Erste BilanzRoboter an der Decke: So verlief der Start der Ideenfabrik in Euskirchen

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Isabelle Jaeschke, Iris Poth und Sarah Komp sitzen an einem Tisch.

Die drei von der Ideenfabrik: Projektleiterin Isabelle Jaeschke (v.l.), Wirtschaftsförderin Iris Poth und Sarah Komp von der Wirtschaftsförderung.

Vor sechs Monaten wurde die „Ideenfabrik“ in Euenheim eröffnet. Die Verantwortlichen ziehen eine erste Bilanz und nennen  Herausforderungen.

Ein Roboter fährt durch den Raum. Schwerkraft scheint ihn nicht zu interessieren. Er fährt an der Decke. Eine Szene, die der Laie wohl eher in einem einer Uni angesiedeltem Labor oder eines Konzerns verorten würde. Doch dieser Roboter wird in Euenheim weiterentwickelt, in der dortigen Ideenfabrik – von einem Bad Münstereifeler Unternehmen namens Ceilix.

Die Ideenfabrik in dem Euskirchener Ortsteil, dort wo einst Tücher in Massen gefertigt wurden, ist das Vorzeigeprojekt der Wirtschaftsförderung – und sie scheint den Erwartungen gerecht zu werden.

Ein Mann bedient den 3D-Drucker.

In der Werkstatt der Ideenfabrik gibt es auch einen 3D-Drucker, der zum Experimentieren einlädt.

So jedenfalls sieht die Zwischenbilanz aus, die die Initiatoren sechs Monate nach der Einweihung ziehen. In der Alten Tuchfabrik zwischen Euskirchen und Euenheim entwickeln beispielsweise drei Start-ups ihre Ideen weiter – zum Teil völlig losgelöst von der Erde, wie das Unternehmen Ceilix mit dem Roboter an der Decke.

Drei Büros haben die Bad Münstereifeler in der Ideenfabrik gemietet. Wie Kreis-Wirtschaftsförderin Iris Poth erläutert, habe auch schon die Europäische Weltraumorganisation (ESA) Interesse an der Erforschung und Weiterentwicklung des Roboters bekundet.

Roboter-Forschung in Euenheim, wie kam es denn dazu? Über das, was in der Eifel immer zu funktionieren scheint: die Nachbarschaft. „Wir haben einen Hinweis von einem Bürger erhalten, dass in seiner Nachbarschaft jemand ist, der sei hochspannend“, berichtet Poth. Er arbeite sogar mit der NASA zusammen. Es könne aber sein, dass er samt Deckenroboter und Forschung nach München umsiedele.

Münstereifeler Firma entschied sich für Euenheim und gegen München

Das galt es zu verhindern. Also suchte die Wirtschaftsförderin Kontakt zu dem Eifeler „Daniel Düsentrieb“ und vereinbarte eine Onlinekonferenz. Da seien sämtliche Partner bundesweit mit an Bord gewesen, erinnert sich Poth. Am Ende hieß es dann: Euenheim statt München.

„Sie haben sich dazu entschieden, hier ein Büro anzumieten, um ihre Firma zu strukturieren und aufzubauen. Und wir haben sie mit Hochschulpartnern aus Aachen zusammengebracht“, berichtet Iris Poth.

Das Bild zeigt ein innovatives und helles Büro.

In der Alten Tuchfabrik ist ein Innovationszentrum entstanden.

„Vergangene Woche habe ich den Ceilix-Chef hier gesehen, da saß er in unserer Empfangsküche und hatte Kunden zu Gast, mit denen er sich einen Mittagstisch organisiert hatte. Anscheinend fühlt er sich wohl und nutzt hier die Gelegenheiten“, ergänzt die Wirtschaftsförderin.

Es sei nicht das einzige Start-up, das das kreativitätsfördernde Ambiente der Ideenfabrik nutze. Einer der Gründer in Euenheim habe sich etwa aufs Anhänger-Sharing spezialisiert. Das dritte Büro haben Alexander Schiffmann und André Hönscheid in Beschlag genommen. Sie haben das Unternehmen „Notfall lernen“ gegründet. Es geht um professionelle Weiterbildung für lebensrettenden Situationen.

