Superintendent OberbergJürgen Knabe übergibt Amt an Michael Braun

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Vorgänger und Nachfolger: Jürgen Knabe (l.) und Michael Braun.

Vorgänger und Nachfolger: Jürgen Knabe (l.) und Michael Braun.

  • 19 Jahre war Jürgen Knabe im Evangelischen Kirchenkreis An der Agger im Amt.
  • In wenigen Tagen wird er nun von Michael Braun abgelöst.
  • Im Interview sprechen die beiden über Begleiterscheinungen des Wechsels und die Herausforderungen für die Zukunft.

Oberberg – In wenigen Tagen ist es soweit: Nach 19 Jahren als Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger übergibt sein Amt Jürgen Knabe an Michael Braun, der auf der Herbstsynode zum Nachfolger gewählt wurde. Vor dem Wechsel sprach Frank Klemmer mit beiden über Begleiterscheinungen des Wechsels und die Herausforderungen für die Zukunft.

Herr Braun, was macht die Wohnungssuche im Oberbergischen? Waren Sie erfolgreich?

Michael Braun: Ja, zumindest vorläufig. Mit Unterstützung des Kirchenkreises habe ich für meine Familie und mich eine Wohnung in Gummersbach gefunden. Meine Tochter hat auch schon einen Schnuppertag an einer Schule vor Ort absolviert. Unsere beiden anderen Kinder studieren ja schon, die ziehen nicht mit ins Oberbergische.

Auch für Sie, Herr Knabe, steht ein Umzug an, oder? Wo geht es hin?

Jürgen Knabe: Ich werde meine Wohnung im Pfarrhaus in Marienhagen aufgeben müssen, wo ich seit 1996 gelebt habe. Das Haus ist ja auch schon verkauft, da sollen neue Wohnungen entstehen. Ich selbst werde vermutlich im Sommer nach Hülsenbusch ziehen, in unmittelbare Nähe zu meiner Schwester, die dort mit ihrem Mann wohnt.

Braun: Eine schöne Parallele: Ich bin auch 1996 nach Lohne gezogen, als ich dort Vikar wurde. Seitdem haben wir im oldenburgischen Münsterland, wo ich dann ja später auch Kreispfarrer geworden bin, gelebt.

Seit 1996, das ist eine lange Zeit. Wie schwer fällt Ihnen beiden der Abschied?

Braun: Das war schon sehr ergreifend, vor allem am Heiligen Abend, als dann am Ende der Christmette der Chor extra noch ein Lied für mich als Überraschung gesungen hat. Nach so vielen Jahren spielen da natürlich auch viele persönliche Kontakte eine Rolle. Und da steckt dann auch ganz viel Herzblut drin.

Knabe: Das gilt für mich in Marienhagen genauso. Mein Vorteil ist aber natürlich, dass ich ja nicht aus der Welt bin. Ich bleibe ja weiter im Oberbergischen.

Wie gut kennen Sie das Oberbergische schon, Herr Braun?

Braun: Für mich ist es ein vollkommener Neustart. Die Aufgabe hat mich gereizt, auch weil es ein großer Kirchenkreis ist, ganz anders als der, den ich bisher kannte. Im Oldenburger Münsterland leben wir als Protestanten in der Diaspora. Die Region ist stark katholisch geprägt. Zu meinem Kirchenkreis gehörten gerade mal 50 000 Gemeindeglieder. Zudem ist die Rolle eines Kirchenkreises im Rheinland eine andere – mit vielen Zuständigkeiten, die es bei uns nicht gab.

Was reizt Sie besonders am Kirchenkreis An der Agger?

Braun: Es ist ein spannender Kreis, vor allem auch weil es so vielschichtige Frömmigkeitsprofile gibt. Da gibt es in den Gemeinden ganz unterschiedliche Ansätze des Protestantismus, von den volkstümlichen über die erweckten bis hin zu den pietistischen. Und das alles in einer relativen Nähe zueinander, das ist schon etwas Besonderes. Das ist bunt, das ist vielschichtig, das macht es spannend.

Knabe: Das ist schon traditionell hier so: Während der Süden stärker vom Pietismus und der Erweckungsbewegung geprägt ist, steht im Norden stärker die Bewahrung des Friedens und der Schöpfung im Vordergrund. Beides, persönlicher Glaube und gesellschaftliches Handeln, hat für mich immer zusammengehört. Ein Glaube, der Gott vertraut, kann dazwischen nicht trennen. Und wenn die Würde des Menschen – als Gottes Ebenbild auf Erden – in Gefahr ist, dann ist Kirche gefordert, ganz im Sinne gelebter Weltverantwortung.

Wie hat dieses Engagement ihre 19 Jahre im Amt geprägt?

Knabe: Ich war gerade einmal ein dreiviertel Jahr im Amt, da kam Nine Eleven, die Terroranschläge in New York und Washington. Mit Kreisdechant Joseph Herweg haben wir danach die ökumenischen Friedensgottesdienste in Gummersbach gefeiert. Später folgte der Irak-Krieg und weitere Gedenkgottesdienste. Das hat sich dann so durchgezogen. Und das wurde von den Gemeinden so mitgetragen. Kritische Stimmen gegen dieses Engagement gab es, aber sie blieben in der Minderheit.

Und was halten Sie der Kritik entgegen, Herr Knabe?

