Trotz Inzidenz von 5000Warum Dänemark im Gegensatz zu Deutschland lockern kann

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Kopenhagen DPA 020222

Im dänischen Kopenhagen darf nach Ende der Corona-Beschränkungen wieder gefeiert werden.

Kopenhagen/Köln – In Berlin-Friedrichshain werden wohl die wenigsten Menschen die dänische Stadt Skanderborg kennen. Der 19.000-Einwohner-Ort ist eher bekannt für seine mittelalterlichen Ausgrabungsstätten als für Hipster-Cafés und teure Ein-Zimmer-Wohnungen.

Und dennoch liegt Skanderborg in einem Punkt weit vor der deutschen Hauptstadt. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist dort mit 6439 mehr als doppelt so hoch wie in Friedrichshain, das mit einem Wert von 2748,8 deutscher Spitzenreiter ist. Genau genommen haben nur drei dänische Städte und Landkreise eine geringere Inzidenz als ein Teil Berlins. Und dennoch sind seit dem 1. Februar in Dänemark nahezu alle Corona-Maßnahmen aufgehoben. Wie kann das sein?

Dänemark: Omikron-Subtyp BA.2 lässt Corona-Zahlen nach oben schnellen

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Das skandinavische Nachbarland Deutschlands verzichtet seit Dienstag auf eine Maskenpflicht und das Vorzeigen von Impf- oder Genesenennachweisen, beispielsweise im Einzelhandel oder in der Gastronomie. Großveranstaltungen sind wieder erlaubt, Bars und Clubs wieder geöffnet. Wir sind durch die kritische Phase durch“, so Ministerpräsidentin Mette Frederiksen auf einer Pressekonferenz.

Die Sozialdemokratin, die Dänemark bereits seit 2019 regiert, schaut dabei längst nicht mehr auf Inzidenzwerte. Denn die würden naturgemäß Gesundheitsexperten wie Laien über die Lockerungen stutzen lassen. Zumal in Dänemark der neue Omikron-Subtyp BA.2 mittlerweile mehr als 80 Prozent der Infektionen ausmacht. Er soll deutlich ansteckender als die in Deutschland vorherrschende Variante BA.1 sein. Auch deshalb sind die Fallzahlen in Dänemark so hoch.

Mette Frederiksen APF 020222

Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen.

Die Einstufung von Covid-19 als „gesellschaftskritische Krankheit“ ist in Dänemark dennoch ausgelaufen, das Robert-Koch-Institut (RKI) spricht in seinem Wochenbericht dagegen weiterhin von einer „sehr hohen“ Gefahr für die deutsche Bevölkerung und „besorgniserregenden Erregersymptomen.“

Die dänische Regierung macht die Gefahr für ihre rund 5,8 Millionen Bürger aber nicht mehr an der Zahl der Erkrankungen, sondern an den schweren Verläufen fest. Zwar liegt die Hospitalisierungsrate mit 18,4 deutlich über dem deutschen Wert von 4,59, allerdings sind in Dänemark nur 28 Intensivbetten durch eine Covid-19-Erkrankung belegt. Das entspricht einer Quote von 0,48 pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland lag der Wert am Dienstag bei 2,77.

Dänemark: Virologe Christian Drosten sieht Grund für Lockerungen

Ein weiterer Punkt: Dänemark verfügt über eine deutlich bessere Impfquote als Deutschland. Dort sind 81,4 Prozent (Deutschland: 74,0) der Bevölkerung doppelt geimpft, 61,3 (53,0) Prozent haben ihre Booster-Impfung erhalten. Eine durchaus große Impflücke, die den Unterschied zwischen härteren Maßnahmen und Lockerungen machen kann.

Ähnlich sieht das auch der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité:  „Eine Sache, die sich nicht geändert hat, ist die Impflücke. Die Impfrate in Deutschland ist sogar vor Kurzem wieder gesunken. Daher können wir im Gegensatz zu Dänemark noch keine Entwarnung geben“, sagte Drosten im Corona-Podcast des NDR. Voraussetzung sei nach wie vor eine hohe Impfrate, um gut gewappnet in den kommenden Winter zu gehen.

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„Das Fahrwasser hat sich nicht geändert, es ist eher klarer geworden. Wir haben Omikron erkannt als neuen Serotypen. [...] Eine alleinige Omikron-Infektion reicht allerdings nicht, um auch immunisiert gegen alte Serotypen wie beispielsweise Delta zu sein“, ergänzt Drosten weiter und betont, dass eine Infektion keine Impfung ersetze.

Dänemark: Erster Freedom Day im September fehlgeschlagen

Dänemarks Lockerungen lassen sich so vor allem an zwei Faktoren festmachen: Einer hohen Impfquote und einer niedrigen Hospitalisierungsrate, die das Land optimistisch auch in die kommenden Monate blicken lässt. 

Laut einer am Montag von der Tageszeitung „Politiken“ veröffentlichten Umfrage haben 64 Prozent der Dänen Vertrauen in die Corona-Politik der Regierung. Laut einer aktuellen Umfrage des Allensbach-Instituts liegt das Vertrauen in Deutschland nur noch bei 44 Prozent.

Bereits im September hatte Dänemark, nachdem ein Großteil der Bevölkerung doppelt geimpft war, zum Freedom Day aufgerufen und Maßnahmen gelockert. Aufgrund steigender Infektionszahlen und der neuen Omikron-Variante waren diese aber Schritt für Schritt wieder zurückgenommen worden. (shh)