Landrat Günter Rosenke„Leider haben noch nicht alle begriffen, um was es geht“

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Auch Landrat Günter Rosenke ist im Krisenmodus. Er weiß, dass die Kreishaus-Crew bis an ihre Belastungsgrenze geht.

Auch Landrat Günter Rosenke ist im Krisenmodus. Er weiß, dass die Kreishaus-Crew bis an ihre Belastungsgrenze geht.

  • Während der Corona-Krise stehen für Landrat Günter Rosenke einige Sitzungen an.
  • Im Interview spricht er über Solidarität, Hamsterkäufe, das Gesundheitsamt und wie der Kreis der Gastronomie und Geschäften helfen kann.
  • Und er erklärt, wie seine Frau und seine Enkel mit der Situation umgehen.

Kreis Euskirchen – Im Kreishaus folgt eine Krisensitzung nach der anderen. Dazwischen nahm sich der Landrat Zeit, die Fragen von Michael Schwarz zu beantworten.

Herr Landrat, die Frage hat jeden Small-Talk-Charakter verloren: Wie geht es Ihnen?

Gesundheitlich geht es mir gut. Aber die ganze Situation ist sehr bedrückend. Dazu kommt: Ich habe zwar alle Termine abgesagt, aber hier findet eine Besprechung nach der anderen statt. Zur Panik besteht aber kein Anlass: Das Coronavirus verursacht bei den meisten Menschen grippeähnliche Symptome. Wir haben es nicht mit Ebola oder Pest zu tun.

Ihr Motto „Wer stehen bleibt, steht im Weg“ gilt derzeit nicht. Das ganze Land steht still. Wie nehmen Sie das Verhalten der Bürger im Kreis wahr?

Die allermeisten Bürger verhalten sich sehr angemessen und halten sich an die Vorgaben, die uns die Experten nahelegen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Ich sehe mit großer Bewunderung, wie viele sehr solidarisch sind, indem sie etwa für andere einkaufen gehen.

Gibt es auch Verhaltensweisen, die Ihnen nicht gefallen?

Leider haben noch nicht alle begriffen, um was es geht. In den Supermärkten ist das Gedränge zum Teil sehr groß und Abstand zu anderen Leuten hält dabei auch nicht jeder. Das missfällt einem, wenn man sieht, dass einige Leute nur an sich denken. Bei diesen Leuten hört die Solidarität im Supermarkt auf. Dennoch: Die allermeisten Leute im Kreis haben begriffen, um was es geht.

Die Kreisverwaltung hat den Betrieb drastisch runtergefahren. Wie kommt das an?

Die Bürger verstehen das, es ist ja zu ihrem eigenen Schutz und dem der Mitarbeiter. Die arbeiten übrigens weiter und beantworten die Mails und Anrufe. Wir sind ja schon seit längerem in Sachen Homeoffice gut aufgestellt. Die Mannschaft steht.

Vor allem das Gesundheitsamt ist in diesen Tagen gefordert. Wie lange halten die Mitarbeiter das noch aus und wie werden Sie Ihrer Fürsorgepflicht dort gerecht?

Das ist eine gute Frage. Ich sehe natürlich, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrem Amtsleiter Christian Ramolla bis an die Grenzen gehen und ein hervorragendes Krisenmanagement leisten. Das hat die Politik ja dankenswerterweise auch zum Ausdruck gebracht. Auch die Bürgermeister haben der Abteilung Beifall gezollt – auch wegen des Informationsflusses durch Herrn Ramolla. Ich frage mich aber auch: Wie lange kann man die Leute noch so belasten? Darum versuche ich, unsere Krisenstabssitzungen so effizient und kurz wie möglich zu halten, damit die Leute ihrer Arbeit nachgehen und auch mal Luft holen können.

Was aber, wenn ein Corona-Fall mal im Gesundheitsamt auftritt?

Auch darauf müssen wir vorbereitet sein. Corona macht ja nicht vor der Kreisverwaltung halt. Dann kann es sein, dass mehrere Mitarbeiter in Quarantäne müssen und ihre Arbeit von zuhause aus machen, sofern das medizinisch geht. Hier ist Flexibilität gefordert, dann müssen möglicherweise Mitarbeiter aus anderen Bereichen dort einspringen.

