KostenexplosionSo teuer wird das neue Freibad in Leichlingen

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Jahrelang ist das Becken mit blauer Farbe gestrichen worden, die PCB-haltig war. Der alte Lack muss nun aufwändig entsorgt werden.

Jahrelang ist das Becken mit blauer Farbe gestrichen worden, die PCB-haltig war. Der alte Lack muss nun aufwändig entsorgt werden.

Leichlingen – Die guten Nachrichten: Die Leichlinger Kinder, Familien, Schwimmer und Wassersportler sollen ihr Freibad behalten dürfen. Sanierung, Modernisierung und Attraktivierung des Schwimmbades am Schulbusch werden trotz einer Kostenexplosion von 2,9 auf 5,2 Millionen Euro nicht abgebrochen, sondern fortgesetzt. Und die Stadt hat diese Woche den vorläufigen Förderbescheid des Landes erhalten, dass die beantragten 1,3 Millionen Euro Zuschuss bewilligt werden.

Der Weg dorthin ist aber holprig und wird durch schlechte Begleitumstände, bautechnische Erfordernisse und finanzielle Risiken erschwert. Mehr als die 1,3 Millionen gibt es nicht, weil sie auf der ersten Machbarkeitsstudie beruhen, die von 2,9 Millionen Euro ausgegangen war. Die zwischenzeitlich aufgetretenen Verteuerungen führen nicht zu einer Erhöhung des Zuschusses. Die Stadt-Tochter LBB bleibt also auf 3,9 statt 1,6 Millionen Euro sitzen.

Sondersitzung des Stadtrates

Zweieinhalb Stunden lang debattierte der Stadtrat am Mittwochabend in einer Sondersitzung über das in schweres Fahrwasser geratene Projekt. Und eingangs der intensiven Beratungen schien es in der Grundschul-Aula in Witzhelden fast, als drohe das Vorhaben zu platzen. Aus Reihen der Grünen wurde der neue Wasserspielpark für Kinder, eine der schönsten geplanten Attraktionen, in Frage gestellt. CDU-Fraktionsvorsitzender Helmut Wagner, Wortführer des Jamaika-Mehrheitsbündnisses im Rat, sprach von „inakzeptablen“ Preissteigerungen und machte in scharfem Ton Alice Bosch, die Geschäftsführerin der Bädergesellschaft LBB, und Bürgermeister Frank Steffes (SPD) dafür verantwortlich, dass der Förderantrag von falschen, zu niedrigen Ansätzen ausgegangen war.

Aus 5,2 wurden am Ende 5,6 Millionen

Aber nach einer Sitzungsunterbrechung, in der die Fraktionen die Köpfe zusammensteckten, stand am Ende ein erstaunliches Resultat: Statt die Kostenhöhe durch weitere Einsparungen zu senken, legte der Rat sogar noch etwas drauf und erhöhte das Budget auf mehr als 5,6 Millionen Euro. Der Reihe nach.

Der Entwurf für das Freibad zeigt unten rechts das Sportbecken, links daneben den Nichtschwimmer-Pool, oben den Kinderbereich mit Spraypark und dazwischen eine Rutsche.

Der Entwurf für das Freibad zeigt unten rechts das Sportbecken, links daneben den Nichtschwimmer-Pool, oben den Kinderbereich mit Spraypark und dazwischen eine Rutsche.

Warum sind die Kosten aus dem Ruder gelaufen?

Marc Oberboßel, Projektsteuerer der Ingenieurgesellschaft Constrata, welche die LBB berät, erläuterte die Positionen akribisch. Selbst ohne jede Änderung am Konzept, stellte er fest, wären die im Oktober 2020 in der Machbarkeitsstudie geschätzten Kosten von 2,9 Millionen Euro nach heutigem Wissen auf 3,8 Millionen gestiegen. Die Baunebenkosten sind durch die allgemeinen Preissteigerungen in der Zeit von 517 000 Euro auf fast 1,3 Millionen gestiegen (von 22 auf 36 Prozent). Aber es haben sich bei der Detailplanung auch zusätzliche Ausgaben ergeben: Für die Pumpenanlage muss zum Beispiel ein neues Technikgebäude gebaut werden, der Anstrich der alten Becken ist mit PCB belastet und muss aufwändig entsorgt werden, das Nichtschwimmerbecken soll eine breitere Treppe und eine Kinderrutsche bekommen, der Blitzschutz muss aufgerüstet werden.

