KolumneStadtrat geht mit Wahlkampfpirouetten und Abstimmungswirrwarr in die Ferien

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Rathaus Leverkusen Archiv 020719

Das Leverkusener Rathaus

  • Ganze sieben Stunden brauchte der Leverkusener Stadtrat für seine letzte Sitzung vor den Sommerferien.
  • Inwiefern etwas Mobbing und Wahlkampfpirouetten den Politikern die Ferien schneller näher brachte, beleuchtet unser Kolumnist auf amüsante Weise.

Leverkusen – Der Oberbürgermeister war wegen eines anderen Termins entschuldigt. Er verließ so eilig wie erfreut und forschen Spruches die von ihm zuvor geleitete Sitzung des Stadtrates nach fünf Stunden. Den Zugabenteil nach eineinhalbstündiger Unterbrechung für ein nichtöffentliches Zwischenspiel musste er sich nicht mehr antun. Der Rat hatte im Nachmittag zunächst ganz zeitgeistgemäß und von Jugendlichen gedrängt den Klimanotstand ausgerufen, sich dann relativ unbeabsichtigt im Abstimmungswirrwarr auf einen wahrscheinlich nicht zu verwirklichenden Kompromiss für neue Parkplätze am Schloss Morsbroich geeinigt und eine neue Steueroase begründet, die sich schnell als sehr flüchtige Fata Morgana erweisen könnte. 

Hinter verschlossenen Türen wurde dann anderthalb Stunden lang angestrengt versucht, Ruhe die unrühmliche Vorgeschichte eines marokkanischen Gemeindezentrums in Manfort zu bringen, die den Verdacht einer Kungelei bislang nicht loszuwerden vermag. Als nun der Rat, der sich so gern als Stadtparlament inszeniert, um 20.23 Uhr zu seinem Beratungsendspurt vor der Sommerpause ansetzte, war mancher mutige Streiter schon arg ermattet und wollte die Segel streichen. Doch die Aussicht, eine weitere derartige Zusammenkunft vor den Ferien ertragen zu müssen, brachte eine deutliche Mehrheit von 32 zu acht Stimmen dazu, den Vertagungsantrag von Markus Beisicht für die noch ausstehenden 48 Tagesordnungspunkte abzulehnen. Das müsse vor zehn Uhr noch zu schaffen sein.

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Und es wurde geschafft. Weil man sich nicht in allem einig war, aber in einem doch: Bürgerlisten-Chef Erhard Schoofs gar nicht erst richtig zu Wort kommen zu lassen. „Schluss der Debatte“ war das Motto mit dem vor allem die Christdemokraten im Stadtrat ein ums andere Mal per Geschäftsordnung verhinderten, dass eine Debatte überhaupt zustande kam. Habe man alles schon gehört, sei Sache der Fachausschüsse, ständige Wiederholungen nervten doch nur, hieß es an die Adresse von Schoofs. Der wiederum empörte sich darüber, wie eine ganz große informelle Koalition im Rat ihm mit Redezeitbegrenzungen und anderen Tricks wie der verbundenen Beratung mehrerer Themen das Wort abschneide. „Diese Art der Mundtotmachung kleiner Fraktion ist zutiefst undemokratisch“, so Schoofs. Daher habe er die Kommunalaufsicht der Bezirksregierung alarmiert.

Sieben Stunden Ratssitzung

Als die vier Vertreter der Bürgerliste nach dem sechsten Antrag auf „Schluss der Debatte“ um 20.59 Uhr den Ratssaal unter Protest verließ, kam in den gelichteten Reihen der verbliebenen Ratsvertreter so etwas wie Partystimmung auf. War man den politischen Sommerferien mit ein wenig Mobbing doch schon deutlich näher gekommen. Bürgermeister Bernhard Marewski gab als Versammlungsleiter ordentlich Gas bei den Abstimmungen, Eva Lux und Gerhard Wölwer strengten sich an, es ihm gleichzutun. Und trotz kleiner Wahlkampfpirouetten war das Programm bis 22 Uhr runtergerissen. Nach sieben Stunden.

Dass die weihevollen Versprechen an die jungen Vertreter der Klimaschutzbewegung „Fridays for future“ dabei unter die Räder kamen – eher ein kommunalpolitischer Kollateralschaden. Gute Vorsätze zum neuen Jahr werden ja auch nicht gleich am Neujahrstag umgesetzt! Also: Kein Glyphosat-Verbot auf städtischen Äckern, aber Gewerbesteuerhalbierung. Keine kritische Prüfung des Luftreinhalteplanes, sondern neue Parkplätze und Plangebiete. Und Anträge der Bürgerliste? Marewski: „Der Antragsteller hat das Wort.“ Witzig! Etwa nicht? – Genug debattiert! Pause!