Weitere Fälle zu befürchtenLeverkusener wegen sexuellen Kindesmissbrauchs angeklagt

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Eine Anklage wegen sexuellen Missbrauchs zweier Mädchen in Steinbüchel, die zum Tatzeitpunkt zehn und elf Jahre alt waren, könnte sich vor dem Landgericht Köln zu einem größeren Missbrauchskomplex ausweiten. Angeklagt ist der Leverkusener Roland W. Dem 63-Jährigen wird vorgeworfen, in einem Tatzeitraum zwischen August 2017 und Mai 2019 die zwei Mädchen Lisa und Mala (alle Namen geändert, Anm. d. Red.), die ihm aus der unmittelbaren Nachbarschaft bekannt waren, in rund 30 Fällen schwer sexuell missbraucht zu haben.

In einem Gebüsch in der Nähe der Wohnhäuser der Beteiligten, das die Kinder als Spiel- und Rückzugsort nutzten, und in seinem Keller soll er die Kinder zum Oralverkehr gezwungen haben. Am ersten Hauptverhandlungstag am Montag hat der Angeklagte über diese Taten unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Geständnis abgelegt. Damit bleibt den Opfern wahrscheinlich eine Aussage vor Gericht erspart.

Familien waren gutgläubig

Die zweite Große Strafkammer unter der Leitung des Vorsitzenden Richters Christoph Kaufmann befragte am Donnerstag die engsten Angehörigen der beiden Mädchen. Auffällig dabei war, dass Roland W. bei den Eltern der Opfer überaus beliebt war. Der 63-Jährige war in der Nachbarschaft in Steinbüchel bekannt, zeigte sich hilfsbereit und freundlich. Dass er immer viel Zeit mit Kindern verbracht und sie sogar in seinen Schrebergarten nach Köln mitnahm, schien den Angehörigen nicht auffällig. „Wir waren mit der ganzen Familie W. sehr gut befreundet“, sagte die Mutter von Lisa. Ihre Tochter habe immer mit dem gleichaltrigen Mädchen der Familie W. gespielt, man habe gemeinsam Zeit im Schrebergarten und auf der Wiese der Wohngegend in Leverkusen verbracht. Für den Vater von Mala sei Roland W. gar wie sein „großer Bruder“ gewesen, dem er seine persönlichsten Probleme anvertraut habe.

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Eltern geschockt von Vorwürfen gegen den Nachbarn: „Wir haben ihm geglaubt.“

Dass Roland W. pädophile Neigungen hat, erkannten die Eltern der beiden Opfer auch noch nicht, als bereits erste Gerüchte in der Nachbarschaft umgingen, laut denen er jungen Mädchen hinterher pfiff und ihnen folgte. „Wir waren naiv“, so Lisas Mutter. „Wir haben ihm geglaubt.“ Roland W. habe vor ihnen die Gerüchte immer als Lügen abgetan. Als sie von ihrem Ex-Mann erfahren habe, dass ihre Tochter sich der Oma gegenüber anvertraut habe, habe sie es erst nicht glauben können. Das Mädchen lebt inzwischen fest bei seinem Vater in Gummersbach.

Malas Vater erfuhr erst vom Missbrauch an seiner Tochter, als diese als Zeugin für Lisas Fall von der Polizei geladen wurde. Sie offenbarte ihm dann, dass auch sie der Polizei etwas zu berichten habe. Vor Gericht bricht der Vater immer wieder in Tränen aus. „Ich habe diesen Mann immer verteidigt“, sagt er. Der Angeklagte vergrub am Donnerstag bei den emotionalen Äußerungen des Vaters den Kopf in den Händen.

Seine Tochter sei mittlerweile sehr verängstigt, so Malas Vater, sie verlasse die Wohnung nicht mehr oft. Auch Lisa ist in Therapie und hat immer wieder mit den Erinnerungen an die Taten zu kämpfen, wie ihr Vater vor Gericht bestätigt.

Ausweitung des Falles zu einem Missbrauchskomplex ist zu befürchten

Im Laufe des Verhandlungstages wurde immer klarer, dass Roland W. seine Neigungen womöglich nicht nur an Lisa und Mala ausgelebt hat. Die Namen von fünf bis sechs weiteren möglichen Opfern aus der Nachbarschaft stehen bei den Anhörungen immer wieder im Raum, auch wenn die Zeugen von anderen Fällen nichts sicher wissen wollen. Am Ende des Prozesstages gab der Angeklagte einen weiteren Fall eines Übergriffs auf ein junges Mädchen aus der Gegend selbst zu.

Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob weitere Fälle durch eine Nachtragsanklage dem laufenden Verfahren angehängt werden können. Sollte dies möglich sein, könnte sich die Anklage auf mehrere Fälle erweitern und das Verfahren gegen Roland W. vom sexuellen Missbrauch an zwei Mädchen zu einem Missbrauchskomplex in Leverkusen werden. Mit der Verhandlung solcher Fälle hat Richter Christoph Kaufmann Erfahrung: Er leitete auch die Verhandlung über den Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach.