Nach Drohnenangriff auf MoskauRussland droht mit Vergeltung – und erklärt britische Regierung zu „militärischem Ziel“

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Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin. Russland hat auf den Drohnenangriff auf Moskau reagiert. (Archivbild)

Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin. Russland hat auf den Drohnenangriff auf Moskau reagiert. (Archivbild)

Der Drohnenangriff auf Moskau scheint Wirkung zu zeigen. Neben Drohungen ist in Russland von einer „neuen Realität“ die Rede.

Ende März hatte der ukrainische Politiker Olexij Danilow Russland mit einem „ukrainischen Schwarm Mathias Rust“ gedroht. Dazu gebe es bereits „mehrere tausend Drohnen mit einer Reichweite von bis zu 3000 Kilometern“, so Danilow. Mit seinen Aussagen nahm der Ukrainer damals Bezug auf den deutschen Kreml-Flieger Mathias Rust, der 1987 erfolgreich die sowjetische Flugabwehr unterflogen und sein Flugzeug direkt vor dem Kreml gelandet hatte.

Russland reagiert mit Drohungen auf Drohnenangriff auf Moskau

Am Dienstag meldeten die russischen Behörden schließlich mehrere Drohnen über Moskau – war das nun also schon der erste Vorgeschmack auf den „Schwarm Mathias Rust“?

Wenn es nach Kiew geht, ist das nicht der Fall. Man nehme den Angriff mit Freude zur Kenntnis, sei aber nicht dafür verantwortlich, hieß es am Dienstag aus der Ukraine. Im Kreml sieht man unterdessen einen „terroristischen Anschlag“ der Ukraine in dem in diesem Ausmaß bisher unerreichten Drohnenangriff auf die russische Hauptstadt.

Nicht der erste Drohnenangriff auf Moskau, aber der mit der größten Wirkung?

Zuvor hatte bereits ein Drohnenangriff auf den Kreml Anfang Mai für Wirbel gesorgt, am Dienstag meldeten die russischen Behörden jedoch direkt acht Drohnen, die man über Moskau abgeschossen habe. Während Russland keine Toten und nur geringe Sachschäden beklagen muss, hat der Drohnenangriff offenbar dennoch eine Wirkung entfaltet.

Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, versicherte zwar, bei der Luftabwehr der Drohnen hätten „alle richtig gearbeitet“ und es bestehe „keine Bedrohung“ für die Einwohner Moskaus, gleichzeitig räumte der russische Abgeordnete Alexander Chinschtein jedoch ein, der Angriff bedeute eine „neue Realität, die wir anerkennen müssen.“

Der Krieg spielt sich nunmehr nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland ab. „Zweifellos werden Sabotage- und Terroranschläge durch die Ukraine nur noch zunehmen“, so Chinschtein, der eine Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen in Russland forderte. Dass die Drohnen erfolgreich abgeschossen wurden, solle „niemanden trösten“, so der Politiker. „Unterschätze den Feind nicht“, fügte er an.

Dmitri Medwedew droht britischen Regierung: „Legitime militärische Ziele“

Parallel setzt man im Kreml als Reaktion erneut auf Drohungen. Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew, seit Kriegsbeginn einer der Lautsprecher in Moskau, hat am Mittwoch Vertreter der britischen Regierung zu legitimen Zielen im Angriffskrieg gegen die Ukraine erklärt.

Großbritannien unterstütze die Ukraine militärisch mit Ausrüstung und Spezialisten und führe so einen „unerklärten Krieg“ gegen Russland, schrieb der heutige Vizechef des nationalen Sicherheitsrates am Mittwoch bei Twitter. „Da das der Fall ist, können alle seine öffentlichen Vertreter (sowohl militärische als auch zivile, die den Krieg unterstützen) als legitime militärische Ziele betrachtet werden.“

Medwedew reagierte damit auf eine Bemerkung des britischen Außenministers. James Cleverly hatte zuvor erklärt, die Ukraine habe das Recht, über ihre eigenen Grenzen hinaus Gewalt auszuüben. Dem entgegnete Medwedew, Großbritanniens „alberne Beamte“ sollten bedenken, dass Großbritannien „als im Krieg befindlich“ eingestuft werden könne.

Kremlchef Wladimir Putin wirft Ukraine „Terror“ vor

Medwedew galt bei seiner Wahl zum Präsidenten 2008 als relativ liberaler Vertreter der russischen Politik. Seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine profiliert er sich als Hardliner. Mehrfach drohte er auch mit dem Einsatz von Atomwaffen.

Moskau drohte unterdessen auch der Ukraine Vergeltungsschläge für den Drohnenangriff auf Moskau an. So kündigte Kremlchef Wladimir Putin eine Reaktion an und warf Kiew wie bereits bei ähnlichen Vorfällen in der Vergangenheit „Terror“ vor. Der Kremlchef sprach zudem davon, dass die Ukraine „Russland Angst machen“ wolle.

Ramsan Kadyrow schwört Rache - und will Kriegsrecht in Russland

Auch Putins Vertrauter, Tschetschenen-Anführer Ramsan Kadyrow schwor Rache. Der Anführer der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus forderte die Verhängung des Kriegsrechts in Russland, um härter gegen die Ukraine vorzugehen.

Soweit will man im Kreml allerdings am Mittwoch offenbar noch nicht gehen. Die Verhängung eines Kriegszustands werde aktuell nicht diskutiert, sagte Kremlsprecher Peskow in Moskau. Peskow betonte, dass die Entscheidung darüber Moskau obliege und nicht den Regionen. Zugleich zeigte er sich besorgt über den wiederholten Beschuss der russischen Grenzregion Belgorod. „Die Lage dort ist ziemlich alarmierend. Es werden Maßnahmen ergriffen“, sagte Peskow.

In der Vorwoche hatten russische Freiwilligen-Einheiten, die für die Ukraine gegen Wladimir Putin kämpfen, das Grenzgebiet Belgorod angegriffen. Der Gouverneur des Gebiets Belgorod, Wjatscheslaw Gladkiw, meldete am Dienstagabend neuen Beschuss der Region von ukrainischer Seite. Es gebe einen Toten und Verletzte. (mit dpa)