Ist das umsetzbar?Kostenloser Nahverkehr würde zu 30 Prozent mehr Fahrgästen führen

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Volle Züge wird es laut einer DLR-Studie auch nach Corona vorerst nicht geben

  • Laut Experten könnte ein entgeltfreier Nahverkehr zu 30 Prozent mehr Fahrgästen führen.
  • Eine Untersuchung zeigt nun, wie realistisch die Umsetzung wäre.

Köln – Experten gehen davon aus, dass ein kostenloser Nahverkehr oder die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets 30 Prozent mehr Fahrgäste bedeutet. In einer Untersuchung, die der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) beim Institut für Verkehrsforschung und Infrastruktur in Braunschweig und der Universität Kassel in Auftrag gegeben hat, wurde nun erstmals errechnet, wie sich dieser Zuwachs bis 2024 realisieren ließe. Und was die zusätzlichen Angebote kosten würden. Die Ergebnisse:

Was ist das Ergebnis der Studie?

Kostenloser Nahverkehr im Rheinland würde pro Jahr zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro kosten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung, die der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) beim Institut für Verkehrsforschung und Infrastruktur in Braunschweig und der Universität Kassel in Auftrag gegeben hat. 

Was ist der Anlass für die Studie?

Experten gehen davon aus, dass ein kostenloser Nahverkehr oder die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets 30 Prozent mehr Fahrgäste bedeutet. Die Verbandsversammlung des VRS wollte wissen, ob sich dieser Zuwachs kurzfristig bis 2024 realisieren ließe und wie teuer die zusätzlichen Angebote sind.

Was haben die Verkehrsforscher untersucht?

Insgesamt haben sie jede Fahrt auf 120 VRS-Linien betrachtet, darunter alle 21 Regionalzüge und S-Bahnen, 16 Stadtbahnlinien in Köln und Bonn sowie die wichtigsten Schnellbus- und Busverbindungen unter die Lupe genommen. Bei der Auswahl beschränkten sie sich auf die besonders kritischen Engpässe.

Das könnte Sie auch interessieren:

Mit welchem Ergebnis?

Erstens: Vor allem die Züge, die von und nach Köln und Bonn fahren, sind jetzt schon überfüllt. Das gilt auch für einige Stadtbahnen und Buslinien. Diese Linien könnten 30 Prozent mehr Fahrgäste nicht verkraften. Zweitens: Es gibt Verbindungen, auf denen zwar viele Pendler unterwegs sind, die aber wegen langer Fahrzeiten und mangelhaften Anschlüssen keine Alternative zum Auto sind.

Was ließe sich kurzfristig ändern?

Weil der Ausbau der Infrastruktur viel zu lange dauert, wären schnelle Verbesserungen bis 2024 nur durch einen dichteren Takt, den Einsatz größerer Fahrzeuge, neue Direktverbindungen und Schnellbusse zur Entlastung nötig. Die Planer haben dafür einige neue Linien vorgeschlagen, aber nicht geprüft, ob die sich überhaupt umsetzen lassen. „Das war nicht unsere Aufgabe“, sagt Projektleiterin Jutta Henninger von der WVI Verkehrsforschung und Infrastrukturplanung in Braunschweig. „Eine detaillierte Planung müsste vom Verkehrsverbund vorgenommen werden.“

Was sind die Voraussetzungen?

„Ein Expressbus ist nur attraktiv, wenn er zeitlich konkurrenzfähig zum Auto ist“, sagt Professor Carsten Sommer von der Universität Kassel. „Die Busse dürfen nicht im Stau stehen.“ Deshalb müsse man über eine Umverteilung der Verkehrsflächen diskutieren, auch wenn diese Diskussion dem Individualverkehr wehtue. „Wir haben bei der Pendleranalyse einige neue Verbindungen zwischen den Städten und Gemeinden identifiziert, die sich für Schnellbusse eignen.“ Diese Linien müssten über die Kreis- und Stadtgrenzen hinaus gemeinsam geplant werden. „Da sehen wir beim VRS noch erheblichen Verbesserungsbedarf“, sagt Sommer mit Blick auf den Streit zwischen Köln und den angrenzenden Gemeinden über die geplante Expressbuslinie auf der Aachener Straße.

Wie teuer würde ein solches System mit einem 30 Prozent höheren Angebot, wenn es keinen Nulltarif gäbe?

Der VRS hat 2018 Fahrgelderlöse von 680 Millionen Euro erzielt. Also müssten mindestens weitere 120 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich aufgewendet werden. Das ist allerdings die Untergrenze. Zusätzliche Kosten, die beispielsweise durch den Einsatz von Elektro- statt Dieselbussen entstehen, sind im Detail nicht ermittelt worden.

Was sagen die Kommunalpolitiker zu den Ergebnissen?

Das Gutachten zeige, „dass wir mit zusätzlichen Angeboten im Busverkehr eine höhere Nachfrage auch kurzfristig ausgleichen können“, sagt Bernd Kolvenbach (CDU), Vorsitzender der Verbandsversammlung. „Das kostet aber sehr viel Geld und kann von den Kommunen nicht allein getragen werden.“ Um die Verkehrswende zu erreichen, müssten Bund und Land einen erheblichen Beitrag leisten. „Langfristig wird uns aber nur der Ausbau der Infrastruktur entscheidend helfen.“