„Macron, verschwinde aus Frankreich“Telegram-Chef in Haft – Moskau reagiert mit Wut und purer Panik

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Ex-Präsident Dmitri Medwedew zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin. Medwedew hat die Festnahme von Telegram-Chef Pawel Durow mit schrillen Worten kommentiert. (Archivbild)

Ex-Präsident Dmitri Medwedew zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin. Medwedew hat die Festnahme von Telegram-Chef Pawel Durow mit schrillen Worten kommentiert. (Archivbild)

Kriegsblogger verfallen in Panik und löschen ihre Chats – die Festnahme des Telegram-Chefs sorgt für Wirbel. Auch Elon Musk mischt mit.

Die Reaktionen könnten kaum schriller ausfallen: Die Festnahme des Telegram-Gründers Pawel Durow treibt nicht nur Moskau zu Weißglut und Panik – auch Tech-Milliardär Elon Musk mischt sich ein. Durow war zuvor am späten Samstagabend in Frankreich festgenommen worden. Ihm wird vorgeworfen, sich an Drogenhandel und Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht zu haben, da er die Moderation von Inhalten bei Telegram verweigert habe. 

Moskau reagiert mit Panik auf Festnahme von Telegram-Chef

Während russische Kriegsblogger in heller Aufregung sind, da Durows App ihr hauptsächliches Kommunikationsmittel darstellt, reagierte der frühere russische Präsident und nunmehrige Vizechef des Sicherheitsrates in Moskau, Dmitri Medwedew, mit einer seiner seit Kriegsbeginn üblichen wilden Drohungen. „Macron, verschwinde sofort aus Frankreich! Durows Armee hat es auf dich abgesehen“, schrieb der enge Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin auf der Plattform X. 

Alles zum Thema Elon Musk

Unter den zahlreichen russischen Kriegsbloggern und bei manchen von Moskaus Propagandisten brach angesichts der Nachricht von Durows Festnahme derweil pure Panik aus. „Jeder, der es gewohnt ist, Telegram für sensible Gespräche/Korrespondenz zu nutzen, sollte diese Korrespondenz sofort löschen und dies nicht noch einmal tun“, warnte Margarita Simonjan, Chefin des Propagandasenders RT, ihre Landsleute.

Wut in Russland nach Festnahme von Pawel Durow

„Französische Geheimdienste haben nun die gesamten Daten von russischen Kriegsbloggern, inklusive der Adressen“, hieß es derweil in einem Telegram-Kanal. Andere der Kriegsblogger verwiesen auf die große Bedeutung der App für die russische Armee. „Wenn man die Rolle bedenkt, die Telegram beim Truppen-Management spielt, ist es möglich, dass westliche Geheimdienste jetzt sensible Daten der russischen Armee erbeuten – mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt“, hieß es dort mitunter.

Wie groß die Verunsicherung unter Russlands Propagandisten ist, wird auch an schrillen Forderungen deutlich. „Als Antwort auf Durows Festnahme sollte man eine Atombombe auf Kiew werfen – es ist Zeit“, schrieb einer der russischen Blogger. 

Bericht: Russen sollen Daten in Telegram schnellstmöglich löschen

Das russische Exilmedium „Meduza“ berichtete unterdessen mit Bezug auf den Sicherheitskräften in Moskau nahestehende Quellen am Sonntag, dass russische Behörden am Sonntag Staatsbeamte und „große Geschäftsleute“ angewiesen hätten, ihre Daten in Telegram schnellstmöglich zu löschen.

Während auf russischer Seite vor allem die möglichen Konsequenzen, die aus der Festnahme des Telegramchefs resultieren könnten, im Vordergrund stehen, meldete sich in den USA auch Elon Musk zu Wort. Der X-Besitzer äußerte sich mit mehreren Beiträgen – direkt und indirekt – zur Festnahme Durows. Musk forderte unter anderem „Free Pawel“ und verbreitete alte Aussagen von sich selbst, so auch die Behauptung: „Moderation ist ein Propaganda-Wort für Zensur“.

Elon Musk kommentiert Festnahme von Telegram-Chef

Der Tech-Milliardär betrachtet jeden Eingriff seitens sozialer Netzwerke in die bei ihnen veröffentlichten Inhalte als Angriff auf die Meinungsfreiheit – und steht deshalb selbst immer wieder in der Kritik.

