Sternekoch schlägt AlarmDehoga befürchtet Restaurant-Sterben im Kreis Euskirchen

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Das Bild zeigt ein Restaurant. Ein Kellner bedient an einem Tisch Gäste.

Steigt die Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants, könnten viele Tische leer bleiben. Im schlimmsten Fall könnten ganze Betriebe schließen.

Im Kreis Euskirchen könnten viele Restaurants in Schwierigkeiten geraten. Der Grund: die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Kaffee mit Milch oder ohne? Das ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch des Geldes. Bei Letzterem geht es jedoch nicht um das Geld der Kunden, sondern das des Unternehmers. Der Grund: Ein normaler Kaffee wird anders besteuert als ein Kaffee, der mindestens 75 Prozent Milch enthält. Der Kaffee gilt nämlich steuerrechtlich als Getränk, der Milchkaffee hingegen als Grundnahrungsmittel. Das Getränk wird mit 19 Prozent besteuert, das Grundnahrungsmittel Milch mit sieben Prozent.

Durch die Entlastungen in der Corona-Pandemie und aktuell wegen der hohen Energiekosten ist die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants bis Ende des Jahres auf einheitlich sieben Prozent gesenkt. Doch Anfang 2024 könnte der Bund wieder zur Vor-Corona-Regelung zurückkehren. Das würde bedeuten: Der Mehrwertsteuersatz beim Essen zum Mitnehmen beträgt sieben Prozent, für auf einem Porzellanteller angerichtetes Essen im Restaurant 19 Prozent.

Kreis Euskirchen: Restaurantbetreiber sind am Limit

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in NRW befürchtet laut seinem Präsidenten Patrick Rothkopf aus Euskirchen, dass bis zu 2500 Gaststätten im Land schließen müssen, wenn der Mehrwertsteuersatz auf Speisen angehoben wird.

Wegen der Pandemie und der kriegsbedingten Preissteigerungen seien die Reserven der Restaurantbesitzer aufgezehrt. Rothkopf rechnet damit, dass zusätzlich zu den 6000 Betrieben, die in den vergangenen zwei Jahren aufgeben mussten, viele weitere folgen könnten. „Die Sorgen und Panik in der Branche, natürlich auch im Kreis Euskirchen, sind groß“, so Rothkopf. Immer wieder werde er in Gesprächen mit den Ängsten und Nöten der Gastronomen konfrontiert.

Das Bild zeigt Sandra Wolbert, wie sie eine leere Tasse trägt.

Sandra Wolbert hat in ihrer Wahlheimat Kuchenheim ein Café samt Nähstube und Stoffladen eröffnet.

Rothkopf fordert, den Steuersatz dauerhaft bei sieben Prozent festzuschreiben. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass der günstigere Satz bei To-go-Angeboten oder an Tankstellen gelte. Dass aber 19 Prozent fällig seien, sobald man sich hinsetze. Er begrüßt, dass Schwarz-Grün in NRW sich im Koalitionsvertrag zu dem niedrigeren Satz bekannt habe, fordert aber mehr Unterstützung beim Werben in Berlin.

Auch der Flamersheimer Sternekoch und Gastronom Oliver Röder macht sich dafür stark, dass die sieben Prozent Mehrwertsteuer bleiben. „Wir haben während der Corona-Pandemie gemerkt, wie wichtig Essen gehen ist. Es ist eine Art Grundbedürfnis und wir haben eine gewisse Versorgungspflicht“, so Röder: „Wenn wir künftig bei Speisen wieder 19 Prozent berechnen müssen, kommen viele Betriebe in eine Schieflage.“

Flamersheimer Sternekoch Oliver Röder nimmt den Bundeskanzler in die Pflicht

Röder nimmt die Bundesregierung um Bundeskanzler Olaf Scholz in die Pflicht. „Der Bundeskanzler hat gesagt, dass die sieben Prozent unter ihm eingeführt worden sind, damit sie bleiben. Wenn man unserem Häuptling nicht mehr glauben kann, dann brauche ich niemanden mehr zu glauben“, so Röder.

Der Euskirchener Bürgermeister Sacha Reichelt hat sich auf seiner privaten Facebook-Seite dem Aufruf der Dehoga angeschlossen. „Die Euskirchener Innenstadt lebt auch von den Restaurants und Cafés, die Menschen hierherlocken. Wir können uns nicht leisten, diese Betriebe zu verlieren“, schreibt Reichelt.

Sandra Wolbert betreibt in Kuchenheim ein kleines Café. Sie hofft, dass die Mehrwertsteuer vereinheitlicht wird – auf sieben Prozent für Essen und Getränke. „Und bitte auch keinen Unterschied mehr bei Kaffee und Milchkaffee. Sollte es so kompliziert bleiben oder gar komplizierter werden, überlege ich mir dreimal, ob sich das noch alles lohnt“, so Wolbert.

Christopher Haep, der mit seiner Frau Marielle in Bad Münstereifel ein Boutique-Hotel und ein kleines Café samt Restaurant betreibt, glaubt, dass am Ende die Kunden die Zeche zahlen müssen. Und wie lange die die Preissteigerungen mitmachen, sei fraglich – auch, weil der private Einkauf, das Leben im Allgemeinen immer teurer werde.

Patrick Rothkopf ergänzt: „Die geringere Mehrwertsteuer leistet einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der gastronomischen wie kulinarischen Vielfalt in unserem Land. Restaurants, Cafés, Bistros und Bars haben eine hohe Bedeutung für die Gesellschaft, sie sind ihre öffentlichen Wohnzimmer, beliebte Treffpunkte der Kommunikation und bieten den Gästen Kurzurlaub vom Alltag.“

Nie sei es deutlicher als in den neun Lockdown-Monaten zu spüren gewesen, wie sehr Betriebe vermisst wurden und welchen Stellenwert sie für die Menschen haben. „Die gastronomischen Betriebe schaffen Lebensqualität und erhöhen die Standortattraktivität in den Städten wie im ländlichen Raum“, so Rothkopf.