ProzessWas haben ein Toter in Leverkusen und im Libanon miteinander zu tun?

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Die Bushaltestelle gegenüber der Stadtgrenz-Schänke an der Mülheimer Straße in Schlebusch

An der Bushaltestelle gegenüber der Stadtgrenz-Schänke an der Mülheimer Straße nahm die tödliche Messerstecherei am 18. Februar ihren Ausgang.

Im Prozess um die Tat in Schlebusch kommen Schwester und Vater des Getöteten zu Wort. Die Frau hat auch ihren Mann durch Mord verloren. 

Vor einem halben Jahr hat sie ihren Bruder durch rund 20 Messerstiche in Schlebusch verloren, ein paar Monate zuvor ihren Mann – durch Schüsse im libanesisch-syrischen Grenzgebiet. Die 40 Jahre alte Mutter von drei Kindern sagt am Dienstag vor der 11. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts aus. Was weiß sie über die Tat an der Mülheimer Straße am Abend des 18. Februar? Hat sie eine Erklärung? Das liegt nahe, denn ihr getöteter Mann war der Bruder der beiden Angeklagten Feras R. und Rafik L. (Namen geändert).

Aber so sehr sich die Vorsitzende Richterin Sabine Kretzschmar auch bemüht: Auf klare Fragen kommen keine klaren Antworten von der Frau. Nur so viel: „Sie haben meine Familie zerstört. Und sie haben die Familie meines Bruders zerstört.“ In ihren Augen sind die beiden angeklagten Brüder „Kriminelle, die Geld unterschlagen haben“. Geld, das in ihre syrische Heimat geflossen ist. Geld, das auch ihr Mann immer wieder persönlich in das Herkunftsland beider Familien gebracht hat. Bei einer dieser Kuriertouren wurde er dann erschossen. Von wem, wisse sie nicht, sagt die Witwe.

Ein Auftragsmord im Nahen Osten

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Was die Verteidigerin des jüngeren Angeklagten Feras R. nicht glauben kann. Karin Bölter kennt das jüngst ergangene Urteil eines Gerichts im Libanon. Dort ist man zu der Auffassung gelangt, dass auch dieser Tod durch die Fehde zwischen den beiden Familien verursacht wurde: Der Vater des in Schlebusch durch rund 20 Messerstiche Getöteten sei unter den Schützen im Libanon gewesen. Und der Vater der Witwe habe den Mord in Auftrag gegeben.

Der 69-Jährige wird am Dienstag ebenfalls befragt. Auch er gibt nur wenige klare Antworten. Und auf die Frage von Verteidigerin Bölter, ob er den Mord an seinem Schwiegersohn veranlasst habe, reagiert er überhaupt nicht. Für ihn steht fest: Die beiden Brüder auf der Anklagebank haben seinen Schwiegersohn „heimlich und heimtückisch umgebracht, wie Hunde“.

Der Vater des Opfers sieht eine Bande von Betrügern

Für diesen Mord – er wird von der Staatsanwaltschaft als Totschlag bewertet – habe es einen Auftrag gegeben: Der inzwischen getötete Schwiegersohn habe den Brüdern Geld gegeben. Der ganzen Familie, so der Vater des Schlebuscher Opfers, sei der in Deutschland erwirtschaftete Reichtum zu Kopf gestiegen. Geld, so stellt auch er es dar, sei nicht ehrlich erworben worden, sondern durch Betrügereien in großem Stil.

Was da eigentlich gelaufen ist, wird in diesem seit gut einem Monat laufenden Prozess immer nur angedeutet. Es könnte um Zahlungen gehen, die im Zuge der Flucht vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland geflossen sind. Um Garantiesummen, die von der Familie der beiden Angeklagten vorgestreckt wurden und dann mit hohem Zuschlag wieder eingetrieben wurden. Auch bei der Familie des Opfers.

Geld, Vermögenswerte und eine verschwundene Tasche voller Schmuck scheinen auch bei der tödlichen Messerattacke an der Stadtgrenz-Schänke in Schlebusch eine Rolle gespielt zu haben. Denn so ganz eindeutig ist die Rolle der Schwägerin des Opfers nicht. Die Ehe mit dem Bruder der Angeklagten sei schon seit 14, 15 Jahren nicht gut gelaufen, da ist der Vater mal deutlich: Der Schwiegersohn habe sich immer wieder „wie ein tollwütiger Hund“ benommen.

Auch die 40-Jährige räumt ein, dass es immer wieder gekracht habe. Sie sei geschlagen worden – die Schuld daran schiebt sie den Angeklagten zu: Die hätten ihren Mann beeinflusst und aufgehetzt. Sogar eine Anzeige hatte die Frau wegen der Schläge erstattet, eine Scheidung habe im Raum gestanden. Am Ende aber habe man sich wieder vertragen, erklärt sie. Bis die Schüsse im Nahen Osten der Ehe ein Ende setzten.