Kommunalwahl 2020Nettersheim auch bei jungen Leuten immer beliebter

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Die Zeit der schrumpfenden Einwohnerzahlen ist in Nettersheim lange vorbei. Die Baugebiete wie die „Brotkiste“ boomen auch dank des Zuzugs von jungen Familien.

Die Zeit der schrumpfenden Einwohnerzahlen ist in Nettersheim lange vorbei. Die Baugebiete wie die „Brotkiste“ boomen auch dank des Zuzugs von jungen Familien.

Nettersheim – Die Zeit der schrumpfenden Einwohnerzahlen ist schon lange vorbei. Waren es vor fünf Jahren noch die Geflüchteten, die die Statistik schönten, so ist seit zwei Jahren in Nettersheim ein regelrechter Bauboom zu beobachten. Vor allem sind es junge Familien, die den explodierenden Immobilienpreisen im städtischen Raum entfliehen wollen und dorthin ziehen, wo ein Bahn- und Autobahnanschluss locken – nach Nettersheim. Die Baugebiete, die seit Jahren in der Vorbereitung sind, boomen. Der Gemeinde werden die Grundstücke aus den Händen gerissen. Ob „Auf Graben“ in Nettersheim, „Die acht Morgen“ in Marmagen oder das „Alte Pastorat“ in Zingsheim – überall dominieren Kräne das Bild. Für die Gemeinde Grund genug, weitere Kindergartengruppen zu planen und auch die Zukunft der Schulen als gesichert anzusehen.

Diese Entwicklung hatte der scheidende Bürgermeister Wilfried Pracht schon vor Jahren kommen sehen. Wenn die Mieten in den Städten so weit stiegen, dass die Menschen sie sich nicht mehr bezahlen könnten, würden sie nach Nettersheim kommen, war er sich sicher. Auch wenn seine Zeit als Bürgermeister dem Ende zugeht, sind bei ihm keine Zeichen von Amtsmüdigkeit zu erkennen. Mit unverminderter Schlagzahl meistert er die Vielzahl von Themen, mit denen sich Nettersheim in den vergangenen Jahrzehnten als Musterkind der kommunalen Haushaltserstellung profiliert hat. Dazu zählen Natur, Umwelt und der Tourismus, doch vor allem die virtuose Nutzung der Förderinstrumente, die Land und Bund zur Verfügung gestellt haben.

Dabei dürfte Pracht sich das letzte Jahr als Bürgermeister entspannter vorgestellt haben. Das Aus für die Eifelhöhen-Klinik in Marmagen war dabei nur der Auftakt. Probleme hat auch die Forstwirtschaft durch Trockenheit und Borkenkäferbefall der Fichtenbestände, die in Nettersheim einen nicht unerheblichen Anteil zu den Einnahmen der Gemeinde beitragen. Und dann kam Corona.

Es ist schon erstaunlich, wie es der selbst ernannten Eifelgemeinde Nettersheim gelungen ist, sich am eigenen Schopf aus dem Pandemie-Sumpf zu ziehen. Denn durch die Absagen sämtlicher Klassenfahrten drohte das Netzwerk aus Naturzentrum, Jugendgästehaus und außerschulischem Lernort, das sich seit vielen Jahren entwickelt hat, zu zerreißen. Doch der Verwaltung gelang es, die Strukturen aufrechtzuerhalten. Auch der befürchtete haushalterische Kollaps ist ausgeblieben. Ganz im Gegenteil, unerwartete Gewerbesteuereinnahmen drehten den befürchteten Jahresverlust ins Positive.

„Wir haben ein gutes Gespür“

Möglich wird das durch das Abgreifen von Fördermitteln, die Land und Bund für die Kommunen bereithalten. Nettersheim erweckt den Eindruck, dass für jedes Förderprogramm, das in bundesdeutschen Büros ausgeheckt wird, in der Gemeinde bereits das passende Projekt in der Schublade liegt.

Ob Eifel Vital oder Fitnessstudio Natur, immer wieder gelingt es, die gemeindlichen Investitionen durch Fördermittel gegenzufinanzieren. Auch die Sanierung des ehemaligen Cellitinnen-Klosters wurde nach vielen Jahren des Abwartens im Zuge der Flüchtlingskrise durch Landesmittel realisiert. „Sagen wir so, wir haben ein gutes Gespür, was demnächst für Förderprogramme aufgelegt werden“, sagt Pracht sibyllinisch lächelnd. Das sich hartnäckig in der Eifel haltende Gerücht, er habe mittlerweile am Sitz der Bezirksregierung in Köln einen fest reservierten Parkplatz, dementiert er schmunzelnd.

Wohlfühlstimmung statt Generalsdebatten

So stehen die Haushaltsmusterkinder der Eifel fast sorgenfrei da. Auch wenn die Belegungszahlen in Naturzentrum und Bildungswerk noch nicht wieder das Niveau erreicht haben, das sie vor den Corona-Schließungen gehabt haben, ist ein langsames Ansteigen der Gästezahlen zu erkennen.

Der Umgang im Gemeinderat hat in dieser Legislaturperiode viel von der Schärfe und den persönlichen Animositäten verloren, die zeitweise in den Sitzungen dazu gehörten. Viel mag dazu die vor zehn Jahren eingerichtete Haushaltskommission beigetragen haben, in der sich die Fraktionsvorsitzenden mehrmals im Jahr von der Verwaltung über den Stand der Gemeindeeinnahmen informieren lassen. So geraten mittlerweile die Haushaltsdebatten in Nettersheim zu Wohlfühlveranstaltungen statt in Generalsdebatten auszuarten.

Dominiert wird der Gemeinderat bislang durch die CDU. Widerspruch gegen den amtierenden Bürgermeister und die Verwaltungsvorlagen ist die Ausnahme – der Laden läuft.

Ob es den anderen Parteien gelingt, in diesem Jahr eine absolute Mehrheit der Christdemokraten zu verhindern, bleibt abzuwarten.