„Bodies in urban spaces“Künstlerischer Stadtrundgang begeistert Euskirchener

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Elf auf einen Streich in einem Türrahmen: Die Künstler beeindruckten in Euskirchen mit ihrer Beweglichkeit und ihrer Kreativität.

  • Bereits vor drei Jahren begann die Planung für die Performace „Bodies in urban spaces“.
  • 60 Tänzer, Akrobaten und Freerunner hatten sich für das Projekt beworben, 15 wurden am Ende ausgewählt.
  • Den begeisterten Besuchern der Stadtführung zeigten die Künstler eine neue Seite Euskirchens.

Euskirchen – Verwundert, irritiert und zunächst oft sogar erschrocken blickten die Menschen bei ihrer Shoppingtour durch Euskirchen auf die bunt gekleideten jungen Leute, die im Sprint durch die Innenstadt rannten. An ihrem Ziel angekommen, kletterten sie Hauswände hoch, zwängten sich in die engen Baumschutzgitter oder schienen ihre Körper in schmalen Häusernischen förmlich miteinander zu verknoten. Dort verharrten sie für mehrere Minuten, bevor sie sich gegenseitig wieder aus ihrer skurrilen Lage befreiten, um so schnell, wie sie erschienen waren, in Richtung ihres nächsten Ziels zu verschwinden.

Ratlos ließen sie die verwunderten Beobachter zurück. „Ich wollte mit meiner Frau nur gemütlich einen Kaffee trinken, als plötzlich diese Gestalten auftauchten“, schilderte Klaus-Hubert Krauss seine Eindrücke: „Erst habe ich sie einfach für verrückt gehalten, doch im Nachhinein ist das alles schon eine ausgefallene und interessante Idee.“

Wie kommt er da nur wieder raus, fragten sich die Besucher.

Wie kommt er da nur wieder raus, fragten sich die Besucher.

Planung begann bereits vor drei Jahren

Dass es sich bei dieser außergewöhnlichen Performance keineswegs um eine Schnapsidee handelte, bewies die große Menschenmenge, die der artistischen Vorführung auf Schritt und Tritt folgte. „Bodies in urban spaces“ lautet der Titel des Kunstprojekts des Österreichers Willi Dorner. In mehr als 100 Städten auf der ganzen Welt waren seine Aktionen bereits zu sehen, etwa in Paris, Shanghai oder New York. Nun konnte die Performance auch in Euskirchen bewundert werden.

„So fit wäre ich ganz sicher nicht“, scherzte Iris Hapke, die mit einem Fotoapparat ausgerüstet den außergewöhnlichen Stadtrundgang verfolgte: „So etwas habe ich wirklich noch nie gesehen. Es ist beeindruckend, wie viel Vorbereitung hinter dieser Darstellung stecken muss.“ Tatsächlich hatte die Planung der Mitarbeiter des Euskirchener Stadtmuseums, das Kunstprojekt in die Kreisstadt zu holen, bereits vor drei Jahren begonnen.

Vo 60 Bewerbern wurden 15 ausgewählt

Nach der Zusage und der Suche nach geeigneten Schauplätzen für die menschlichen Skulpturen begann im Juli dieses Jahres das Casting. Von den 60 Tänzern, Akrobaten und Freerunnern, die sich beworben hatten, wurden 15 ausgewählt. Hinzu kamen fünf freiberuflich tätige Tänzer, die bereits an dem Projekt in einer anderen Stadt teilgenommen hatten. Aus Venezuela, Griechenland, Italien, Brasilien und Taiwan stammten die Teilnehmer, die derzeit alle an der Folkwang-Universität in Essen oder der Hochschule für Musik und Tanz in Köln studieren.

Ausstellung

Wer die Live-Performance des Kunstprojekts „bodies in urban spaces“ am Samstag verpasst hat, kann sich im Euskirchener Stadtmuseum, Wilhelmstraße 32-34, dennoch einen Einblick in das Geschehen verschaffen.

