Bei Glasfaserausbau vergessenIn Hellenthal-Wildenburg herrscht noch digitale Steinzeit

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Eine Gruppe von Menschen steht auf einem Platz. Im Hintergrund ist ein Teil einer Kirche zu erkennen, im Vordergrund stehen gelbe, rote und lila Blumen.

Anwohner in Wildenburg beklagen mit Vertretern der Gemeinde Hellenthal, dass der Ort Wildenburg beim geförderten Glasfaserausbau im Kreis Euskirchen vergessen wurde.

In Wildenburg bei Hellenthal gibt die Leitung mit Ach und Krach 16 Mbit/s her. Gleich zweimal wurde der Ort von der Telekom vergessen.

Beschaulich geht’s in der Regel im kleinen, historischen Ort Wildenburg zu. Doch wenn das Gespräch auf die Telekom kommt, droht die Stimmung schnell in Gereiztheit zu kippen. Denn beim Ausbau des Breitbandnetzes im Kreis ist das 37-Seelen-Dorf übersehen worden, und das streng genommen gleich zweimal. Noch immer endet das Hochgeschwindigkeitsnetz in Sichtweite der Ortsdurchfahrt.

„Wir sind davon ausgegangen, dass alle Ortschaften, bis auf wenige, weit abgelegene Häuser, angeschlossen worden seien, die bisher mit weniger als 30 Mbit versorgt waren“, so Wilfried Knips, bei der Gemeinde Hellenthal für das Projekt Breitbandausbau verantwortlich. Als er erfuhr, dass in Wildenburg mit Mühe und Not 16 Mbit/s erreicht werden, sei er irritiert gewesen.

Telekom erschien nicht zum Baubeginn in Wildenburg

Schon im vergangenen Jahr habe er Kontakt zur Telekom aufgenommen. Ein wunder Punkt sei das, habe er erfahren: Eine Datei sei falsch ausgewertet worden, sodass angenommen worden sei, der Ort sei bereits ausreichend versorgt. Es müsse nachgebessert werden.

Anfang Dezember sei schließlich mit Telekom-Vertretern detailliert besprochen worden, wie Wildenburg angeschlossen werden solle, so Knips weiter. Das minimalinvasive Trenching-Verfahren sei angekündigt worden — und der Baubeginn: Wenn in der Eifel der Frost vorbei ist. Was mittlerweile unbestritten der Fall ist. Doch Bauarbeiter ließen sich in Wildenburg trotzdem nicht sehen.

Er habe, so Knips, mehrfach schriftlich erinnert. Passiert sei nichts. Nun sei das Förderprojekt abgeschlossen, es sei kein Budget mehr da, eine Nachbesserung angeblich nicht möglich. „Es kann nicht sein, dass ein Fehler passiert, und die Bürger müssen es auslöffeln“, stellt er fest.

Arbeiten in Wildenburg ist meistens unmöglich

Für die Anwohner ist das eine Katastrophe. Denn Wildenburg hat eine Besonderheit: Hier leben besonders viele Selbstständige, die auf schnelles Internet angewiesen sind. Wie Webdesigner Kevin Degenhardt. „Wildenburg ist der falsche Ort für diesen Beruf“, sagt er. Ein Upload sei praktisch nicht vorhanden. Auch die Notlösung mit einem Virtual Private Network (VPN) stoße immer wieder an ihre Grenzen.

Noch existenzieller ist es bei seinen Eltern, die die Burgschänke betreiben und rund 20 Zimmer für Feriengäste anbieten. „Wenn zwei Gäste Netflix aufrufen, dann wird es eng“, sagt Degenhardt. Auch für Kartenzahlungen ist das Restaurant aufs Netz angewiesen: „Wenn das nicht stabil ist, dann geht die Zahlung nicht.“

Wenn im Ort jemand eine E-Mail verschickt, ist Ende.
Ingrid Breitegger

Degenhardt ist nicht der Einzige. Ingrid Breitegger ist Frauenärztin mit Praxis in Schleiden, die vor zwei Jahren von der Flut zerstört wurde. Als Ausweichquartier musste sie Steinfeld wählen – in Wildenburg war keine Internetverbindung, die für die Praxissysteme zwingend notwendig ist. Auch Online-Fortbildungen seien zu Hause nicht möglich. „Wenn im Ort jemand eine E-Mail verschickt, ist Ende“, sagt sie.

