Zusammen mit Ex-ParteigenossenWagenknecht protestiert gegen Ukraine-Hilfe und „rücksichtslosen Krieg“ Israels

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Sahra Wagenknecht (M.) und Gabriele Krone-Schmalz (l.) am 25. November bei afpeiner Friedensdemo in Berlin

Sahra Wagenknecht (M.) und Gabriele Krone-Schmalz (l.) am 25. November bei afpeiner Friedensdemo in Berlin

Sahra Wagenknecht war der Stargast, doch auch ein Vorstandsmitglied ihrer Ex-Partei hielt bei der Friedensdemonstration in Berlin eine Rede.

Sahra Wagenknecht ist nur für einen kurzen Auftritt vor das Brandenburger Tor gekommen. In einen eleganten schwarzen Mantel mit Pelzkragen gekleidet betritt sie am Samstagnachmittag die Bühne und wird mit lautem Jubel begrüßt. Sie fordert einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine. Und sie spricht über den Nahostkonflikt. Kein Unrecht der Welt rechtfertige das Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober. Doch Israel führe im Gazastreifen einen rücksichtslosen Krieg, den Deutschland nicht unterstützen dürfe, sagt sie. „Es ist doch absurd, zu glauben, dass Bomben den islamistischen Terror schwächen. Sie stärken ihn.“

Schließlich entdeckt Wagenknecht – zumindest im Witz – noch ihr Herz für das Klima. Alle redeten über Klimaschutz, bemerkt sie. „Aber dass das US-Militär mehr CO₂ in die Luft bläst als die gesamte deutsche Industrie und dass ein Kampfjet in einer Stunde mehr Treibstoff verbraucht als ein normaler Autofahrer in sieben Jahren, komischerweise findet das in der Debatte nicht statt.“ Sie frage sich, „wann die Klimakleber sich mal in Ramstein ankleben“, sagt die Ex-Linke, auf die dortige US-Militärbasis verweisend. Dafür erntet sie Applaus und Gelächter. Nach ihrer Rede verlässt sie die Bühne und von Personenschützern begleitet auch die Demonstration.

Mehrere Tausend Menschen sind am Samstag in Berlin zusammengekommen, um bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und zeitweisem Schneeregen gegen die deutsche Außen-, Verteidigungs- und Rüstungspolitik zu demonstrieren. Von 5000 Teilnehmern spricht die Polizei, die Veranstalter selbst sagen, es seien mehr als 20.000 gekommen. Klar ist: Es sind weniger als bei der letzten „Friedenskundgebung“, zu der Sahra Wagenknecht im Februar zusammen mit Alice Schwarzer aufgerufen hatte.

Zwei Aufrufe, aber vereint auf der Straße

Zu den Aufrufenden gehörte die ehemalige Linken-Politikerin, die gerade mit der Gründung einer neuen Partei beschäftigt ist, auch dieses Mal. Ebenso wie einige ihrer politischen Mitstreiter, aber auch prominente Politiker, die in der Linkspartei verblieben sind, wie Gregor Gysi und der Vorsitzende der scheidenden Linksfraktion, Dietmar Bartsch.

Die Veranstalter der Demonstration üben sich in ihrem Aufruf in Äquidistanz: „Wir verurteilen den russischen Einmarsch vom 24.2.2022 in die Ukraine. Ebenso verurteilen wir auch die vorangegangenen Vertragsbrüche und nicht eingehaltenen Zusagen der NATO-Staaten“, heißt es dort. Die Aggression des Kremls, das Verhalten der NATO – wer will da schon unterscheiden?

Ganz wohl war der Parteiführung der Linken mit der Tonalität des Aufrufes und einem Teil der Organisatoren und Unterstützer der Demonstration aber nicht. Die Partei hat deshalb einen eigenen Aufruf veröffentlicht. Anders als Wagenknecht spricht sie sich nicht pauschal gegen alle Russland-Sanktionen aus. An „Sanktionen gegen den militärisch-industriellen Komplex Russlands“ will sie festhalten und Vermögenswerte von Oligarchen einfrieren.

Die Linke will Deutschland „friedenstüchtig“ machen

Das bekräftigt auch Linken-Bundesvorstandsmitglied Ates Gürpinar, der auf der Abschlusskundgebung der Demo spricht. Deutschland müsse nicht „kriegstüchtig“ gemacht werden, wie es Verteidigungsminister Pistorius kürzlich gefordert hatte, sondern die deutsche Gesellschaft müsse „friedenstüchtig“ werden. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende bedeute dagegen eine Militarisierung der Gesellschaft. „Wir Linke sagen: Verhandlungen statt Waffen, Waffen gehören verboten[…]“, ruft Gürpinar seinen Zuhörern von der Bühne zu.

Dass sowohl Wagenknecht als auch Gürpinar auf der Demonstration auftreten, sei kein Problem und auch nicht ungewöhnlich, heißt es aus der Linken. Immerhin sei man lange gemeinsam in derselben Partei gewesen. Ungewöhnlich sei vielmehr gewesen, dass prominente Vertreter der Linken bei Wagenknechts vorheriger „Friedensdemo“ gemeinsam mit Alice Schwarzer gefehlt hätten. Bei dieser Kundgebung im Februar habe eine klare Abgrenzung nach rechts gefehlt, diesmal sei das anders. Und eine große Demonstration für den Frieden sei so wichtig, dass man dafür auch Kompromisse eingehen müsse.

Das mit der Abgrenzung funktionierte diesmal zumindest besser als im Februar. Vor dem Brandenburger Tor ist vor allem die klassische linke Friedensbewegung versammelt. Es sind Fahnen von Gewerkschaften, pazifistischen Organisationen, der Linkspartei, oder der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) zu sehen. Aber auch deutsch-russische Freundschaftsfahnen und ein Schild, auf dem ein junger Mann fordert: „Genozid in Gaza stoppen. Krieg gegen Russland stoppen. Baerbock absetzen.“

Vereinzelt auch Verschwörungsideologen dabei

Und auch einzelne Rechte und Verschwörungsideologen nehmen an der Demonstration teil. Zeitweise weht mitten im Protest eine Fahne des rechtsextremen Compact-Magazins mit der Aufschrift „Ami go home“. Die Berliner Gruppe „Freedom Parade“ fährt sogar mit einem eigenen Lautsprecherwagen in der Demo mit. Dabei handelt es sich um Verschwörungsideologen, die in der Vergangenheit bei Corona-Protesten regelmäßig zusammen mit Rechtsextremen demonstriert hatten.

Die „Friedensdemonstration“ zieht vom Brandenburger Tor aus durch das Berliner Regierungsviertel und dabei auch an der russischen Botschaft vorbei. Dort halten Ukrainer und ihre Unterstützer eine Dauermahnwache ab. „Slava Ukraini“ (Ehre der Ukraine) rufen sie der vorbeiziehenden Demonstration entgegen. „Frieden schaffen ohne Waffen“ schallt es im Chor zurück.

Einige Meter weiter stehen Demonstranten mit weißen Masken auf dem Kopf und fordern auf einem Transparent, einen vermeintlichen „Völkermord“ in Gaza zu stoppen. Zumindest einer von ihnen wähnt sich offenbar einer großen Verschwörung auf der Spur: Das israelische Militär, nicht die Hamas habe am 7. Oktober auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger geschossen, behauptet der Mann im Gespräch mit einem rechten Youtuber, der die Demonstration mit seiner Kamera begleitet.