Die dortige Sonderausstellung zeigt Bilder aus der ganzen Welt und wird in Kürze auch durch einige in Euskirchen gefertigte Aufnahmen ergänzt. (arn)

„Es ist beeindruckend, mit welcher Begeisterung die jungen Männer und Frauen an diese Sache herangehen“, staunte Projektleiterin Petra Goerge: „Schon im Training strotzten sie vor Energie. Sie fragten nie, ob diese oder jene Figur überhaupt machbar sei, sondern suchten immer die Herausforderung und meisterten sie dann auch.“

Jeder noch so kleine Spalt wurde mit Leben gefüllt.

Jeder noch so kleine Spalt wurde mit Leben gefüllt.

250 Besucher beim ersten Stadtrundgang

Aus 30 Stationen bestand die kurzweilige Führung, die den Teilnehmern einen völlig neuen Blick auf die Stadt ermöglichte. Mal kletterten die 20 Akteure steile Wände hoch, um sich beispielsweise auf den Stahlträgern unter dem Glasdach der Wilhelmpassage zu postieren, mal zwängten sie sich zu elft in einen kleinen Türrahmen. Doch so abgedreht die Performance auch war, so klassisch war der Lohn für die Künstler: An jeder Station gab es vom Publikum Applaus. Und der fiel mitunter recht kräftig aus, denn beim ersten Stadtrundgang waren etwa 250 Besucher dabei, beim zweiten sogar fast noch einmal 100 mehr. Adjektive, die immer wieder zu hören waren: beeindruckend, fantastisch, unglaublich und unnormal.

Dicht gedrängt und zu meterhohen Skulpturen aufgetürmt, schufen sie nur durch Einsatz ihrer Körperkraft beeindruckende Bilder. „Einfach fantastisch“, kommentierte Iris Hapke und hatte bereits wieder ihren Fotoapparat gezückt. Doch auch die Einzelperformances gaben immer wieder Grund zum Staunen oder auch Schmunzeln.

Andere Dinge in den Mittelpunkt rücken

So hatte sich ein Akteur mit orangefarbenem Jogginganzug zwischen einen Parkautomat und das dazugehörige Schild mit der Aufschrift „Hier Parkschein lösen“ geklemmt. „Durch diese Ausstellung sehen wir die Stadt unter einem völlig neuen Gesichtspunkt“, so Projektleiterin Goerge: „Während wir in unserer Alltagsroutine zielgerichtet von A nach B marschieren, weil wir glauben, unsere Umgebung in- und auswendig zu kennen, zwingt uns die Performance dazu, genauer hinzusehen.“

Auch auf dem Vordach der Posthalterei gab es einen Stopp.

Auch auf dem Vordach der Posthalterei gab es einen Stopp.

Selbst Orte, die auf dem täglichen Weg zur Arbeit oder dem Bäcker liegen, offenbaren so neue Aspekte. „Statt Schaufenstern oder freien Parkplätzen rücken plötzlich andere Dinge in den Mittelpunkt“, sagt Goerge zufrieden.

„Die Resonanz der Besucher ist großartig“

Kleine Häusernischen oder auch unscheinbare Steinskulpturen dienten den Akteuren als Schauplatz. Dabei wurden bewusst nicht nur touristisch wertvolle Objekte, sondern auch die weniger schönen Flecken der Kreisstadt gewählt. So lagen am Samstag nicht nur frisch renovierte Fassaden denkmalgeschützter Häuser auf dem Weg der rund eineinhalbstündigen Rundreise. Auch ein vollgestopfter Mülleimer konnte zu einem Teil der Figuren werden.

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„Die Resonanz der Besucher ist großartig“, freute sich Petra Goerge und fügte hinzu: „Viele haben schon seit der ersten Ankündigung Anfang des Jahres auf dieses Projekt gewartet, und offenbar wurde niemand enttäuscht. Eine Menge Arbeit liegt hinter uns, doch dieses einmalige Erlebnis lässt uns als Veranstalter, aber auch unsere Gäste überglücklich zurück.“