HebammenstudiumZwischen Kreißsaal und Hörsaal

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Hebamme Svenja Butz (26) nimmt am neuen Hebammen-Studiengang an der Katho teil.

Hebamme Svenja Butz (26) nimmt am neuen Hebammen-Studiengang an der Katho teil.

Köln – Svenja Butz legt die braunen Gurte um den kugelrunden Bauch der Schwangeren. Dann steckt sie die Druckmessgeräte zwischen Gurt und Haut. Behutsam macht sie das, aber gleichzeitig auch energisch. Svenja Butz ist es gewohnt, mit Schwangeren umzugehen. Seit sechs Jahren arbeitet sie als Hebamme.

Die schwangere Helene bekommt heute ein CTG, eine Kardiotokographie – sie erwartet Zwillinge und liegt vorsorglich im Krankenhaus. Das Verfahren zeichnet die Herztöne und Wehen der ungeborenen Kinder auf. Butz liebt ihre Arbeit in den Kreißsälen der Uniklinik Köln, und trotzdem sagt sie: „Ich wollte neben der Arbeit noch was für meinen Kopf tun.“ Lange habe sie überlegt, Medizin zu studieren und als Gynäkologin zu arbeiten. „Aber dann könnte ich nicht das machen, was ich will.“ Schwangere Frauen vor, während und nach der Geburt betreuen.

Gesundheitsberufe akademisieren

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Der neue Studiengang an der Kölner Katho (Katholische Hochschule NRW) kam ihr da gerade recht. Seit 2012 können ausgebildete Hebammen mit Berufserfahrung das Fach „Hebammenkunde“ in Köln studieren. Das Fach sei im Rahmen des Bologna-Prozesses eingeführt worden, der unter anderem die Akademisierung von Gesundheitsberufen fordert, erläutert Professorin Sabine Dörpinghaus, die den Studiengang konzipiert hat und leitet: „Den Hebammen fehlte bislang der Zugang zur Theorie. Eine Forschung gibt es nur in zarten Anfängen.“

Jetzt werden die 20 Studentinnen der Katho in Fächern wie Recht, Psychologie oder wissenschaftliche Theorie unterrichtet. Den theoretischen Stoff verknüpfen die Frauen oft schon im Unterricht mit ihren praktischen Erfahrungen aus dem Berufsleben. Deshalb werden ihnen für das sechssemestrige Bachelor-Studium zwei Semester Berufserfahrung angerechnet, ein Semester erfolgt als Blockseminar, drei Semester sitzen die Studentinnen wöchentlich in den Seminarräumen der Katho.

Als berufsbegleitendes Studium ist der Studiengang einzigartig in Nordrhein-Westfalen. Donnerstags und freitags studieren die Frauen von 8.15 bis 17.30 Uhr, an den anderen Tagen können sie arbeiten. Svenja Butz hat eine halbe Stelle an der Kölner Uniklinik. „Mehr würde zeitlich auch nicht passen“, sagt die 26-Jährige.

Studenten aus ganz Deutschland

Das Konzept lockt Hebammen aus ganz Deutschland. Gabriele Strobl etwa reist jeden Mittwochabend fünf Stunden mit dem Zug aus Ingolstadt an. Sie schläft in der Jugendherberge, Freitagsabends fährt sie zurück. „So kann ich in meinem persönlichen Umfeld bleiben“, sagt die 48-Jährige. Auch Kommilitonin Christiane Klekamp (47) kommt für das Studium aus Gronau nach Köln. „Ich möchte mein Wissen erweitern und mir neue berufliche Perspektiven erschließen“, sagt Klekamp. Beide arbeiten als freiberufliche Hebammen – sie betreuen Frauen nur während der Schwangerschaft und nach der Geburt, nicht aber im Kreißsaal. „Da ich für das Studium aus Bayern anreise, könnte ich mir die Geburtshilfe nicht leisten“, sagt Gabriele Strobl.

An der Katho zahlen die Studentinnen den üblichen Semesterbeitrag, von ihrer halben Stelle können sie jedoch nicht leben. Alle drei greifen auf ihre Ersparnisse zurück und sind auf Unterstützung durch ihre Familien angewiesen.

Wissenschaftlich fundiertes Wissen

In welchen Bereichen eine Hebamme mit Bachelor-Abschluss später arbeiten könnte, steht noch nicht fest. „Sie könnten die Leitung in einer Einrichtung, Station, oder im Kreißsaal übernehmen oder Hebammen ausbilden“, sagt Professorin Dörpinghaus. „Aber ich bin mir sicher: Der Markt wird sich um sie reißen.“ Schon nach nur einem Semester hat Svenja Butz vom Studium profitiert: „Ich kann den Ärzten jetzt auf einer anderen Ebene begegnen.“ Bei fachlichen Diskussionen – beispielsweise über Kaiserschnitte – könne sie nicht nur auf wissenschaftlich fundiertes Wissen zurückgreifen, sondern es auch nötigenfalls kritisch hinterfragen. „Ärzte vertreten eine medizinische Sicht, die Hebamme sieht sich als Anwalt der Frau“, sagt auch Dörpinghaus. „Aber durch das Studium können die Hebammen anders argumentieren.“

Für das Studium lernen und lesen Klekamp und Strobl während der Zugfahrt. Die Kölner Hebamme Svenja Butz büffelt oft vor oder nach der Arbeit, mitunter auch im Nachtdienst. „Aber eigentlich läuft das Studium immer nebenher“, sagt sie. „Manchmal liege ich im Bett und denke an die Uni.“

18 000 Hebammen sind im Deutschen Hebammen-Verband zusammengeschlossen. Das Statistische Bundesamt schätzt die Gesamtzahl der Hebammen und Entbindungspfleger auf 21 000 (2011). Insgesamt 8527 festangestellte Hebammen und Entbindungspfleger leisteten 2009 in den Krankenhäusern Deutschlands bei 642 197 Entbindungen Geburtshilfe. Während die Zahl der Geburten seit Anfang der 90 Jahre in Krankenhäusern stark gesunken ist, stieg die Anzahl der Hebammen an.