Wirtschaftsförderung des Kreises Euskirchen ist zufrieden

„Notfall lernen“ bietet maßgeschneiderte Trainingsprogramme und praxisnahe Schulungen, um Mitarbeitende im Gesundheitswesen im Bereich Notfall und Lernen handlungssicher zu machen und nachhaltig weiterzubilden.

Aber auch die, die mit einer Idee noch nicht so weit seien, seien in der Ideenfabrik willkommen, stellt Iris Poth klar. Für sie stehen im zweiten Obergeschoss der Alten Tuchfabrik Räume bereit. Denn das Konzept sieht auch Beratungen für (angehende) Jungunternehmer vor.

Und dann gibt es da noch die Werkstatt. Die ist laut Sarah Komp, Mitarbeiterin der Wirtschaftsförderung, zwar erst im März an den Start gegangen, doch auch da werde schon eifrig an der „Eifel 2030“ gebastelt: etwa an einem 3D-Drucker oder an einer herkömmlichen Nähmaschine. Die Werkstatt ist gut gefüllt mit Maschinen und Geräten aus den Bereichen Holz, Metall, Kreativ, Digital und Elektronik.

Dort kann an Tagen der Offenen Werkstatt, immer an den Montagen der ersten und dritten Woche des Monats, experimentiert und gearbeitet werden. Michael Franssen, Technologiescout des Kreises, steht den Interessierten mit Rat und Tat zur Seite. Dienstags bis freitags, so Komp, kann die Werkstatt zudem für zehn Euro pro Stunde gemietet werden.

Das Projekt „Ideenfabrik“ in Euenheim kostet 1,9 Millionen Euro

Schließlich bietet die Ideenfabrik noch das Co-Working an. Es werde von unterschiedlichen Sparten genutzt, berichtet Ideenfabrik-Projektleiterin Isabelle Jaeschke. Ähnlich einem Fitnessstudio gibt es verschiedene Preisangebote: beispielsweise Monats- oder Zwölferkarte.

Gut nur, dass das Ganze auch einen leicht verständlichen Namen erhalten hat: Ursprünglich hatte es nämlich Innovations- und Gründungszentrum Sustainable Innovation Hub heißen sollen, bevor es dann zur „Ideenfabrik“ wurde.

1,9 Millionen Euro hat das Projekt gekostet, das vor allem eins sein soll: eine Startrampe für innovative Projekte, Nachhaltigkeitsstrategien, Start-up-Unternehmen, Co-Working und Veranstaltungen. Mit 1,5 Millionen Euro ist der Bund mit von der Partie, den Rest übernimmt der Kreis.

Kooperation mit der Bibliothek der Stadt Euskirchen geplant

Während die Unternehmen fleißig experimentieren und ihre Geschäftsmodelle entwickeln, etabliert sich die Alte Tuchfabrik immer mehr zur gefragten Veranstaltungsstätte. Laut Jaeschke ist der Seminarraum in den vergangenen sechs Monaten schon 42-mal vermietet worden. 31 weitere Termine seien festgebucht, so die Projektleiterin. „Auf der agilen Fläche haben wir bis Anfang Juni acht Großveranstaltungen gehabt, bis Jahresende werden es 18 sein“, sagt sie.

Doch nicht nur Unternehmen entwickeln sich mithilfe der Ideenfabrik und der Wirtschaftsförderung weiter – auch das Innovationszentrum selbst erweitert stetig sein Netzwerk. So steht nun eine Kooperation mit der Euskirchener Stadtbibliothek an. „Wir können hier Bücher zu passenden Themenhinstellen oder eine dezentrale virtuelle Bibliothek installieren. Gründer können dann am Tablet Dinge recherchieren, die man sonst in der Stadtbibliothek recherchieren müsste“, sagt Sarah Komp.

