EuropawahlDie elfjährige Frieda Heß aus Hüngersdorf organisiert eine Jugendwahl

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27-05-2024 Blankenheim-Hüngersdorf Europawahl
Frieda Heß richtet im Mannschaftsraum der Hüngersdorfer Feuerwehr ihr Wahllokal ein. Eine Wahlurne hat sie schon gebastelt.

Im Mannschaftsraum der Feuerwehr Hüngersdorf richtet Frieda Heß das Wahllokal für die Kinder und Jugendlichen ein.

Damit auch Kinder eine Stimme haben, findet in Hüngersdorf eine frei zugängliche Jugendwahl statt, eine weitere im Schulzentrum Mechernich.

Wahlleiterin, Wahlhelferin, Stimmzählerin – Frieda Heß ist alles in einer Person. Eine ganze Menge Aufgaben und Verantwortung, zumal für eine Elfjährige. Doch Frieda wirkt alles andere als gestresst, im Gegenteil, sie freut sich auf den Wahltag. Denn sie sorgt dafür, dass in dem kleinen Eifeldorf Hüngersdorf auch Kinder und Jugendliche bei der Europawahl ihre Stimme abgeben können.

Frieda organisiert in ihrem Heimatort die U18-Wahl (siehe unten: Parteien gefragt). Von der Aktion habe sie im Radio gehört, erzählt sie, und sich dann entschieden mitzumachen. Das Wahllokal in Hüngersdorf ist übrigens bisher das einzig frei zugängliche im gesamten Kreis Euskirchen für Kinder und Jugendliche, lediglich in Mechernich können sie ebenfalls wählen, allerdings im Schulzentrum.

Der Küchentisch als Keimzelle demokratischen Engagements

Am Küchentisch fiel die Entscheidung, die Sache in die Hand zu nehmen. Wie der Küchentisch im Hause Heß ohnehin so etwas wie die Keimzelle für Friedas demokratisches Engagement zu sein scheint. Die Frage, ob die Familie politisch besonders interessiert sei, verneint der Vater Michael Heß: „Aber wir diskutieren viel am Küchentisch.“ Da gehe es oft um Fairness und Gerechtigkeit, um Klimawandel und Tierschutz.

Es ist unfair, dass die Erwachsenen nichts dagegen tun und wir noch nicht einmal mitreden dürfen.
Frieda Heß

Ein Wahllokal war schnell gefunden: der Mannschaftsraum der Freiwilligen Feuerwehr Hüngersdorf, wo dann am 9. Juni auch die „richtige“ Europawahl stattfindet. Die Nachfrage bei den Brandschützern kostete Ida keine Überwindung, eine Absage war so gut wie ausgeschlossen: Ihr Onkel ist da der Chef.

Im Internet hat die Elfjährige die Wahl angemeldet, dort konnte sie Wahlzettel und anderes Material herunterladen. Schnell war ein Karton zur Wahlurne umfunktioniert und mit dem Logo der U18-Wahl beklebt. Die Lektüre des Stimmzettels dauerte da schon deutlich länger. 34 Parteien und Gruppierungen treten an, darunter einige, von denen nicht nur Kinder nie zuvor gehört haben dürften.

Elfjährige Eifelerin hat einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit

Viel Arbeit habe die Vorbereitung nicht gemacht, sagt Ida. Sie geht in die fünfte Klasse des Hermann-Josef-Kollegs in Steinfeld. Ihre Lieblingsfächer sind Bio und Kunst, ihre Hobbys sind Reiten, E-Gitarre spielen und Tanzen. Ein ganz normales Mädchen also, aber eines mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und einem wachen Blick auf Zukunftsthemen. Auf den Klimawandel beispielsweise.

„Es ist unfair, dass die Erwachsenen nichts dagegen tun und wir noch nicht einmal mitreden dürfen“, sagt Frieda. Dass sie wählen geht, sobald sie alt genug ist, steht für sie außer Frage.

Die Elfjährige macht auch kein Geheimnis daraus, welcher Partei sie ihre Stimme geben wird: „Den Grünen.“ Das habe auch der Wahlomat angesichts ihrer Haltung vorgeschlagen.

In Hüngersdorf werden 30 Stimmzettel ausgedruckt

Sie wünscht sich, in der Schule mehr über Politik zu lernen: „Dann würde man sich besser auskennen.“ Aber auch so steht ihre Meinung fest: „Die Politiker sollten mehr auf Kinder hören. Schließlich ist es unsere Zukunft.“ Immerhin haben die Politiker bald die Gelegenheit zu erfahren, was Kinder und Jugendliche wollen: Die Ergebnisse der U18-Wahl werden den Parteien übermittelt.

262.000 Kinder und Jugendliche haben 2021 im Vorfeld der Bundestagswahl abgestimmt, bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 2022 waren es rund 45.000. Auch Frieda Heß wird ihr Ergebnis beisteuern, wenn sie am Freitagnachmittag die Stimmen ausgezählt hat.

Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern hat sie von ihrer Aktion erzählt: „Die finden das cool.“ Allerdings wohnen die nicht in Hüngersdorf, die Zahl der Kinder und Jugendlichen unter den rund 400 Einwohnern ist insgesamt überschaubar. Frieda hofft auf Wähler aus den Nachbardörfern. 30 Stimmzettel will sie ausdrucken.

Und wenn kaum jemand zu Wahl kommt? Davon will sich die Elfjährige nicht entmutigen lassen. Nicht nur, weil sie schon ein bisschen stolz ist auf ihre Initiative. Sondern vor allem aus Überzeugung, dass Wahlen wichtig sind und wählen zu dürfen ein Privileg ist. Und einer wird ganz sicher seine Stimme abgeben: ihr Bruder Jonah. Der Achtjährige lässt seine große Schwester nicht im Stich.


Parteien gefragt

Die U18-Wahl wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und von der Bundeszentrale für politische Bildung. Diesmal ist die Bezeichnung allerdings ein wenig irreführend: Bei der Europawahl haben in Deutschland Jugendliche ab 16 Jahren Stimmrecht. Bei den Wahlen zum Bundes- und Landtag und bei der Kommunalwahl liegt das Wahlalter bei 18 Jahren.

Organisiert wird die Aktion vom Deutschen Bundesjugendring. Seit 1996 werden die U18-Wahlen immer neun Tage vor einem offiziellen Wahltermin abgehalten. Mitmachen kann jeder unter 18 Jahren beziehungsweise bei der Eurpowahl unter 16, der sich in Deutschland aufhält. Es gibt keine Altersbeschränkung nach unten.

Alle Parteien und Gruppierungen, die zur Wahl antreten, haben im Vorfeld einen Katalog mit 16 Fragen erhalten, viele haben geantwortet. Die Antworten finden sich auf der Internetseite der Jugendwahl.