Alte BücherfabrikPraktische Hilfe für die Ärmsten in Engelskirchen

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Ehrenamtliche Helferinnen der Flüchtlingshilfe Engelskirchen sortieren Spenden im Alger in der Alten Bücherfabrik in Engelskirchen-Ründeroth.

Was die Helferinnen in den Spendenkartons erwartet, wissen sie nicht. Margit Schäfer, Roswitha Neu und Sinaida Klein (v.l.) sichten abgegebene Kleidung in der Alten Bücherfabrik in Engelskirchen-Ründeroth.

Immer mittwochs öffnet das Lager in Engelskirchen. Dann kommen zwischen 25 und 50 Menschen, denen geholfen wird.

Die Babyschuhe sind noch neu. An der Wand hinter dem Regal bröckelt der Putz von den Wänden des früheren Industriebaus in Engelskirchen-Ründeroth. Die Schuhe sind eine Spende. Die Frau, die sie für ihr Kind holt, huscht die Treppe hinab. Ihr Name steht auf einer Liste am Eingang im Erdgeschoss. Vielleicht ist sie aus der Ukraine geflohen. Vielleicht ist sie aber gleich nebenan geboren und auf Hilfe der Gemeinschaft angewiesen.

Die gibt es von der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe Engelskirchen. Die Freiwilligen sammeln Sachspenden für Geflüchtete und Menschen, die Bürgergeld beziehen. Nachdem 2015 der erste große Flüchtlingstreck nach Deutschland kam, hat sich bei den Helfenden viel getan. Die Hilfe wurde professioneller, zum Beispiel im Lager in der Alten Bücherfabrik.

Jeden Monat werden 425 Menschen versorgt

425 Menschen sind es im Monat, die sich hier mit dem Notwendigsten eindecken. Immer mittwochs öffnet das Lager. Dann kommen zwischen 25 und 50 Menschen. Sie müssen Geduld mitbringen, denn zeitgleich dürfen nur zwischen sieben und acht Personen hinein.

Wer in der Schlange vor der Türe steht, das weiß Josef Hess genau. Denn er ist der Herr der Liste am Eingang: Rein kommt nur, wer in Engelskirchen wohnt. Neben Hess passen zwei Bedienstete des Ordnungsamts auf. Denn die Waren wecken Begehrlichkeiten. „Wir hatten schon Profis aus Troisdorf und Köln hier“, erinnert sich Hess. Das gehe heute nicht mehr, berichtet Vorsitzender Christian Stiefelhagen.

Wer noch nicht bekannt ist, wird es bald

Die Initiative hilft Menschen, die praktisch ohne jeden Besitz in Engelskirchen ankommen, und Menschen, die Bürgergeld beziehen. Damit die Gaben bei den Bedürftigen ankommen, gibt es ein verlässliches System. Und das heißt Vertrauen. „Wir kennen die meisten Menschen persönlich, die sich hier versorgen“, so Stiefelhagen. Wer noch nicht bekannt ist, wird es bald. Dafür sorgt zum Beispiel Sinaida Klein, die fließend Russisch spricht und für Menschen dolmetscht, die aus der Ukraine fliehen mussten. Dafür sorgt auch Mahmoud Yakni in der Uniform des Ordnungsamts, der an diesem Morgen an der Türe steht und einst selbst auf der Flucht war. Und dafür sorgt Margit Schäfer mit ihrem Team von 14 weiteren Helfern.

Die Spenden werden meist persönlich abgegeben. Verpackt in Kartons, Tragetaschen oder Müllsäcken, stehen sie aber oft morgens vor der Tür. Die Pakete zu öffnen, ist Routine. Manchmal kostet es aber auch Überwindung. Rund 50 Lieferungen dieser Art verarbeiten die Ehrenamtler jede Woche. Roswitha Neu und ihre Kolleginnen haben einen siebten Sinn darin entwickelt, schon von außen zu erkennen, in welchem Zustand die Spenden sind.

Rund 15 Prozent der Spenden müssen in den Restmüll

Das zeigt sich auch an einem Umzugskarton, der erst am Morgen abgegeben worden ist: Mit spitzen Fingern öffnet Neu den Deckel. Ein säuerlicher Geruch steigt auf. Ein Babylätzchen liegt oben auf, Breireste sind eingetrocknet. Auch ein Rucksack liegt in dem Karton, mit Stockflecken. „Da ist Schimmel“, stellt Roswitha Neu fest. Die ganze Kiste muss entsorgt werden.

Rund 15 Prozent der Spenden landen schon aus gesundheitlichen Gründen im Restmüll. Dass es inzwischen häufiger vorkommt, dass Spenden in schlechtem Zustand sind, will bei der Flüchtlingshilfe niemand thematisieren. Zu groß ist die Sorge, dass die Geflüchteten als undankbar dargestellt werden. Für die ehrenamtlich Tätigen aber wächst die Belastung, mit jeder Ladung, die sie zu Hause erst in die eigene Waschmaschine stecken müssen. Was hilft, die Moral aufrecht zu halten, ist die Tatsache, dass die Spendenbereitschaft weiter groß ist.

„Hier, das sieht noch neu aus“, sagte Sinaida Klein und zieht ein schwarzes T-Shirt aus einem Karton. „Der beste Papa der Welt“ steht auf der Brust. „Das wurde sicher gern getragen und liebevoll gepflegt “, sagt Margit Schäfer. In einem weiteren Karton finden sich frisch gewaschene Handtücher und Bettwäsche. Das passt gut, denn das ist gerade bei jungen Familien immer Mangelware.

Gerade arbeiten die Ehrenamtler aber schon auf die Zeit nach den Sommerferien hin. „Wenn die Schule wieder beginnt, brauchen die Kinder Tornister, Stifte, Turnsachen“, zählt Margit Schäfer auf.


Hintergrund

Alte Bücherfabrik: Auf Vermittlung der Gemeinde zog die Flüchtlingshilfe 2019 in die leerstehende Alte Bücherfabrik an der Oststraße. Auf drei Etagen ist alles thematisch sortiert: Unten finden sich Besteck, Möbel, Lampen und Räder in einem Raum. Auf der ersten Etage ist Kinderkleidung, nebenan hängen Hemden und Sweatshirts auf den Stangen, wieder eine Treppe hinauf stehen die Babyschuhe neben Sneakern und Budapestern.

Die Flüchtlingshilfe Engelskirchen ist ein getragener Verein. 35 aktive und rund 60 weitere Mitglieder organisieren die Arbeit der Helferinnen und Helfer, sie verteilen die Spenden, begleiten bei Amtsgängen und bei Integrationsprojekten. (lb)