BergneustadtWilfried Holberg und sein Nachfolger Matthias Thul über Bürgernähe

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Bergneustadt Bürgermeister

Wilfried Holberg und sein Nachfolger Matthias Thul.

Bergneustadt – Nach sechs Jahren als Bürgermeister geht Wilfried Holberg heute in den Ruhestand. Seinem Nachfolger und Kollegen Matthias Thul hat er die Amtsgeschäfte schon übergeben. Im Rahmen unserer Serie „Kommen und Gehen“ hat Harald Knoop mit beiden kurz vorher gesprochen.

Herr Holberg, am Samstag ist Dienstschluss für immer. Wie ist Ihre Gefühlslage gerade? Holberg: Gemischt. Ich habe dieses Amt mit Leidenschaft ausgefüllt, es hat sechs Jahre lang mein Leben bestimmt. Es ist aber kein Abschied von der Macht, sondern viel mehr von den Menschen hier im Rathaus und der mir entgegengebrachten Gemeinschaft mit ihnen.

Die Amtszeit als Bürgermeister endet, zugleich ist es das Ende eines langen Berufslebens. Welcher Abschied fällt schwerer? Der vom Berufsleben. Ich fühle mich noch gar nicht rentnergeeignet. Ich habe noch viele Ideen, und meine Triebfeder ist noch immer gespannt. Mit Schlagzeugspielen kann ich das nicht kompensieren, zumal das Kulturleben ja gerade auch ausfällt. Aber mal sehen, was mir noch über den Weg läuft . . .

Waren die letzten Tage noch sehr hektisch? Sagen wir es so: Die Frequenz ging nicht zurück. Gerade stellt sich die Konstituierung des neuen Stadtrates nächste Woche als nicht so einfach heraus wie gedacht.

Konnten Sie alles erledigen? Nö, aber das liegt in der Natur der Sache. Es gibt immer Dinge, die man nicht punktgenau zum Ende einer Amtszeit abschließen kann. (lacht) Es sei denn, man fängt die letzten zwei Jahre nichts Neues mehr an.

Was müssen Sie übergeben? Eigentlich nur die wirklich langfristigen Dinge, die Entwicklung von Gewerbegebieten etwa. Da reichen ja manchmal auch zwei Amtszeiten nicht.

Was hätten Sie gerne noch selbst erledigt? Den Immobilienpool für die Altstadt. Das hat sich als sehr aufwendig herausgestellt, das muss der Matthias jetzt zu Ende bringen. Die vergangenen sechs Jahre waren selbst für Bergneustädter Verhältnisse sehr bewegt.

Haben Sie es zwischendurch bereut, das Amt übernommen zu haben? Nein, nein, nein! Es war eine schwierige Amtszeit. Kaum war ich im Amt, mussten wir eine Grundschule schließen und die Sekundarschule kam nicht durch. Dann wurden die Finanzen ein Riesenproblem. Als wir die halbwegs im Griff hatten, kam das Flüchtlingsproblem, dann der Derivatevergleich – es war wirklich wenig Kür, dafür umso mehr Pflicht (schaut hinüber zu seinem Nachfolger).

Herr Thul, noch ist Zeit wieder zu gehen . . . Thul: Keine Sorge, einen Teil dieser Dinge habe ich ja miterlebt. Ich wusste, worauf ich mich einlasse.

Herr Holberg, für Sie geht es jetzt von Tempo 180 runter auf Null. Sind Sie vorbereitet auf Ruhe, Müßiggang und Freizeit? Holberg: Die Weinlieferung ist angekommen, die Kühlung funktioniert, die Fahrradreifen sind aufgepumpt (lacht). Aber im Ernst: Ich weiß es nicht, vorbereitet bin ich nicht wirklich. Ich weiß nur, dass am Montag der Wecker nicht klingelt.

Sie leben in Nümbrecht. Wird man Sie in Bergneustadt noch wiedersehen? Ganz bestimmt. Ich habe in den letzten sechs Jahren sehr viele Kontakte geknüpft, das war sehr lebensbereichernd. Außerdem habe ich Matthias Thul versprochen, jederzeit für ihn ansprechbar zu sein, wenn er das will. Reinreden werde ich ihm aber garantiert nicht.

Herr Thul, am Freitag sind sie als Allgemeiner Vertreter ins Wochenende gegangen, am Montag kommen Sie als Bürgermeister zur Arbeit – wie stark ist in den letzten Tagen die Aufregung gewachsen? Thul: Gar nicht, die war die ganze Zeit schon da. Gestern haben wir bis Mitternacht hier gearbeitet. Ich muste mich nach der Wahl einem geplanten Eingriff unterziehen, da hatte ich Zeit nachzudenken. Wahrscheinlich wird es Sonntagfrüh beim Kaffee den Moment geben, an dem ich sage: Das ist jetzt echt, jetzt bin ich Bürgermeister.

Sie waren bislang Verwaltungsmann, jetzt sind Sie auch Politiker. In beiden Aufgaben werden ab Montag alle Blicke auf Sie gerichtet sein. Belastet der Gedanke nicht auch? Ich weiß, dass ich dann im Fokus stehe, in Jogginghose einkaufen gehen, ist nich’. In den Geschäften achten die Leute jetzt schon drauf, was ich wo einkaufe.

Holberg: Ich habe sehr darauf geachtet, meine Frühstücksbrötchen immer abwechselnd in einer der vier Bäckereien hier zu kaufen.

Herr Thul, wie konnten Sie sich seit Ihrer Wahl auf die Amtsübernahme vorbereiten? Thul: In den wichtigsten Dingen der vergangenen zwei Jahre bin ich ja schon eingearbeitet. Ich habe mich mehr darauf konzentriert, wie ich mich selbst und den Betrieb im Rathaus organisieren will. Und ich habe mich daran gewöhnt, dass ich Dinge auch zu Hause erledigen muss. Ich bin nicht mehr städtischer Angestellter mit pünktlichem Feierabend, ich bin jetzt Bürgermeister. Da gehört das dazu.

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Zwei Jahre haben Sie mit Wilfried Holberg zusammengearbeitet. Was haben Sie von ihm gelernt? Transparenz, mit allen Konsequenzen. Und dass man die Bürger immer im Blick haben muss. Der Bürgermeister ist nicht der Politik oder dem Rat verpflichtet, sondern den Bürgern, die haben ihn gewählt. Wilfried Holberg war für jeden Bürger ansprechbar, jeder hat einen Termin bei ihm bekommen.

Hat er Ihnen ein paar Tipps gegeben? Ja, zum Beispiel Stellung zu nehmen zu Anträgen der Fraktionen im Stadtrat. Den Ratsmitgliedern die Faktenlage zu erläutern und die Ansicht der Verwaltung zu ihren Vorschlägen zu verdeutlichen. Das werde ich auch so machen.

Wie werden Sie die letzten Tage „in Freiheit“ verleben? Die letzten Tage gibt es nicht. Am Samstag werden wir hier im Rathaus arbeiten und am Montag um 7 Uhr geht’s los. Die wenige Zeit dazwischen werde ich mit der Familie verbringen.