Abschiebung drohteAus Mongolei nach Oberberg geflüchtete Familie wieder ausgereist

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Eine im oberbergischen Kreis lebende Familie ist nach drei Jahren zurück in die Mongolei gegangen, weil die Abschiebung drohte. (Symbolbild)

Lindlar – Für Gesprächsstoff sorgt in diesen Tagen eine dreiköpfige Familie, die bis vor kurzem in der Flüchtlingsunterkunft in Kaiserau untergebracht war und nun in der Mongolei lebt.

Araz (32) stammt aus Kasachstan und kam im September 2019 gemeinsam mit Sumiya (30) aus der Mongolei nach Deutschland. Auf die Nennung ihrer Nachnamen wird hier bewusst verzichtet, die vollständigen Namen sind der Redaktion bekannt. Einen Monat später wurde ihr Sohn Attila in der Bundesrepublik geboren. Nach 14 Monaten Unterbringung in einer zentralen Flüchtlingseinrichtung lebte das Paar ab Ende 2020 in Lindlar und zog dann nach Kaiserau um.

Zorn der Familie wegen anderer Religionen

„Wir sind weggelaufen, weil wir verschiedene Nationalitäten und Religionen haben. Unsere Eltern akzeptieren uns nicht“, erklärt Araz über einen Internet-Messenger die gemeinsame Flucht mit seiner damals hochschwangeren Sumiya. Araz ist Moslem, Sumiyas Familie buddhistisch geprägt. Nach wie vor fürchten beide den Zorn ihrer Angehörigen. Beide sind nach eigener Aussage ausgebildete Ingenieure, deren Abschlüsse hierzulande allerdings nicht anerkannt wurden.

Spendenkampagne

Gemeinsam mit Mitstreitern hat Tina Mickenhagen über das Onlineportal „Gofundme“ eine Spendenkampagne für Araz, Sumiya und Attila organisiert. Denn Sumiya möchte bei der deutschen Botschaft in Ulan Bator ein Visum zum Studium beantragen. Doch dazu muss sie genug Geld vorweisen, um ihren Lebensunterhalt in Deutschland selbst bestreiten zu können. „Die Idee ist, dass das Geld auf einem Konto eingefroren wird und Sumiya monatlich einen Betrag abheben kann“, erklärt Mickenhagen. Geht der Plan auf, könnte Sumiya ihr Studium in Köln abschließen, danach möglichst schnell eine Anstellung finden und Araz und Attila nachholen.

Sumiya hatte sich auf die Weinbrennerei spezialisiert und wollte in die allgemeine Lebensmittelindustrie wechseln. Sie studierte bis zu ihrer Ausreise an der Technischen Hochschule in Köln-Deutz.

Auch Araz, Ingenieur für Rohöl-Verarbeitung, wollte studieren, um einen in Deutschland anerkannten Abschluss zu haben. Das gleichzeitige Studium beider Eltern wurde allerdings durch einen fehlenden Kindergartenplatz für Attila verhindert. Araz ließ Sumiya den Vortritt. „In Deutschland ist alles langsam, das wissen Sie genau“, schreibt Araz. Ab August hätte Attila einen Kita-Platz gehabt – nun kam die Ausreise.

Entscheidung der Behörde tritt auf Unverständnis

In Frielingsdorf verstehen viele nicht, warum gerade diese Familie Deutschland verlassen musste. Araz sei „der Sonnenschein unserer ganzen Einrichtung“ gewesen, betont etwa Katharina Hagen, Leiterin der Speisekammer, für viele Helfer. Rosi Wendeler von der AWO-Ortsgruppe hat Sumiya als jemanden schätzen gelernt, der anderen geflüchteten Menschen ohne Zögern half und ehrenamtlich die komplette Computertechnik der AWO auf Vordermann brachte. Beide hätten zudem fleißig Deutsch gelernt, die Fortschritte seien bemerkenswert gewesen.

Allerdings: Nach Recherchen unserer Zeitung ist die Familie streng genommen nicht – wie häufig behauptet wird – abgeschoben worden. „Eine Abschiebung hat nicht stattgefunden“, macht Kreissprecher Philipp Ising auf Nachfrage dieser Zeitung deutlich. Auch Araz berichtet, dass er mit Frau und Sohn letztlich freiwillig gegangen sei, nachdem die Familie einen negativen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhielt.

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Das deutsche Aufenthaltsrecht kennt diese Möglichkeit der „freiwilligen Rückkehr“ und räumt ihr grundsätzlichen Vorrang gegenüber der Abschiebung ein. Ob man mit Blick auf die anderenfalls drohende Abschiebung tatsächlich von Freiwilligkeit sprechen kann, steht auf einem anderen Blatt. Vereinfacht erklärt hat die freiwillige Ausreise den Vorteil, dass kein oder nur ein kurzes Wiedereinreiseverbot verhängt wird.

Genau das sei auch der Grund für die Rückkehr der Familie in die Mongolei gewesen, bestätigt Araz, der im Fall der Abschiebung ein Rückkehrverbot in die EU für die nächsten sieben bis zehn Jahre fürchtete. Tina Mickenhagen, die die Familie in Frielingsdorf kennengelernt hat und in Kontakt steht, hält die Entscheidung der Behörden für einen Skandal – ob unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit oder als offene Abschiebung.