Der Wolf scheint sich wohlzufühlenWildtier-Experte Dietmar Birkhahn im Interview

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Aus einer Wildtierkamera stammt dieses Foto von einem Wolf, aufgenommen wurde es in Engelskirchen.

Aus einer Wildtierkamera stammt dieses Foto von einem Wolf, aufgenommen wurde es in Engelskirchen.

Lindlar – Dietmar Birkhahn aus Lindlar ist Wolfsbotschafter für den  Kreisverband Oberberg im Naturschutzbund Deutschland und Wolfsberater in Diensten des Landesamtes für Umwelt- und  Naturschutz. Jens Höhner sprach mit dem 51-Jährigen über die jüngsten Wolfssichtungen.

Ist es wahrscheinlich, dass sich der Wolf dauerhaft in Oberberg ansiedelt?

Ja, davon gehe ich aus. Zuletzt haben zwei Wildkameras an verschiedenen Tagen auf dem Gebiet der Gemeinde Engelskirchen insgesamt neun Fotos geschossen, die eindeutig einen Wolf zeigen. Zurzeit sind noch drei DNA-Analysen offen, nachdem Wildtiere gerissen worden waren. Ich warte auf die Ergebnisse aus dem Senckenberg-Institut. Die dauern leider etwas länger. Zurzeit ist es so, dass Risse von Nutztieren wesentlich schneller bearbeitet werden, weil die Halter Anspruch auf eine Entschädigung haben.

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Dietmar Birkhahn ist Wolfsbotschafter für den Kreisverband Oberberg im Naturschutzbund Deutschland und Wolfsberater in Diensten des Landesamtes für Umwelt- und  Naturschutz.

Dietmar Birkhahn (Foto) ist 51 Jahre alt, er lebt in Lindlar und ist Medizintechniker von Beruf. Als Ehrenamtler ist er im Auftrag des Landesamtes für Umwelt- und Naturschutz als Wolfsberater tätig, für den Nabu ist er zudem als Wolfsbotschafter in der Region unterwegs.

Wer Fragen zum Wolf hat, Beratung wünscht oder vielleicht ein solches Wildtier gesehen hat, der wende sich an Dietmar Birkhahn unter 0171/4 74 12 28 oder auch per E-Mail an: d.birkhahn@ nrw-wolf.de. (höh)

Wird der Oberbergische Kreis damit zu einem Wolfsterritorium erklärt?

Das könnte geschehen, aber dazu ist eine Individualisierung notwendig. Das bedeutet, es muss nach drei Monaten eindeutig und einwandfrei nachgewiesen werden, dass in einem solchen Gebiet ein- und derselbe Wolf unterwegs ist. Und das geht nur über die DNA. Es dauert also noch, bis wir wissen, ob sich der Wolf in Oberberg oder der näheren Nachbarschaft niedergelassen hat. Und leider gibt es nicht in jedem Fall eine verwertbare DNA-Spur, so etwas hängt zum Beispiel davon ab, wie lange ein Kadaver gelegen hat, bevor er gefunden wird. In diesem Falle würde im ersten Schritt ein sogenanntes Wolfsverdachtsgebiet ausgewiesen. Eine solche Zone wäre übrigens bisher einzigartig in Deutschland, dieser offizielle Begriff ist neu.

Das heißt?

Bereits in diesem Fall würde das Material für den Bau eines Schutzzaunes zu 100 Prozent gefördert. Leider wird die dafür nötige Arbeitsleistung dagegen noch nicht bezahlt.

Worin unterscheidet sich denn ein Verdachtsgebiet von einem Wolfsgebiet?

Ein Verdachtsgebiet bezeichnet erstmal nur eine Kernzone, in der ein sesshafter Wolf nachgewiesen worden ist. Das später ausgewiesene Wolfsgebiet ist von gleicher Größe, umfasst aber dann noch eine umfassende Pufferzone, sozusagen als Sicherheitsbereich, weil uns der Wolf ja nicht verraten wird, wo genau er sich aufhält. Dafür muss nach weiteren drei Monaten der Wolfsnachweis erneut geführt werden, wieder anhand eines toten Nutz- oder Wildtieres. Dann könnte das Wolfsgebiet mit entsprechender Pufferzone eingerichtet werden. Diese ist ein sehr großzügig bemessener Schutzraum – Beispiel Stegskopf: Der frühere Truppenübungsplatz liegt im Landkreis Altenkirchen sowie im Westerwaldkreis und ist ein Wolfsgebiet. Die umliegende Pufferzone erreicht in Oberberg aber auch Teile der Stadt Waldbröl sowie der Gemeinden Reichshof und Morsbach.

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Wie könnte ein Wolfsgebiet am Ende dann aussehen?

Ich denke, wenn ein Wolfsgebiet mit Pufferzone festgelegt wird, könnte es jeweils ein Drittel der Kreise Rhein-Berg, Rhein-Sieg und eben Oberberg erfassen, also Gebiete rund um Engelskirchen, Drabenderhöhe und Overath. Ich gehe nicht davon aus, dass ganz Oberberg Wolfsgebiet wird. Zunächst könnte das Verdachtsgebiet erklärt werden, das halte ich für wahrscheinlich.

Wie bewerten Sie den Riss eine Nutztieres am 10. Oktober in Gummersbach?

Das war mit größter Wahrscheinlichkeit ein Hund, mehr kann ich dazu nicht sagen. Die DNA-Auswertung wird wohl den Verursacher zeigen.

Wo genau wurde der Wolf in Engelskirchen fotografiert?

Das geben wir in keinem Fall bekannt – deshalb: Großraum Engelskirchen. Wir wollen zum einen verhindern, dass das Tier geschossen wird, zum anderen wollen wir die „Wolfskuschler“ – Menschen, die den Wolf mögen und ihn selbst einmal fotografieren wollen – fernhalten. Würden wir die Orte preisgeben, wäre der Wald voller Menschen.

Nach welchen Kriterien entscheidet ein Wolf, ob er bleibt?

Das ist ganz einfach: Es muss dem Tier gefallen, es muss ein Angebot an Nahrung vorhanden sein. Und es sind eher die weiblichen Tiere, die eine solche Entscheidung treffen. Welchen Geschlechts der Wolf bei Engelskirchen ist, können wir übrigens noch nicht sagen.

Wie viele Schafhalter im Oberbergischen nutzen bisher die kostenlosen Schutzsets des Nabus?

Nur vier. Und das ist eine erschreckend schlechte Quote, leider nehmen vor allem Hobbyhalter den Wolf noch immer nicht ernst. Das ist ein Fehler, denn so machen sie dem Wolf Appetit darauf, in der Nähe zu bleiben. Und wir verstehen es nicht: Droht die Blauzungen-Krankheit, wird sofort geimpft. Kommt der Wolf, regt sich wenig. Leider musste ich auch feststellen, dass unsere Schutzzäune nicht immer gepflegt werden, wenn wir sie verleihen. Es gehört aber dazu, dass man diese in Ordnung hält.

Wie kann man Sie als Wolfsberater bei Ihrer Arbeit unterstützen?

Indem jede Sichtung und Beobachtung eines wolfsähnlichen Tieres gemeldet wird – gern per Handy und per E-Mai. Aber bitte nicht mehr über Facebook. Diese Meldungen sollten offiziellen Charakter haben. Und am Ende gilt: Je mehr Hinweise wir haben, desto besser.