Wupper-Hochwasser in LeverkusenWarum die Feige Vorbild für Kleingärtner ist

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2,20 Meter hoch stand das  Wasser, die Hütte von Rainer Tews (links) wurde  verschoben. Rechts steht Wolfgang Müller. 

Leverkusen – Die Feige ist offenbar hart im Nehmen. „Schauen Sie mal: Sie hat sich selbst wieder aufgerichtet“, sagt Rainer Tews – und weiß doch, dass jeder Mensch, der dieser Tage hier vorübergeht, überall hinschaut – nur nicht auf diese resistente Baumpflanze mit ihren beliebten Früchten. Denn drumherum, da war eben nicht viel mit „hart im Nehmen“, als vor gut dreieinhalb Wochen die nahe Wupper ihr Flussbett verließ und über die 192 Grundstücke des Kleingartenvereins Ruhlach in Opladen schwappte. Das Stück von Rainer Tews hat die Nummer 136. Und ja: Die Feige auf Nummer 136 steht. Aber das tut auch die massive Gartenlaube – nur steht die seit dem 14. Juli zwei Meter weiter in Richtung des Nachbargrundstückes. „Die hat’s weggeschwemmt.“

Das Fundament, das die ursprüngliche Position des dreineinhalb Tonnen schweren Häuschens anzeigt, ist der Beweis dafür, mit welcher Wucht die Welle daherkam, die sich von der Wupper aus über ein großes Feld im Norden der Ruhlach ihren Weg zu den Kleingärten hin bahnte. „Hier im unteren Teil unserer Anlage“, sagt Wolfgang Müller, der Vorsitzende des „Ruhlach e.V.“, „stand das Wasser am Ende 2,20 Meter hoch.“ Rainer Tews berichtet, dass er am Tag nach der Überschwemmung eine Drohne habe aufsteigen lassen. Vogelperspektive. „Als ich mir das Video hinterher anschaute, waren die meisten Hütten nicht mehr zu sehen.“ Da war nur: Wasser.

Vier von fünf Gärten sind zerstört

Alles zum Thema Hochwasser, Überschwemmung und Flut

Natürlich hat es neben den Opladenern auch andere Kleingartenanlagen in Leverkusen erwischt an diesem Tag. Beispielsweise die Bernshecke zwischen Alkenrath und Küppersteg. Aber die Ruhlach ist nunmal die mit Abstand größte ihrer Art in der Stadt. Und sie liegt genau an der Wupper, die in dder Nacht vom 14. auf den 15. Juli zum reißenden Strom wurde. Entsprechend viele Kleingärtner und Kleingärtnerinnen erwischte es. Von den auf dem tiefsten Teil der Anlage gelegenen 129 Gärten sind 80 Prozent zerstört. Und, sagt Rainer Tews, man dürfe nicht vergessen: „Auch in den anderen stand das Wasser bis zu einer Höhe von 1, 60 Meter.“

Sogar das Vereinsheim als Zentrale des normalerweise klischeehaft idyllischen Kleingartenlebens wurde geflutet. Allein der dort angerichtete Schaden dürfe bei gut 150.000 Euro liegen, sagt Wolfgang Müller. Die im März installierte neue Heizungsanlage: hinüber. Das Interieur der gerade frisch verpachteten und nach dem Lockdown neu eröffneten Gaststätte mit Biergarten: nur noch Schrott. Strom: nicht da. Über 20 Verteilerkästen standen unter Wasser. Kurzschlüsse wüteten. „Und eine Versicherung für Elementarschäden haben wir nicht“, sagt Rainer Tews.

Die Versicherung ist ein Problem

Auch deshalb, weil der Stadtverband der Kleingärtner einen festen Versicherer vorschreibe, der das nicht anbiete. Er spricht von einer „Zwangsversicherung“. Was bedeute: „Wenn wir uns auf eigene Faust versichern wollten, müssten wir doppelt zahlen.“ Es klingen Wut und Ärger heraus, wenn Rainer Tews das sagt. Eine Stellungnahme zu dieser Angelegenheit steht noch aus. Es ist ein weiteres Stückchen dieses großen Mosaiks der Katastrophe, das nach und nach zum Vorschein kommt.

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Diese Tomaten haben die Flut nicht überlebt, andere Pflanzen aber schon.

Der Aufbau der Ruhlach ist nach Aussage von Wolfgang Müller keine Frage von Wochen oder Monaten. Nein: „Ein Jahr werden wir mindestens brauchen.“ Die Kleingärten müssen – inklusive zahlreicher Lauben, Gewächshäuser und anderer Aufbauten – durchweg neu gestaltet werden. Die Schlammschicht muss von den Wegen abgekratzt und gegen Kies ausgetauscht werden, „da der Schlamm kein Wasser durchlässt und wir beim nächsten heftigen Regen gleich wieder Ströme hier hätten.“

Hunderte Meter Zaun um die Anlage herum müssen neu aufgestellt werden, da der alte von den Wupper-Wassermassen einfach umgedrückt wurde. Dazu kommt die erwähnte Technik, das Mobiliar. Kurzum: Es ist eine Fahnenstange ohne Ende. Ein Rattenschwanz, der endlos ist. Ein Fass, das keinen Boden besitzt. Die ersten Kündigungen von Mitgliedern sind schon eingegangen. „Weil vor allem die Älteren aus dem Verein nicht mehr die Kraft zum Neuaufbau haben“, sagt Wolfgang Müller.

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Und doch haben weder er noch Rainer Tews noch der Großteil der anderen Menschen aus der Ruhlach das im Namen der Anlage enthaltene Lachen verloren. Der Optimismus siegt. „Wir hatten hier in Leverkusen keine Menschenleben, die das Hochwasser gefordert hat. Das ist die Hauptsache. Uns haben zudem unwahrscheinlich viele Menschen geholfen, nach der Flut aufzuräumen“, sagt Rainer Tews. Und, nicht zu vergessen: „Wir haben den Wupperschlamm analysieren lassen und wissen nun: Er ist nicht gefährlich.“ Das sei doch schonmal was. „Hier und da wachsen sogar schon wieder die Pflanzen darauf.“ Und die Feige, die steht ja auch noch. Trotz allem.