Handball-WMEx-Bundestrainer Heiner Brand über die Leistung der Nationalmannschaft

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Mannschaftsbesprechung 2005: Torhüter Johannes Bitter nimmt die Gestik von Bundestrainer Heiner Brand auf.

Mannschaftsbesprechung 2005: Torhüter Johannes Bitter nimmt die Gestik von Bundestrainer Heiner Brand auf.

Gummersbach – „Brand schwingt die Rücktritts-Keule“ titelte diese Zeitung Anfang Februar 2005. Die Weltmeisterschaft in Tunesien hatte die deutsche Handball-Nationalmannschaft auf Platz neun beendet. Bundestrainer Heiner Brand schlug viel Kritik entgegen. „Es muss in Zukunft gewährleistet sein, dass ich in Ruhe arbeiten kann. Sonst muss man Konsequenzen ziehen“, sagte der damals 52-jährige Gummersbacher am Ende des Turniers. Zwei Jahre später wurde er mit der Mannschaft in Köln Weltmeister.

Wenn es m Sonntag in Ägypten um den Weltmeistertitel geht, verfolgen die deutschen Handballer und Trainer Alfred Gislason das Finale auf dem heimischen Sofa. Mit einem historisch schlechten Platz zwölf hatten sie die WM abgeschlossen, einzig gegen Uruguay und Brasilien gewonnen sowie gegen Polen unentschieden gespielt. Dünnhäutig haben anschließend vor allem Spieler auf Kritik aus Deutschland reagiert.

Nicht mit 2005 vergleichbar

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Trotz der Parallelen, vergleichbar sei die Situation von 2005 zu 2021 nicht, sagt Heiner Brand. Heute gebe es eine viel größere Breite an Spielern als vor 16 Jahren, als er noch so manche Kämpfe mit den Bundesligaclubs habe austragen müssen. Allen voran mit dem damaligen Chef des THW Kiel, Uwe Schwenker, der heute Präsident des Ligaverbandes der Handball-Bundesliga ist.

Nach dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen nach einer 24:26-Niederlage gegen Kroatien seien vier Leistungsträger zurückgetreten und er habe vor einem Neuanfang gestanden, blickt Heiner Band zurück. Dazu kamen fünf verletzte Stammspieler. Dass es in den führenden Bundesligateams kaum noch deutsche Spieler gab, habe ihm den Neuaufbau erschwert. „Damals habe ich eine Quote von deutschen Spielern gefordert, um auf die Misere in der Nationalmannschaft aufmerksam zu machen“, sagt der Gummersbacher. Davon habe jedoch vor allem Uwe Schwenker nichts wissen wollen.

Kritik hat sich in Grenzen gehalten

Heute wüssten alle Vereine um die Bedeutung der Nationalmannschaft, führt der ehemalige Bundestrainer weiter aus. Zudem gebe es wieder mehr deutsche Spieler in den Teams. Trotzdem sind die entscheidenden Positionen im Rückraum meist durch ausländische Stars besetzt. Dass das so sei, liege möglicherweise auch daran, dass sich die Spieler in jungen Jahren in ihren gegenüber der Bundesliga schwächeren nationalen Ligen einfacher entwickeln könnten. Sie hätten für die individuelle Entwicklung mehr Zeit als der deutsche Nachwuchs, seien dadurch oft auch weniger verletzungsanfällig, als die Handballer, die sich schon als junge Spieler in der Bundesliga beweisen müssten.

Im Gegensatz zu 2005 stehe Alfred Gislason heute nicht vor einem Neuaufbau, sagt Brand. Es gebe ein gutes Reservoir an Spielern, darunter der junge Juri Knorr, der ein Ausnahmetalent sei, oder auch der 23-jährige Johannes Golla, der eine gute WM gespielt habe. Viele der aktuellen Nationalspieler seien so jung, dass sie noch einige Jahre spielen können. Auch findet der Ex-Bundestrainer, dass sich die Kritik an der Mannschaft, bis auf die an Uwe Gensheimer, in Grenzen gehalten habe. Da habe es schon ganz andere Zeiten gegeben.

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Trotz der Niederlagen gegen Ungarn und Spanien sei der Auftritt der Mannschaft ja nicht durchgehend schlecht gewesen. So blickt der Bundestrainer optimistisch auf die Olympia-Qualifikation im März in Berlin gegen Schweden, Slowenien und Algerien. Die Mannschaft habe genug Qualität und werde durch den Einsatz der Handballer, die auf die WM verzichtet hatten, gerade in der Abwehr noch verstärkt, erklärt Brand. Ob man wie DHB-Vizepräsident Bob Hanning gleich von Olympia-Gold sprechen müsse, sei dahingestellt ebenso wie dessen „Art der Selbstdarstellung“.

Die Corona-Zeit hat Heiner Brand wie viele andere auch dazu genutzt, aufzuräumen und ist dabei im Keller auf ein Tüte mit Artikeln aus 30 Jahren seiner Handball-Geschichte von 1972 bis 2012 gestoßen, die seine Frau und sein Vater gesammelt hatten. „Das war schon interessant, noch mal darin zu blättern“, erzählt er.

Auf dem Weg zum Weltmeistertitel 2007 stand für das Team 2006 bei der Europameisterschaft Platz fünf. Für seine Handballer hatte Brand nach dem Turnier in Tunesien den Konkurrenzkampf eröffnet, über den sie sich für die WM in Deutschland empfehlen konnten.