenattrappen posieren sie für die Kamera. Auf einem der Bilder, sichergestellt durch NRW-Staatsschützer, zeigen viele von ihnen das Erkennungszeichen der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS): Den hochgestreckten rechten Zeigefinger.

Geschossen wird mit Farbkugeln, den „Heiligen Krieg“ trainieren die Verbündeten beim Paintballspiel im nordrhein-westfälischen Rheine. „Hier herrschen Sharia“ und „Allahu Akhbar“ skandieren die Verbündeten bei mehreren Treffen in den Jahren 2018 und 2019. Im Chat tönt ein Veranstalter, dass Muslime immer trainieren müssten, um die „Kuffar (Ungläubigen) kaputt zu machen.

Anhänger des ehemaligen Kölner Kalifen sollen Kampftraining organisiert haben

Organisiert wurden die Kampfspiele nach Erkenntnissen nordrhein-westfälischer Sicherheitsbehörden unter anderem von Anhängern des ehemaligen Kölner „Kalifatstaats“. Dies belegen Unterlagen, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen. Von einem geheimen Gebetsraum im Osnabrücker Stadtteil Schinkel aus wurden die Angriffssimulationen demnach verabredet. Dort sollen in erster Linie Sympathisanten des vor 20 Jahren verbotenen Kölner Islamistenverbandes verkehrt haben.

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Und die Paintball-Treffen dienten nach Ansicht der Bundesanwaltschaft der Vorbereitung von Anschlägen oder Selbstmordattentaten „im Kontext ihrer gemeinsamen ideologischen Gesinnung“, kurz gesagt auch der „Bereitschaft zum Märtyrertod“.

Treffen mit mutmaßlicher IS-Terrorzelle

Nach wie vor füllen hiesige Sympathisanten des Kölner Kalifen, Metin Kaplan, der vor 16 Jahren in seine türkische Heimat abgeschoben wurde, zahlreiche Ermittlungsakten. So sicherten Staatsschützer beispielsweise Aufnahmen von Zusammenkünften mit den Betreibern der Online-Plattform „Im Auftrag des Islam“, die dem Kalifatstaat-Verband nahestehen soll.

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Einsatzfahrzeuge der Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen stehen am 07.04.2017 in einer Einkaufstraße in Stockholm (Schweden). Ein Kleinlaster ist in eine Menschenmenge und dann in ein Kaufhaus gerast. Fünf Menschen werden getötet, 15 verletzt.

Vor allem aber beunruhigt die Ermittler, dass die Osnabrücker Kaplan-Anhänger inzwischen auch verstärkt den IS unterstützen sollen. So hatte der Radikalen-Zirkel beispielsweise enge Beziehungen zu einer mutmaßlichen tadschikischen IS-Terrorgruppe aus NRW, für die der Staatsschutz die Sonderkommission „Takim“ gegründet hat. Gemeinsam wurde bei den Paintball-Treffen den Ermittlungen zufolge der Häuserkampf geübt.

Fünf Beschuldigte stehen vor Gericht

Die fünf Mitglieder der Takim-Zelle müssen sich demnächst vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht verantworten. Die Vorwürfe reichen von der IS-Mitgliedschaft über gescheiterte Mordversuche bis hin zu Anschlagsplänen auf die US-Stützpunkte in Geilenkirchen und Spangdahlem.

Das Kriegstraining der Takim-Brüder mit den Kalifatsstaat-Verfechtern belegt, wie eng das gewaltbereite Islamisten-Netzwerk in Westeuropa verflochten ist. Etliche muslimische Migranten-Communitys aus den ehemaligen GUS-Staaten im Kaukasus sowie vom Balkan haben im Namen des IS Gruppen in Frankreich, Belgien, der Schweiz, Österreich, Schweden und Deutschland gebildet.

Warnung vor IS-Anschlägen in Deutschland

Die hiesige Terrorabwehr warnt davor, dass der Islamische Staat nach seinem Niedergang in Syrien und im Irak über die sozialen Netzwerke verstärkt zu Terrorangriffen in Deutschland und seinen Nachbarstaaten aufruft. 

