Neoklassik aus EngelskirchenNico Walser und David Marlow arbeiten an Musik-Projekt

Lesezeit 4 Minuten
MarlowWalserNEU

Pianist und Dirigent David Marlow (l.) und Komponist Nico Walser arbeiten im Garten in Engelskirchen-Bellingroth am gemeinsamen Neoklassik-Album.

Bellingroth – Für den Engelskirchener Komponisten und Multiinstrumentalisten Nico Walser endete das Jahr 2021 mit einer faustdicken – positiven – Überraschung: Seine „Audio-Geography“ mit dem Titel „Von Belkinrode nach Bellingroth“ landete unter den Top Ten des Jahres in der Kategorie „Modern Composition“ des englischen Online-Musikmagazins „A closer Listen“.

Es war das runde Ende eines wegen Corona und den damit verbundenen Begleiterscheinungen nicht gerade musiker-freundlichen Jahres.

Zum Reinhören

acloserlisten.com

giantskeletons.bandcamp.com

Wobei er die Pandemie bisher eigentlich ganz gut überstanden habe, sagt Walser (56). Wie das? „Es war ziemlich früh klar, dass es künstlerisch so wie bisher nicht weitergehen wird.“ Für die Kollegen, die mehr als Walser von der Bühne gelebt haben, sei der Bruch viel krasser gewesen, „aber auch bei mir war klar, dass ich nicht werde weiterarbeiten können wie bisher“.

Das habe zunächst für große Verunsicherung gesorgt. „Aber jetzt, nach zwei Jahren, kann ich sagen, so komisch es klingt: Es gibt auch positive Entwicklungen, und die will ich auch wahrnehmen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

So habe er interessante Kollegen kennengelernt, die er ohne Corona wahrscheinlich nie getroffen hätte, darunter den deutsch-englischen Dirigenten und Pianisten David Marlow. „David konnte von einem auf den anderen Tag mit seinen Orchestern nicht mehr auftreten. Als wir uns trafen, haben wir ganz viele gemeinsame Interessen festgestellt und angefangen, zusammen zu arbeiten.“

„Künstlerisch einen großen Schritt gemacht”

Ein sehr spannendes Unterfangen, betont Walser, „wir kommen aus völlig unterschiedlichen Bereichen. David kommt aus der klassischen Musik, war auch mal für eine Spielzeit in Bayreuth bei den Wagner-Festspielen. Das ist eine Welt, die ich so nicht kenne.“ Andersherum seien Walsers Welten – etwa Neoklassik und Postprog – für Marlow Neuland gewesen. „Und so haben wir gerade wieder festgestellt: Wir kommen sehr gut durch die Pandemie, weil wir beide künstlerisch einen sehr großen Schritt gemacht haben.“

Kennengelernt hat Nico Walser den Dirigenten über seine Nachbarin Hertha Wegner, in deren Wohnzimmer Marlow ein privates Konzert gegeben hatte – Beethoven. Mit dem hatte sich Marlow vor der Pandemie eingehend befasst, weil er die Entstehung des ARD-Werks „Louis van Beethoven“ (mit Tobias Moretti und Ulrich Noethen) als musikalischer Leiter begleitet hatte.

„Viel Einfühlungsvermögen für Progrock”

In der Zeit hatte Walser gerade den Auftrag reinbekommen, die CD einer Göttinger Progrock-Band zu mischen. „Da gab es aber ein paar schwierige Stellen, an denen ich dachte, das müsste jemand einspielen, der das Klavier richtig gut beherrscht“, erinnert sich der Bellingrother, der kurzerhand den Gast der Nachbarin ansprach. Das Experiment funktionierte: „Er hat das Klavier mit viel Einfühlungsvermögen für Progrock eingespielt, was nicht selbstverständlich ist für jemanden, der aus der Klassik kommt. Ich war ganz begeistert.“

Und auch Marlow, der im deutschen Hörfunk mit Werkbetrachtungen in Erscheinung tritt und heute im Hauptberuf an der Hochschule für Musik in Detmold lehrt, hatte Gefallen an dem für ihn ganz neuen Genre gefunden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Da lag eine weitere Zusammenarbeit quasi auf der Hand. „Jetzt schauen wir gegenseitig in die musikalische Welt des anderen rein und versuchen, uns gegenseitig ,Lectures’ zu geben. Wir bilden uns sozusagen gegenseitig fort.“ Marlow, sagt Walser, helfe ihm beispielsweise beim Partiturstudium, das er nach langjähriger Pause jetzt wieder aufgenommen habe. Wie das geht? Entweder bei gegenseitigen Besuchen oder auch per Videokonferenz.

„Mit der Neoklassik habe ich David angesteckt, die kannte er gar nicht” Nico Walser

„Wir haben uns überlegt, dass es spannend wäre, wenn wir das, was er an klassischer Musikerfahrung hat, also nicht nur als Pianist, sondern auch als Orchestrator, Dirigent und als Bearbeiter von klassischen Werken, zusammenführen könnten mit dem, was ich tue. Ich habe ja teilweise auch orchestrale Arrangements gehabt. Jetzt haben wir zum Beispiel von einer Geigerin schon ein paar gemeinsame Stücke einspielen lassen.“

Musikalisch angesiedelt ist die gemeinsam geschaffene Musik im Bereich der Neoklassik. „Damit habe ich David angesteckt, die kannte er gar nicht“.

Antrag auf Förderung gestellt

Einen Antrag auf finanzielle Förderung des ersten gemeinsamen Albums ist beim Musikfonds in Berlin schon gestellt.

Eine Zusage würde es ermöglichen, weitere Gastmusiker für Aufnahmen einzuladen – und auch zu bezahlen.