Offener VollzugEuskirchener Häftlinge sprengten nachts Geldautomaten – Lange Haft

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Aus der Haft in der Justizvollzugsanstalt Euskirchen heraus begingen zwei Männer mehr als zwei Dutzend Straftaten.

Euskirchen – Ein paar Gefangene hatten augenscheinlich ein fröhliches Leben im offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt (JVA) Euskirchen: Corona herrschte, der Knast stand unter Quarantäne, aber einige Insassen scherten sich Ende 2020 nicht um Abstandsregeln, sondern feierten mit Besuch von draußen, der über den Zaun ins Gefängnis geklettert war, wilde Partys. Dabei soll „so viel Kokain wie nie konsumiert“ worden sein.

„Es war ein Ganovenparadies“

„Es war ein Ganovenparadies“, sagte die Vorsitzende Richterin der 1. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts, Stefanie Johann to Settel, als sie am Freitag das Urteil verkündete über zwei der Partyteilnehmer. Sie hatten aus dem Knast heraus 23 Einbrüche in Tankstellen und drei Geldautomaten gesprengt.

Die Quittung für die kriminellen Machenschaften: Sieben Jahre Haft wegen schweren Bandendiebstahls für den 30-jährigen Boss der Bande, vier Jahre und neun Monate für seinen 34-jährigen Komplizen und zwei Jahre auf Bewährung für eine 30-jährige, hochschwangere Frau wegen Beihilfe.

Im Knast gelangweilt

Der Chef des Trios, zu dem sich bis zu drei weitere unbekannte Kumpane gesellt hatten, hat von seinen 30 Lebensjahren bislang 13 hinter Gittern verbracht. 2016 war er zum letzten Mal verurteilt worden und saß den Großteil der Strafe in Rheinbach ab, bevor er nach Euskirchen verlegt wurde. Dort wurde es ihm aber schnell langweilig, er wollte etwas erleben.

Nachts über Zaun geklettert

Das sei auch nicht weiter schwierig gewesen, die Kontrollen seien mehr als lax gewesen, so die Richterin in ihrem Urteil. So schlich sich der 30-Jährige abends regelmäßig aus seiner Zelle über den Zaun raus, ging mit gefälschten Dokumenten in Restaurants essen und kaufte sich Kokain.

Irgendwann aber reichte das Geld nicht mehr fürs Lotterleben, und so traf es sich, dass der 30-Jährige einen ebenfalls drogensüchtigen, 34-jährigen Mithäftling kennenlernte, der auch finanziell klamm war. Beide heckten nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft den Plan für die Tankstelleneinbrüche aus.

Helferin aus Liebe 

Helferin von außen war die 30-jährige Frau, die in den Drahtzieher verknallt war und aus Liebe mitmachte. Sie besorgte das Einbruchswerkzeug und baldowerte auch die Tatorte aus, während der 34-Jährige Leute kannte, die günstig Autos verliehen.

Zwischen dem 1. November 2020 und dem 24. Januar 2021 brachen die beiden Inhaftierten in 23 Tankstellen ein, manchmal in drei pro Nacht. Wert der Beute: über 200.000 Euro. Die Tatorte lagen vor allem im Siebengebirge, in Troisdorf-Sieglar und in der Voreifel. Allein dreimal wurde eine Tankstelle in Bad Honnef-Selhof heimgesucht, unter anderem an Heiligabend 2020.

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Viel Schaden bei Sprengungen

Irgendwann im Dezember 2020 kam der 30-Jährige auf die Idee, Geldautomaten zu sprengen. Die entsprechenden Gerätschaften waren schnell besorgt, eine Sprengvorrichtung gebaut, doch bei der Ausführung haperte es. Drei Geldautomaten in Troisdorf-Sieglar, Attendorn (Sauerland) und in Weißenthurm (Kreis Mayen-Koblenz) wurden zwar mithilfe von Gas aufgebrochen, doch es gab keine Beute. Dafür war der Sachschaden erheblich – 55.000 Euro allein bei einer Bank.

Die Angeklagten waren geständig, der Anführer hatte sogar mehr Taten zugegeben, als ihm nachgewiesen werden konnten. Wegen ihrer Drogensucht müssen die beiden Männer zudem in eine Entzugsklinik.