Interview Diakonie Euskirchen„Wir können nur 30 Prozent der Pflegeanfragen aufnehmen“

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Pflegekraft (Symbolbild)

Euskirchen – Walter Steinberger ist seit 21 Jahren Pflegedienstleiter der Diakonie-Station Euskirchen und einer von zwei Geschäftsführern der Diakonie in Euskirchen. Er bemängelt den steigenden Arbeitsaufwand bei zu wenig Gehalt.

Die ambulante Pflege wird angesichts steigender Pflegebedürftiger immer bedeutender. Wird dem seitens der Politik Rechnung getragen?

Die Politik hat die Pflege auf der Tagesordnung. Die Rolle der ambulanten Pflege wird jedoch oft nicht angemessen berücksichtigt. 70 bis 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt. Die ambulante Pflege leistet hier aber nicht nur praktische Hilfe, wir bieten auch Pflegekurse, Gesprächskreise für pflegende Angehörige und Beratung an. Die Politik und die Kranken- und Pflegekassen sehen aber nur unsere praktischen Hilfen, das ganze Management um die Pflegesituationen wird nicht gesehen und honoriert. Ambulante Pflege braucht nicht nur eine monetäre Anerkennung in Form besserer Vergütungen der Leistungen, sondern auch mehr Zeit und Vergütung für das Fallmanagement. Dazu gehören Besuche im Krankenhaus vor Entlassungen und die Überleitung in die Häuslichkeit, das Verordnen von Pflegehilfsmitteln, die Einweisung in Hilfsmittel und ein verbessertes Verordnungsmanagement mit den niedergelassenen Ärzten.

Über die Serie

Den Pflegealltag zeigen

Im Zuge der Corona-Pandemie erfahren die Menschen, die in der Pflege tätig sind, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit als gewöhnlich. Dennoch: Die Arbeit ist anstrengend, oft belastend und leider auch nicht gut bezahlt. Manche Pflegebeschäftigte geben ihren Beruf deshalb auf und verstärken so die Personalnot der Branche.

Einigen der Protagonisten, die sich dennoch für einen Beruf in der Pflege entscheiden oder aber als pflegende Angehörige im Einsatz sind, schauen wir in unserer Serie, die in loser Folge erscheint, über die Schulter. Wie meistern sie ihre Aufgaben? Was sind die besonderen Herausforderungen in ihrem Alltag? Und welche Verbesserungen würden sie sich wünschen?

Und wir fragen Experten, wie sie die Situation der Pflege im Kreis Euskirchen jetzt und in Zukunft einschätzen.

Wie sehr ist der Mangel an Pflegefachkräften im Kreis Euskirchen spürbar?

Wir können nur ca. 30 Prozent der Pflegeanfragen aufnehmen. Für die hauswirtschaftlichen Leistungen gibt es eine Warteliste. Wir stimmen uns als Pflegedienste auf lokaler Ebene über freie Kapazitäten ab und vermitteln Anfragen weiter. Leider steigt die Zahl der Pflegebedürftigen stark an, bei gleichzeitiger Abnahme der Pflegefachkräfte. Trotz gestiegener Anstrengungen in Bezug auf die Ausbildung, sinkt die Zahl der Pflegefachkräfte. Viele verlassen den Beruf, oft sehr frustriert wegen ständiger Arbeitsverdichtung.

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Welchen Anreiz bräuchte es, um den Beruf der Altenpflegefachkraft attraktiver zu machen?

Neben einer angemessenen Vergütung – da liegen wir als kirchlicher Wohlfahrtsverband ganz weit vorne – fehlt den meisten Pflegefachkräften die Anerkennung der Arbeitsleistung und mehr Zeit für die Patienten. Die Kranken- und Pflegekassen bestimmen seit vielen Jahren durch die Vergütungen der Leistungen die Rahmenbedingungen in der Pflege. Dadurch, dass die Steigerungen der Vergütungen seit Jahrzehnten hinter der Lohnentwicklung zurückbleiben, steigt der zeitliche Druck in der ambulanten Pflege. So hatte eine Pflegefachkraft noch vor 20 Jahren ca. 40 Minuten für ein Vollbad, zurzeit sind es noch 17 Minuten. Meines Erachtens sind Pflegeprämien schön, aber eine höhere Vergütung oder eine Steuererleichterung wäre dauerhaft sinnvoller.