InterviewOberbergs Rettungsdienst-Chef erklärt das neue Telenotarzt-System

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Zu sehen ist ein Mann mit einem Tablet vor einem Notarzteinsatzfahrzeug.

Seit 2005 ist Dr. Ralf Mühlenhaus Ärztlicher Leiter des oberbergischen Rettungsdienstes.

Ab 2024 will Oberberg eine Telenotarzt-Region mit fünf weiteren Landkreisen bilden. 

Herr Dr. Mühlenhaus, Oberberg will zusammen mit dem Märkischen, dem Hochsauerlandkreis sowie den Kreisen Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest eine gemeinsame Telenotarzt-Region schaffen. 2024 soll es losgehen.

Wobei für uns Oberberger der Telenotarzt nicht gänzlich neu ist. Seit Beginn der Pandemie unterstützt regelmäßig ein Kollege aus einem separaten Raum im Notfallzentrum heraus. Damals hat uns die Sorge getragen, dass wir durch Personalausfälle nicht alle Notarztwagen würden besetzen können, die Pandemie beschleunigte praktisch die Telenotfallmedizin in Oberberg.

Wie funktioniert das technisch?

Der Defibrillator und das EKG-Gerät im Rettungswagen senden Werte in Echtzeit, dazu kommen weitere Informationen durch die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, etwa zu Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen. Wenn der Telenotarzt hinzugezogen wird, hat er sofort ein umfassendes Bild vom Patienten.

Spart sich der Arzt damit also künftig den Weg zum Patienten? Klares Nein! Zu Notfällen, die lebensbedrohlich sind, wird die Leitstelle auch weiterhin den physischen Notarzt schicken. Aber es gibt eben auch viele Fälle, in denen der Telenotarzt qualitativ das Gleiche leisten kann wie der Kollege vor Ort.

Nennen Sie doch bitte mal ein Beispiel.

Wenn etwa jemand vom Krankenhaus Waldbröl nach Gummersbach verlegt wird, sein Zustand stabil ist und alle Informationen mit Waldbröl besprochen sind, ist es nicht nötig, einen Notarzt für diese zeitintensive Fahrt physisch zu binden. Gleiches gilt für den, der sich den Arm gebrochen hat und für den Transport ins Krankenhaus eine Spritze gegen die Schmerzen wünscht. Unsere Notfallsanitäter wissen, was zu tun ist. Die kurze Rücksprache wegen der Gabe von Schmerzmitteln kann mit dem Telenotarzt erfolgen. Das verschafft unseren Ärzten Kapazität für Einsätze, in denen tatsächlich jede Minute zählt.

Ein Telenotarzt soll bald für sechs Kreise zuständig sein.

Diese Festlegung stammt allerdings nicht von uns, sondern ist vom Land so vorgegeben. Hintergrund sind Kriterien, nach denen ein Telenotarzt bei ungefähr einer Million Einwohner voll ausgelastet ist. Zusammen mit den fünf übrigen Kreisen erreichen wir diese Grenze. Insgesamt sind in NRW zehn bis zwölf solcher Regionen geplant, die ein flächendeckendes Netz über das Land spannen werden.

Immer mal wieder wird also auch ein Oberberger den Dienst für die Gesamtregion übernehmen?

Genau, vorgesehen ist, dass sich die Kreise bei den Diensten abwechseln. Ich glaube, wir werden uns in dieser Kooperation nicht verstecken müssen. Bislang sind zwölf unserer Notärzte als Telenotärzte qualifiziert, unser Ziel ist die Fortbildung aller 28 oberbergischen Kolleginnen und Kollegen bis zum nächsten Jahr.

Sie fahren selbst seit vielen Jahren Einsätze als Notarzt. Ist die Notfallbehandlung via Internet eher Fluch oder Segen?

Ich stehe klar hinter dieser Entwicklung. Seit 2020 hat der Telenotarzt in Oberberg mehrere tausend Einsätze erfolgreich abgearbeitet und neue Möglichkeiten eröffnet. Fahre ich zu einem Einsatz raus, kann der Kollege im Hintergrund zum Beispiel schon die Anmeldung in der Klinik erledigen oder mit einer zweiten Meinung unterstützen. Den Telenotarzt gibt es obendrauf. Er steigert die Qualität des Rettungsdienstes weiter – und damit die Notfall-Versorgung aller Oberberger.