Liebe oder Lüge?Welche Fehler Paare nicht begehen sollten

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Vater, Mutter Kind – das war das Ziel, als an der Universität in Stanford die ersten Experimente mit digitaler Partnervermittlung gemacht wurden. 49 Frauen und Männer waren beteiligt an dem Projekt, das „Glückliche Familienplanung” hieß. Zur Ausstattung gehörten ein Fragebogen und der Rechner IBM 650, der bei der Arbeit half. Komplett daneben lagen die Macher vor 60 Jahren nicht. Denn inzwischen gibt es weltweit ungefähr 8000 Dating-Seiten, in Deutschland sucht jeder Dritte die Liebe fürs Leben oder zumindest einen Flirt-Partner online. Aber was passiert, wenn die glücklich Verliebten tatsächlich zu einem Paar geworden sind und die Alltagsprobleme aufkommen?

Das ist eine der Lieblingsfragen von Esther Perel. Die in New York tätige Psychotherapeutin kümmert sich um die Sorgen und Nöte der Paare, die in Zeiten von Smartphones, Chat-Funktionen und gefilterten Liebesfotos die Orientierung verlieren. Bei weltweit bedeutenden Digitalkonferenzen wie „South by Southwest (SXSW)” in Texas ist sie seit Jahren dabei und die global agierenden Eventmacher von Ted Talks haben sie auch als Rednerin entdeckt. In ihrem Podcast („Where Should We Begin?”) lädt sie verzweifelte Paare in ihre Praxis ein und lässt sie erzählen. Um das Projekt vorzustellen, trat sie vor einiger Zeit auch einmal in Deutschland, konkret in Berlin, auf.

Perel selbst ist verheiratet und hat zwei Kinder, sie stammt aus Belgien und lebt in New York. Ihren Tag beginnt sie morgens, in dem sie Alexa bittet, die Nachrichten abzuspielen, dann schaut sie auf dem Smartphone nach den Terminen des Tages und prüft, ob sie dringende Mails erhalten hat. Sie weiß also, wovon sie spricht.

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Was sollten Paare nun wissen in Zeiten der digitalen Reizüberflutung, der ständigen Erreichbarkeit, dem lästigen Gefühl der Überforderung und der Alarmstimmung, ständig etwas zu verpassen? Wenn es um moderne Kommunikationsformen wie SMS oder Chats geht, dann rät Esther Perel Paaren und Familien zur Vorsicht. „Die Stimme”, sagt sie, „ist das kräftigste, intimste und deutlichste Ausdrucksmittel, das wir haben”. Schon als Babys hätten wir zuerst gelernt, den Eltern zuzuhören. Eine Textnachricht biete die Gefahr der Missinterpretation, weil Nuancen und Tonfall nicht vermittelt werden. Und weil es keine Möglichkeit gibt, die erste Reaktion auf die Botschaft mitzubekommen.

Neben der psychologischen Wirkung fallen ihr noch zwei weitere Argumente ein, um nicht gleich loszutippen. Erstens: Effektivität. In einem direkten Telefongespräch können Sachen viel schneller geklärt werden als in einem unpräzisen Kurznachrichten-Austausch. Zweitens: „Wenn wir uns zu sehr auf das Schreiben von Nachrichten fokussieren, dann werden die Muskeln vernachlässigt, mit denen wir einfühlsam auf Emotionen und nuancierte Kommunikation reagieren können”, sagt sie.

In ihrer Familie gibt es daher klare Vereinbarungen. Kommunikation per Anruf, wenn möglich. Bei längeren Gesprächen setzt sie auf Video-Telefonie mit FaceTime. Textnachrichten werden nur dann verschickt, wenn es um einfache Dinge geht und Fotos oder Links ausgetauscht werden.

Auch im Umgang mit den sozialen Medien rät sie zur Wachsamkeit. Oft würden Paare sich im Netz nur von ihrer besten Seite zeigen, Fotos der Verliebtheit posten. Kurze Zeit später komme es dann zur Trennung, erzählt sie, und niemand wisse den Grund. „Liebe oder Lügen? In den sozialen Medien erfahren wir nicht wirklich, wie es anderen Paaren geht”, sagt sie und warnt davor, sich von der Scheinwelt blenden zu lassen. Keine Beziehung verlaufe problemlos.

Also noch weiter zurück zum Anfang: Wie überhaupt den Partner fürs Leben finden? Statistiken zeigen, wie sich Männer und Frauen auf Dating-Plattformen darstellen. Sie wollen sich natürlich immer von ihrer besten Seite zeigen und wissen, dass sie mit unzählig vielen Kontrahenten im Wettbewerb stehen. Wenn sich also ein Paar gefunden hat, dann haben beide Partner in der Regel sehr hohe Erwartungen an den anderen.

Gemeinsam mit dem Partner eine Geschichte schreiben

Perel erzählt, dass der Traumpartner alle Wünsche erfüllen muss, also intellektuell sein soll, aber nicht abgehoben, zuverlässig und abenteuerlustig zugleich, sportlich, aber nicht zu aktiv - und so geht es immer weiter. „Es gibt aber niemanden, der uns alles geben kann”, stellt Esther Perel klar. Was also bleibt: Die Suche nach einem Partner, mit dem man gemeinsam eine Geschichte schreiben will. Eine mit glücklichen, aber auch enttäuschenden Momenten.

Und wenn es dann doch knirscht in der Beziehung, Eifersucht aufkommt? Das Smartphone sei da ein mieser Verräter, warnt sie in ihrem gerade erschienenen Buch „Die Macht der Affäre”. Es kann Dialoge verraten, die das Liebespaar eigentlich geheim halten wollte.

Und es entlarvt möglicherweise denjenigen, der seinem Partner misstraut und versucht, ihn zu überwachen. Was Perel in solchen Krisen rät, passt zu ihrer Grundthese: Paare sollten offen miteinander sprechen und dem anderen zuhören. Falls es schwerfällt, seinen Partner nicht zu unterbrechen, empfiehlt Perel: einfach tief durchatmen.