Alles im Fluss also? Poth, Komp und Jaeschke ist anzumerken, dass sie ein bisschen stolz auf das Erreichte sind. Aber natürlich sei immer noch Luft nach oben. Iris Poth hätte sich etwa gewünscht „dass wir schneller sichtbarer geworden wären“. Das Co-Working hätte zu Beginn auch gerne etwas mehr Nachfrage haben dürfen, sagt sie.

Und Herausforderungen gebe es immer. Wie zum Beispiel geht es mit der Ideenfabrik weiter, wenn die Förderung Ende des kommenden Jahres ausläuft? Darüber mache man sich natürlich schon Gedanken, sagt Jaeschke.

Bis Ende des Jahres wolle die Kreisverwaltung den Politikern dazu einen Vorschlag machen, sagt Iris Poth: „Deshalb werden wir uns in der zweiten Jahreshälfte damit intensiv befassen müssen.“ Die Wirtschaftsförderin nennt auch gleich die Fragen, die einer Antwort harren: „Gibt es eine Weiterförderung? Die ist optional denkbar. Wollen wir das? Und wie kann die Ideenfabrik 2026 aussehen?“

Eine Frage nennt sie nicht, aber auch die ist spannend: Was wird wohl aus dem Roboter an der Decke?


100 nachhaltige Firmen: Kreis Euskirchen wähnt sich auf gutem Weg

Ideenfabrik-Projektmanagerin Isabelle Jaeschke, die ein eigenes Büro im Gründungszentrum in der Alten Tuchfabrik hat, berichtet, dass einmal pro Woche der Gründungsberater des Kreises in der Ideenfabrik ist. Dabei gehe es schwerpunktmäßig um Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz.

Der Grund für den Fokus auf die Nachhaltigkeit: Der Kreis hat ein ambitioniertes Ziel. Bis 2026 sollen mindestens 100 Unternehmen aus der Region unterschiedlicher Größen und Branchen klimaneutral sein. Basis für dieses Ziel ist die Neuausrichtung des wirtschaftlichen Entwicklungskonzepts mit dem Ziel, zur „Modellregion Nachhaltiger Wirtschaftsstandort“ zu werden.

Dafür hat sich der Kreis vorgenommen, Vergleichbarkeit und Messbarkeit herzustellen. „Nachhaltigkeit ist ein dynamischer Prozess. Der Ist-Zustand muss immer wieder neu definiert werden“, so Jaeschke. Er sei immer nur der erste Schritt. Dann werde genau geschaut, was man als Unternehmen tun könne, um sich in den Folgejahren stetig zu verbessern.

Auf der Miniatur-Darstellung des Kreishauses aus dem 3D-Drucker werden auch die Windräder in der Umgebung gezeigt.

Das Kreishaus in Klein: Ein 3D-Druck aus der Ideenfabrik.

Und die Möglichkeiten seien vielfältig, die jedes Unternehmen in Angriff nehmen könne, so die Projektleiterin. Schließlich könne man sich von der Energiequelle Gas verabschieden, aber auch den Mitarbeitenden ein Job-Rad zur Verfügung stellen – beides seien Schritte, nachhaltiger zu werden.

Ab dem kommenden Jahr müssen alle Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Und da die Ideenfabrik eine Startrampe ist, gilt das auch für die Nachhaltigkeitsberatung. Unternehmen können laut Kreis einen Zuschuss von bis zu 3000 Euro für Nachhaltigkeitsberatungen erhalten.

„Das wird noch nicht so gut abgerufen, muss man ehrlich sagen. Das würden wir uns wünschen, dass wir da viel mehr Nachfrage hätten, aber wir können das Geld jetzt nicht für eine Direktmaßnahme im Unternehmen verwenden, sondern dürfen nur Beratungskosten bezuschussen“, sagt Wirtschaftsförderin Iris Poth: „Aber ansonsten sind wir bei unserem Ziel, 100 nachhaltige Unternehmen im Kreis zu haben, auf einem guten Weg. Das Thema sei längst allgegenwärtig.“