An welchen Positionen kann gespart werden?

Mit der LBB ist der ganze Baukatalog nach Positionen durchforstet worden, die entfallen könnten, ohne Technik, Betriebsabläufe, Wirtschaftlichkeit und Förderfähigkeit des Bades zu gefährden. Durch Ansatzkürzungen und Streichungen hat sich dabei ein Einsparpotenzial von rund 300 000 Euro ergeben. An den „großen Stellschrauben“ aber, so Oberboßel, könne nicht gedreht werden. Sprunganlage, die große Rutsche, die Edelstahlauskleidung der Becken und der Spraypark für Kinder gelten als unabdingbar, weil das Freibad sonst nicht als Familien- und Freizeitbad gefördert wird. Der Rat akzeptierte die Streichliste bis auf zwei kleine Positionen: An den Baumpflanzungen und Grünanlagen sollen keine 5000 Euro abgeknapst werden.

Warum hat der Rat das Budget auf 5,6 Millionen erhöht?

Weil er das Risiko der in den nächsten Jahren weiter galoppierenden Baukostensteigerung höher einschätzt. Die LBB hatte, um das Budget nicht zu sprengen, hier niedrige fünf Prozent Plus angesetzt. Der Rat verdoppelte auf zehn Prozent und erhöhte die Risikobewertung für Unvorhersehbares von zehn auf 15 Prozent. Das macht zusammen rund 450 000 Euro mehr.

Wie wird das Projekt finanziert?

Zu den 5,6 Millionen gibt es 1,3 Millionen Fördergeld. Die fehlenden 4,3 Millionen muss die Bädergesellschaft als Darlehen aufnehmen. Nach dem Abbruch des alten Hallenbads soll das Grundstück für Wohnbauzwecke verkauft werden. Ein Wertgutachten liegt noch nicht vor. Der Erlös käme in die LBB-Kasse, kann nach Erwartung von Stadtkämmerer Knabbe aber wohl nicht als Sondertilgung eingesetzt werden. Voraussichtlich ab 2027 muss die Stadt die mit der Investition verbundenen Defizite der LBB durch jährliche Zahlungen in noch unbekannter Höhe ausgleichen.-

Wann kann das sanierte Freibad wieder eröffnet werden?

Geplant war es ursprünglich im Mai 2023. Aber der Zeitplan hat sich schon vor Baubeginn, der nun im September statt im April 2022 erfolgen soll, um vier Monate verzögert. Der Grund ist neben dem Hochwasser ein höherer Planungsaufwand und das Erfordernis von Baugenehmigungen, die entgegen erster Einschätzungen für die Sprunganlage und das Technikgebäude doch nötig werden. Erst im Juli 2023 könnte man wieder schwimmen gehen. Die Freibadsaison ist dann schon halb vorbei.

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Der Stadtrat stimmte dem vom LBB-Aufsichtsrat genehmigten Bauprogramm mit großer Mehrheit (bei drei Gegenstimmen und drei Enthaltungen) zu. Die CDU tat es angesichts der Beträge ausdrücklich „mit enormen Bauchschmerzen“ (Helmut Wagner), die SPD ebenfalls „schweren Herzens“, weil man sonst Gefahr laufe, der Bürgerschaft gar kein Freibad mehr anbieten zu können. Frank Steffes beteuerte, auch die Verwaltung sehe die finanzielle Belastung mit Sorge, aber betrachte das Bad als unverzichtbar.