Von ähnlichen Erfahrungen berichtet Natalie Ronig, die derzeit ein Referendariat an der Realschule in Schleiden macht: „Als in der Corona-Pandemie die Studienveranstaltungen nur noch online liefen, musste ich nach Köln fahren, um daran teilnehmen zu können.“

Oder Anja Junker, die nicht nur die Räume in der Burg als Hochzeitslocation vermietet und ein Kosmetikstudio hat, sondern auch seit Corona zwei Onlineshops betreibt. Bezahlvorgänge mit EC-Karte funktionieren oft minutenlang nicht. „Fotos lade ich von zu Hause in Hollerath hoch“, so Junker.

Hellenthals Bürgermeister zeigt Unverständnis für die Telekom

Ob Ferien- oder Mietwohnungen, heutzutage sei nichts mehr zu vermieten, wenn kein vernünftiges Internet vorhanden sei, klagen die Anwohner. „Wir kriegen keine Leute hierher“, so Breitegger. Bei dem Ortstermin mit der Telekom im Dezember seien sie einfach nur vertröstet worden. „Das war eine Absprache, sogar die Lage der Hausanschlüsse war festgelegt.“ Doch der vereinbarte Baubeginn sei nicht eingehalten worden.

„Das wären alles Einnahmemöglichkeiten für die Telekom“, stellt Bürgermeister Rudolf Westerburg fest. Heutzutage sei jede Familie auf das Internet angewiesen. Schon seine Enkelin bekomme in der ersten Klasse alle Termine online zugesandt. Die Telekom gebe den zuständigen Regionalingenieuren nicht genug Entscheidungsfreiheit, bemängelt er. Dabei seien fast alle bereit, ihre Tarife an die neuen Möglichkeiten anzupassen.

Kreis Euskirchen will mit Telekom das Gespräch suchen

Wildenburg sei ursprünglich für den Ausbau im Weiße-Flecken-Programm für Anschlüsse unter 30 Mbit/s vorgesehen gewesen, so Kreissprecher Wolfgang Andres. Allerdings habe die Telekom ihre ursprüngliche Datenmeldung korrigiert, da Wildenburg bereits zuvor über eine Förderung der Gemeinde 2014 auf 2 Mbit/s ausgebaut worden sei und seit 2018 durch den Eigenausbau der Telekom 30 MBit/s zur Verfügung stehen sollten. Daher sei Wildenburg aus dem Kreisprojekt genommen worden.

Natürlich würden Kreis und Gemeinde den privatwirtschaftlichen Ausbau durch die Telekom begrüßen. Gemeinsam wolle man an die Geschäftsführung der Telekom herantreten. Denn der Beginn eines neuen Kreisprojekts nach dem sogenannten Graue-Flecken-Programm sei frühestens ab 2024 vorgesehen und werde einige Jahre in Anspruch nehmen.

Telekom gibt Fehler zu

„Die maschinelle Auswertung der Daten für Wildenburg hat 2019 ergeben, dass der Ortsteil nicht förderfähig ist“, teilt Katja Kunicke von der Telekom mit. Diese Daten seien leider fehlerhaft gewesen – der Ort wurde jedenfalls nicht berücksichtigt. „Dies bedauern wir ausdrücklich“, so Kunicke.

Die Prüfung Ende 2022 habe ergeben, dass der Weiler im Eigenausbau für die Telekom nicht wirtschaftlich mit Glasfaser zu versorgen sei. In Kontakt mit der Gemeinde werde geprüft, ob sich für Wildenburg neue Möglichkeiten ergeben. „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir jedoch nicht sagen, wann ein weiterer Ausbau erfolgen kann“, teilt Kunicke weiter mit.