Zuletzt hatte es in Großbritannien öffentliche Forderungen gegeben, die Gesetze so zu ändern, dass man auch Musk unter Umständen festnehmen könne. Zuvor hatte der Tech-Milliardär bei X angesichts der jüngsten rechtsradikalen Krawalle in Großbritannien davon gesprochen, dass ein „Bürgerkrieg unvermeidbar“ sei. Dafür hatte Musk scharfe Kritik vom britischen Premierminister Keir Starmer einstecken müssen.

Telegram-Chef: Pawel Durow bei Ankunft in Frankreich festgenommen

Durow, Gründer des Messengerdienstes Telegram, war zuvor am Samstagabend nach seiner Ankunft aus Aserbaidschan am Flughafen Le Bourget in Polizeigewahrsam genommen worden, wie die Sender TF1 und BFMTV sowie andere französische Medien unter Berufung auf Ermittlerkreise berichteten.

Die russische Botschaft in Frankreich habe sich des Falls bereits angenommen, hieß es in einer von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zitierten Stellungnahme des Außenministeriums in Moskau.

Telegram-Chef Pawel Durow wurde in Frankreich festgenommen. (Archivbild)

Telegram-Chef Pawel Durow wurde in Frankreich festgenommen. (Archivbild)

Nach französischen Medienberichten wurde Durow in Frankreich gesucht, weil Vorermittlungen gegen den Telegram-Chef eingeleitet worden sind. Durow wird demnach vorgeworfen, sich durch fehlendes Eingreifen bei Telegram und unzureichende Kooperation mit den Ordnungskräften des Drogenhandels, Betrugs und Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht zu haben. Laut TF1 könnte noch am Sonntag ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet werden.

Pawel Durow: Schwieriges Verhältnis zum Kreml

Mit Blick auf die Informationen zu Durows Festnahme habe die russische Botschaft in Frankreich sofort Schritte unternommen, die in einer solchen Situation notwendig seien, hieß es in der von Tass verbreiteten Stellungnahme des Außenministeriums. Man sei bemüht, die Situation zu klären, „obwohl die Vertreter des Geschäftsmanns keinen Antrag gestellt haben“.

Durow hatte Telegram mit seinem Bruder Nikolai gegründet, nachdem beide bereits das Netzwerk Vk.com ins Leben gerufen hatten, eine Art russischsprachiges Facebook. Telegram ist in Russland eines der wichtigsten Online-Netzwerke, das auch von vielen Behörden und Politikern zur Kommunikation genutzt wird. Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wird der Dienst von beiden Seiten für Mitteilungen genutzt.

Telegram geht kaum gegen Hassrede und Gewaltaufrufe vor

Durows Verhältnis zur russischen Obrigkeit gilt als schwierig. Der Verkauf von Vk.com erfolgte unter Druck. Zuvor hatte er sich geweigert, Daten der Teilnehmer der Protestbewegung in der Ukraine gegen den damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch an den russischen Geheimdienst weiterzugeben. Er selbst floh kurz darauf aus Russland.

Die Durow-Brüder versprechen, die Daten der Nutzerinnen und Nutzer von Telegram zu schützen. Mit den russischen Behörden legte sich der exzentrische Internet-Milliardär deshalb schon vor Jahren an.

„Meinungsfreiheit gibt es nicht ohne Verantwortung“

Aber auch im Westen gibt es Vorwürfe gegen das Brüderpaar. Den Telegram-Machern wird vorgeworfen, nicht konsequent genug gegen Hassrede und Gewaltaufrufe vorzugehen. Bei islamistischer Terrorpropaganda soll es westlichen und russischen Behörden gelungen sein, Telegram zu Löschaktionen zu bewegen.

Durows Ablehnung von Moderation könnte ihm nun zum Verhängnis werden. „Telegram steht im Mittelpunkt der globalen Cyberkriminalität“, schrieb der belgische EU-Politiker Guy Verhofstadt am Sonntag bei X. „Meinungsfreiheit gibt es nicht ohne Verantwortung.“  (mit dpa)