NRW-BildungspolitikViele schlechte Noten auf dem Halbjahreszeugnis

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Eine Schülerin der dritten Klasse arbeitet an ihrem Schreibtisch, während ihr Zeugnis auf ihrem Schreibtisch liegt.

Am Freitag gibt es Zeugnisse.

Den Lehrermangel, das größte Bildungsproblem, will Schulministerin Feller in NRW schnell angehen. In Köln ermangeln zudem Schulplätzen.

Es gibt Schüler, die dem Tag mit gespannter Erwartung entgegenblicken, den anderen graust es: Am Freitag werden an den Schulen in Nordrhein-Westfalen die Zeugnisse verteilt, nach einem Halbjahr, in dem Corona glücklicherweise kein Comeback gefeiert hat, dafür aber Probleme wie Unterrichtsausfall aufgrund von Lehrkräftemangel immer mehr in den Vordergrund rückten.

Auch die neue Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) muss sich aus diesem Grund auf so etwas wie ein Halbjahreszeugnis gefasst machen. Im Sommer übernahm sie das Amt nach dem Wahlsieg von Schwarz-Grün von ihrer Vorgängerin Yvonne Gebauer (FDP), noch vor Weihnachten kündigte sie ihr erstes großes Maßnahmenpaket an, das „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“, mit dem sie Unterbesetzung von Lehrerinnen und Lehrern an den NRW-Schulen – hier sind 8000 Stellen offen – bekämpfen will.

Lehrkräftemangel

Das Studium für Lehramtsanwärterinnen und -anwärtern ist für Feller nach wie vor der Goldstandard für den Beruf. Doch der wird erst nach einigen Jahren an der Universität erreicht; der Lehrkräftemangel ist akut. Deshalb betont die Bildungsministerin auch kurz vor dem Halbjahresende, dass sie in der Zwischenzeit auf Seiteneinstiege setzt, vor allem an den Grundschulen, an denen die meisten Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Bis zum Frühjahr will Feller entsprechende Empfehlungen an die Kommunen und Schulträger formulieren und die Ausbildungsordnung ändern.

Lehrkräfte an Grundschulen verdienen weniger als zum Beispiel jene an Gymnasien – deshalb will die Landesregierung die Gehälter angleichen. Darüber hinaus sollen Gymnasiallehrkräfte ermuntert werden, zumindest zeitweise auch an der Grundschule zu unterrichten. Zu diesem Zweck soll es pädagogische Fortbildung und Coaching in Primarstufen-Didaktik geben. Ein Problem, das Feller damit immer noch nicht gelöst hat, ist die mangelnde Bereitschaft junger Menschen, überhaupt ein Lehramtsstudium zu beginnen – oder durchzuhalten.

Dorothee Feller, in Nordrhein-Westfalen, in einer Gesprächssituation

Schulministerin Dorothee Feller (CDU)

In NRW sind nach Angaben der Bildungsgewerkschaft GEW häufig Schulen in strukturschwachen Gegenden von Lehrermangel betroffen. „Hier ist die Landesregierung gefragt, mit tragfähigen und nachhaltigen Lösungen für eine sofortige Entlastung des Systems zu sorgen, damit gute Bildung unabhängig von der Postleitzahl ermöglicht wird“, sagt die NRW-Vorsitzende Ayla Çelik.

Der Verband Lehrer NRW forderte, den Beruf attraktiver zu machen, unter anderem durch eine qualitativ hochwertige Ausbildung, Ausstattung sowie Entbürokratisierung. Zudem fehle es oft an Wertschätzung für die Lehrkräfte. „Dies ist allerdings nicht allein ein Appell an Politik und Dienstherren, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, meint der Verbandsvorsitzende Sven Christoffer.

Forsa-Studie

Der Lehrkräftemangel ist unterdessen ein bundesweites Problem – auf ganz Deutschland bezogen, fehlen rund 40 000 Lehrerinnen und Lehrer. Die Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart veröffentlichte am Mittwoch eine repräsentative Forsa-Befragung, nach der zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten den Personalmangel als die größte Herausforderung der Schulen beschreiben. Das betreffe besonders häufig Schulen in sozial schwieriger Lage, sagen 80 Prozent. Erstmals seit 2019 wurden ausschließlich Schulleitungen statt Lehrkräfte befragt.

Besorgt zeigen sich auch die Bildungsgewerkschaft GEW und der Verband Bildung und Erziehung (VBE). „Der eklatante Lehr- und Fachkräftemangel ist die Achillesferse des Schulsystems. Er bremst nicht nur nahezu jedes schulpolitische Reformvorhaben aus, sondern gefährdet mittlerweile die Bildungsanstrengungen in Deutschland insgesamt“, sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze. „Schulleitungen und Kollegien brauchen endlich wieder Rahmenbedingungen, um ihre Arbeit professionell tun zu können“, forderte sie. Es gelte, dem Teufelskreis aus Überlastung durch Lehrkräftemangel und Lehrkräftemangel durch Überlastung zu entkommen.

Als Gegenmittel werden von der Politik eine schnellere Anerkennung ausländischer Lehramtsabschlüsse sowie die Qualifikation von Quer- und Seiteneinsteigern verlangt – aber auch Entlastung bei Verwaltungsaufgaben.

Weitere Probleme der Schulen sind laut Forsa-Studie Lernrückstände durch Corona, die schleppend vorankommende Digitalisierung sowie eine schlechte technische Ausstattung (22 Prozent), hoher Bürokratieaufwand (21 Prozent) und die hohe eigene Arbeitsbelastung (20 Prozent). Auch die Zuwanderung aus dem Ausland – etwa der Ukraine – stellt die Schulen vor große Herausforderungen.

Schulplatzvergabe

Kurz vor dem Ende des Halbjahres beschäftigte sich unterdessen der Schulausschuss im Düsseldorfer Landtag am Mittwoch mit einem Problem, das vor allem die Familien im Hinblick auf die künftige Schullaufbahn ihrer Kinder beschäftigt: Aktuell beginnt das Anmeldeverfahren für die weiterführenden Schulen – auch in Köln.

Nach dem Anmeldechaos im vergangenen Jahr sind Mehrfachanmeldungen laut Landesgesetzgebung inzwischen verboten. Die Rückkehr zur alten Prozedur mit Erst- und Zweitwunsch bringt zugleich ein vorgezogenes Verfahren für die Gesamtschulen mit sich – wer dort abgelehnt wird, kann sich in einem zweiten Schritt an den Schulen des dreigliedrigen Systems bewerben. Bis Anfang Februar sollen die Eltern Bescheid wissen, ob ihr Kind an einer Gesamtschule angenommen wurde, das Gesamtverfahren soll vor den Osterferien abgeschlossen sein.

Dass dem Elternwillen damit Rechnung getragen wird, bestritten zahlreiche Expertinnen und Experten aus der Schulpraxis und von Verbänden vor dem Schulausschuss: Es gebe in vielen Kommunen – wie in Köln – zu wenige Schulplätze, vor allem an den Gesamtschulen. Auch sei gar nicht klar, dass im Sinne des Elternwillens nur die Gesamtschulen in einem vorgezogenen Verfahren bedacht werden müssten, die Gymnasien aber nicht, sagte Martin Sina von der Rheinischen Direktorenkonferenz.


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