ProzessPsychologin und Gutachterin uneinig über Zustand des Angeklagten aus Leverkusen

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Zwei Stühle an einem Tisch im Landgericht Köln.

Ein Urteil ist am Landgericht Köln am Dienstag noch nicht gefallen.

Der Leverkusener Tobias S. steht wegen mutmaßlicher Körperverletzung vor Gericht.

Die vierte Sitzung des Prozesses startet am Dienstagnachmittag im Kölner Landgericht zwei Stunden später als ursprünglich geplant. Ein Urteil im Prozess um Tobias S. (Name geändert) gibt es deshalb am letzten von vier angesetzten Verhandlungstagen nicht. Stattdessen soll das Urteil am Donnerstag verkündet werden.

Tobias S. muss sich wegen mutmaßlicher Körperverletzung an seiner Mutter verantworten. Ihm wird vorgeworfen, sie mit Faustschlägen auf den Kopf schwer verletzt zu haben, wodurch sie mehrere Frakturen und ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt. Die Mutter verweigert die Zeugenaussage.

Aufgrund der psychischen Erkrankung des Beschuldigten gilt er als schuldunfähig. Bei dem Prozess geht es deshalb nicht um ein Straf-, sondern um ein Sicherungsverfahren. Es wird verhandelt, ob Tobias S. in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden muss. Diese Unterbringung kann nur verordnet werden, wenn von ihm eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. 

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Zustand des Leverkuseners ist unverändert

Am Montag sagt eine Psychologin aus dem behandelnden Team der psychiatrischen Einrichtung aus, in der sich der Beschuldigte vorübergehend befindet. Sie äußert, dass der Beschuldigte unter einer paranoiden Schizophrenie leide, die sich bei ihm vor allem durch wahnhafte Gedanken äußere.

Im Klinikalltag verhalte er sich angemessen im Kontakt mit Personal und Mitpatienten. Er lebe zurückgezogen, sei aber kooperativ und stelle ihrer Meinung nach keine Fremdgefährdung dar. Er leugne seine Tat nicht, bagatellisiere sie aber extrem. Der Leverkusener werde medikamentös behandelt, verweigere aber Gesprächsangebote. Sein Zustand habe sich seit seiner Einweisung im April weder verbessert noch verschlechtert. 

Eine medizinische Gutachterin berichtet daraufhin über den gesamten Krankheitsverlauf des 32-Jährigen. 2010 sei er erstmals in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert worden.  Sie erklärt, dass die Angehörigen eines schizophrenen Patienten der größten Gefahr ausgesetzt seien, da sie das erkrankte Familienmitglied häufig beschützen möchten und die Krankheit unterschätzen. 

Psychologin und Gutachterin kommen zu anderen Einschätzungen

Die Gutachterin kommt zu einer anderen Einschätzung als die Psychologin zuvor: Tobias S. stelle auch eine Gefahr für die Allgemeinheit dar, da die Möglichkeit bestehe, dass sich sein bedrohliches Verhalten im Wahnzustand in Zukunft nicht mehr nur auf Familienmitglieder beschränken werde. Den Grund für sein kooperatives und unauffälliges Verhalten in der Klinik sieht sie in den Medikamenten, die er bekommt und in dem Mangel an Stress und Reizen, denen er in der Klinik ausgesetzt sei. Jedoch sei anzunehmen, dass er, sobald er nicht mehr in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist, die Medikamente nicht mehr regelmäßig einnehme und sein Zustand sich wieder verschlechtere.

Aufgrund seines dauerhaften Realitätsverlustes dürfe man ihn nicht alleine lassen, weitere Körperverletzungen seien nicht auszuschließen. Was der Beschuldigte brauche, sei eine feste Tagesstruktur, professionelle Ansprechpartner und eine kontrollierte Einnahme der Medikation.  

Verteidiger rätselt über mögliches Motiv

Dann folgen die Plädoyers des Staatsanwalts und des Strafverteidigers. Der Staatsanwalt betont die erhebliche Gefahr, die von Tobias S. ausgehe und seine fehlende Krankheits- und Behandlungseinsicht. Die Tat sei krankheitsbedingt erfolgt, weshalb der Staatsanwalt auf die unbefristete Aufrechterhaltung des vorläufigen Befehls der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus plädiert. 

Der Strafverteidiger räumt ein, dass alles dafür spreche, dass der Beschuldigte die Tat begangen habe und betont, dass es nicht zur Debatte stehe, dass der Beschuldigte weiterhin professionelle psychiatrische Hilfe entgegennehmen müsse. Allerdings stehe nicht fest, ob Tobias S. eine Allgemeingefährdung darstelle, da man nicht wisse, ob es vielleicht ein Motiv für die Tat gegeben habe. Ein mögliches Motiv könne sein, dass er sich gegen eine von der Mutter geplante Einweisung in die Psychiatrie wehren wollte. 

In dem Fall stelle Tobias S. keine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Dafür spreche, dass der Beschuldigte noch nie eine Straftat außerhalb der Familie begangen habe. Aufgrund der mangelnden Beweise für eine Allgemeingefährlichkeit halte der Strafverteidiger die unbefristete Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß Paragraf 63 des Strafgesetzbuches für nicht gerechtfertigt.