Planen Sie die Aufstockung des Personals in dem Bereich?

Wo wir Personal austauschen können, würden wir das tun. Dann muss ich mich fragen: Wie können wir die Mitarbeiter vor allen in den dringenden Bereichen einsetzen?

Das wäre dann mit Umsetzungen verbunden. Die Mitarbeiter sind aber alle sehr kooperativ und wissen um den Ernst der Lage. Wir sind alle gut gewappnet und verfolgen geschlossen das Ziel, diese Situation gemeinsam zu meistern.

Die wirtschaftlichen Betriebe, etwa Gastronomie, Geschäfte und auch größere Firmen, sind in großer Sorge. Wie kann der Kreis helfen?

Wir haben für alle Maßnahmen die jeweiligen Hotlines eingerichtet. Der Kreis kann natürlich keine Ausgleichsmittel bereitstellen, dafür sind Land und Bund zuständig. Aber wir beraten da gerne und helfen, wo wir können und vermitteln an diese Stellen. Die Helfer an den Hotlines sagen mir aber, dass es vielen wichtig ist, dass man das Gespräch mit ihnen führt und beruhigend auf sie einwirkt. Dafür sind wir auch da.

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Wie lange können Sie noch zusichern, dass die systemrelevanten Bereiche wie Gesundheitsamt, Rettungsdienste und Polizei, funktionieren?

Die Frage habe ich soeben im Krisenstab gestellt. Es besteht derzeit kein Anlass zur Sorge. Alle Einrichtungen stehen Gewehr bei Fuß, einschließlich Polizei. Da gibt es keine personellen Engpässe – derzeit nicht. Ich weiß aber, dass sich das schnell ändern kann.

Sie haben sich in den vergangenen Jahren für mehr Pflegekräfte stark gemacht. Hoffen Sie, dass die Krise für mehr Sensibilität sorgt?

Ja, die Krise führt uns noch mal deutlich vor Augen, dass mehrere 1000 Pflegekräfte in Deutschland fehlen. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen die Krise zum Anlass nehmen, dem gegenzusteuern. Das gilt übrigens auch für die Digitalisierung, die fürs Homeoffice ja unerlässlich ist.

Am 1. April soll der Kreistag tagen. Kann das nicht verschoben werden?

Nein, denn wir müssen den Haushalt verabschieden. Ohne den Haushalt ist der Kreis nicht arbeitsfähig. Ich habe aber mit den Fraktionsspitzen abgesprochen, dass wir das möglichst kurz halten. Es ist jedem Kreistagsmitglied freigestellt, ob es kommen will. Einige gehören ja zu den besonders gefährdeten Gruppen. Wenn aber die Beschlussfähigkeit und die Mehrheitsverhältnisse gewahrt sind, ist das kein Problem. Die Sitzung findet übrigens im Euskirchener City-Forum statt, da kommt man sich nicht zu nahe. Alle anderen Sitzungen haben wir abgesagt.

Denken Sie manchmal an Ihren Kollegen in Heinsberg, Landrat Stephan Pusch?

Ja klar, ich kenne ihn gut. Was er derzeit leisten muss, ist enorm. Er ist ja schon seit Wochen im Krisenmodus. Dazu kommt das bedrückende Gefühl, dass in seinem Kreis bereits Menschen an Corona gestorben sind.

Enkel und Großeltern sollen keinen Kontakt miteinander haben. Wie gehen Ihre Frau und Sie damit um?

Wir halten uns natürlich daran, wenn es auch schwerfällt. Wenn man die kleinen Racker per Video sieht, möchte man sie natürlich direkt in den Arm nehmen. Meine Kinder wissen, dass es in erster Linie darum geht, meine Frau und mich zu schützen. Ich werde ja auch bald 70.

Wie schützen Sie sich – auch bei der Arbeit?

Wir halten Abstand in der Verwaltung. Geben uns nicht die Hände. Und vor allen Dingen gilt: Hände waschen, Hände waschen und noch mal Hände waschen.