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Polizisten blockieren eine Straße in Wien nach einem Schusswechsel im Stadtzentrum. Der Nordmazedonier hatte Anfang November 2020 vier Menschen erschossen, darunter eine Münchnerin. Unter den 23 Verletzten befanden sich vier weitere deutsche Staatsbürger.

So verfügten Mitglieder der nordrhein-westfälischen Takim-Zelle über beste Kontakte zu Dschihad-Kreisen in Frankreich, der Schweiz und Österreich. Aus Sicht der deutschen Staatsschützer soll der Takim-Chef mit tschetschenischen IS-Anhängern bei einem abgehörten Telefonat über eine Attentatsserie gesprochen haben. Die österreichischen Verbündeten sollen aus dem Gefängnis heraus Anschläge auf den Weihnachtsmarkt am Wiener Stephansdom und auch in Deutschland geplant haben.

Kontakte zum Wiener Attentäter

Ähnlich gut vernetzt in die österreichische Terrorwelt scheint auch die Osnabrücker Kalifats-Gruppe zu sein. Einige Paintball-Spieler standen via Instagram und Facebook in engem Kontakt zum Wiener Attentäter Kujtim Fejzulai. Der Nordmazedonier hatte Anfang November 2020 vier Menschen erschossen, darunter eine Münchnerin. Unter den 23 Verletzten befanden sich vier weitere deutsche Staatsbürger. Fejzulai wurde in der Wiener Innenstadt gestellt und von Sicherheitskräften getötet.

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Der Wiener Attentäter Kujtim Fejzula kündigte seinen Anschlag in einem Video an. Der Nordmazedonier hatte Anfang November 2020 vier Menschen erschossen, darunter eine Münchnerin. Unter den 23 Verletzten befanden sich vier weitere deutsche Staatsbürger.

Seither durchleuchtet die deutsche Bundesanwaltschaft die Verbindungen hiesiger Islamisten zum Wiener Todesschützen. So durchsuchte das Bundeskriminalamt (BKA) bereits vier Tage nach dem Attentat die Wohnungen, Arbeitsstätten und Fahrzeuge der Kontaktleute. Insbesondere Objekte einiger Schlüsselfiguren aus der Osnabrücker Kalifatsszene. Die deutschen Strafverfolger fahnden nach potenziellen Helfern, Hintermännern oder Komplizen. Offiziell ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen Unbekannt. Ob sich die Verdachtslage gegen die Osnabrücker Paintball-Clique nach Auswertung sichergestellter Datenträger und Handys erhärtet hat, wollte ein Behördensprecher auf Anfrage nicht kommentieren. 

Informationen vom FBI

Die US-Bundespolizei FBI übermittelte dem Bundeskriminalamt abgefangene Account-Daten mit dem Profil balqani82. Zwischen dem 21. September bis zum 10. Oktober 2020 konferierte der Nutzer mit dem späteren Terror-Schützen per Messenger.

Hinter dem Anschluss soll den Erkenntnissen der Ermittler zufolge einer der führenden Akteure der Osnabrücker Paintball-Truppe stecken. Und der flog dreieinhalb Monate vor dem Anschlag zu einem geheimen Treffen in die Hauptstadt Österreichs. Am Flughafen wurde er vom späteren Todesschützen in Empfang genommen.

Die Anschlags-Befehle kamen aus Syrien

Wie weit der Arm des kaukasisch-südosteuropäischen Dschihad-Geflechts in Westeuropa reicht, zeigt auch der Lkw-Anschlag in Stockholm durch einen IS-Anhänger vor knapp vier Jahren mit fünf Toten und 14 Verletzten. Drahtzieher des Anschlages war laut Bundesanwaltschaft ein hochrangiges IS-Mitglied in Syrien mit dem Kampfnamen Abu Fatima.

Und der soll es auch gewesen sein, der die nordrhein-westfälische Takim-Zelle auf den Weg geschickt hat: „Macht den Dschihad dort, wo ihr Euch befindet!“, soll er im Chat mit dem Messenger-Dienst Telgram-Chat befohlen haben.