Knabe: Natürlich ist es nicht unsere Aufgabe, Politik zu machen. Dagegen wendet sich ja auch die fünfte These der Barmer Theologischen Erklärung. Aber auch dort steht nicht, dass wir uns gegen die großen Fragen der Zeit abschotten sollen. Ganz im Gegenteil: Wir erinnern an Gottes Gerechtigkeit, vor allem wenn die Menschenwürde in Gefahr ist.

Herr Knabe spricht die Ökumene an: Wie nehmen Sie das wahr, Herr Braun? Gerade als jemand, der aus der protestantischen Diaspora kommt.

Braun: Ich beobachte eine positive Entwicklung. Auch wir im Oldenburgischen Münsterland sind häufig oft zusammen mit den Katholiken aufgetreten, weil wir dadurch unseren gemeinsamen christlichen Akzenten stärkeres Gewicht verleihen. Ich sehe da auch überhaupt keine Hindernisse. Meines Erachtens kann man in bestimmten Glaubensfragen ruhig unterschiedlicher Meinung sein und trotzdem gemeinsam beten.

Ist die Ökumene vielleicht auch deshalb so wichtig, weil die Kirchen aufgrund sinkender Mitgliederzahlen sonst weniger Gehör finden?

Braun: Das sehe ich nicht. Ja, die Mitgliederzahlen sinken, aber ich halte die Kirchen dennoch nach wie vor für eine starke gesellschaftliche Größe. Ich glaube sogar, dass das, was wir sagen, heute stärker wahrgenommen wird – auch und gerade weil sich Nachrichten und Meinungen heute viel schneller verbreiten.

Knabe: Die Partizipation der Jugend zum Beispiel haben wir zuletzt zum Schwerpunktthema der Herbstsynode gemacht. Da geht es nicht nur darum, Jugendliche ein bisschen mehr mitzunehmen. Wir müssen grundsätzlich die Perspektive wechseln und sehen, dass Kirche auf einem öffentlichen Markt um Menschen wirbt. Genau dafür – „Kirche auf dem Markt“ – wollen wir jetzt auch eine Stelle schaffen. Da muss bei uns eine Bewusstseinsänderung eintreten: Stimmt, wir werden weniger, aber wir haben weiter vielfältige Angebote, die weit über die Gottesdienste hinausgehen.

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Hat das trotzdem Einfluss auf die Gottesdienste? Hier in Oberberg erleben wir ja inzwischen schon fast traditionell an Weihnachten freikirchliche Gottesdienste in der Schwalbe-Arena mit über 4000 Besuchern.

Braun: Solche Gottesdienste, die vor allem von ihrem Event-Charakter leben, sind eine Möglichkeit. Ich habe so etwas auch schon gemacht, an Pfingstmontag auf einer Freilichtbühne. Da kamen 800 bis 1000 Gläubige. Aber das kann nicht alles sein. Es gibt auch Menschen, die etwas anderes wollen. Warum sonst sind im Oberbergischen Gottesdienste um 6 Uhr in der Osternacht oder am Weihnachtsmorgen so gut besucht?

Knabe: Mir muss man nicht erzählen, wie man Gottesdienste modernisiert. Ich habe schon 1974 meine erste Gospel-Band gegründet. Später haben wir damals sehr moderne Gottesdienste gemacht, zum Beispiel im Gummersbacher Bühnenhaus. Eigentlich waren wir Pioniere für vieles, was heute selbstverständlich ist. Und wir können auch jetzt noch modern.

Braun: Die Leute suchen aus, und das sollen sie auch in Zukunft machen können. Wir leben von der Vielfalt.

Knabe: Und man darf nicht vergessen: Für uns als Kirchenkreis gehören zum Christsein nicht nur Gottesdienste. Mit unseren Seelsorgeangeboten erfassen wir alle Bedürfnisse des Menschseins – zum Beispiel auch in der Pflege durch die Diakonie.

Was bringt die Zukunft sonst noch, Herr Braun? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Gemeinden?

Braun: Die Menschen sind mobiler geworden. Die Bindung an die Gemeinden ist geringer geworden. Wer in Gummersbach arbeitet und in Wiehl wohnt, der überlegt sich auch schon mal, wo er zum Gottesdienst geht. Das ist auch für die Gemeinden nicht einfach. Wohlgemerkt: Das ehrenamtliche Engagement hier ist nach wie vor beeindruckend. Aber es zu erhalten, ist eine Herausforderung auch und gerade für die übergemeindliche Zusammenarbeit im Kirchenkreis.

Knabe: Da hat sich auch in den vergangenen Jahrzehnten schon viel verändert. Nicht nur durch Fusionen, die notwendig wurden. Auch mit der Bildung von Kooperationsräumen haben wir schon Formen der Zusammenarbeit auf den Weg gebracht, die früher nicht denkbar waren.

Sie, Herr Knabe, können wir das ja fragen: Wie hat Michael Braun eigentlich die Oberberger überzeugt?

Knabe: Das Ergebnis, mit dem er im ersten Wahlgang gewählt wurde, war beeindruckend, gerade bei vier Bewerbern. (lächelt) Ich hatte mich extra noch darum gekümmert, dass genügend Wahlzettel für weitere Wahlgänge vorhanden sind. Am Ende war es vor allem seine Erfahrung als Kreispfarrer, aber auch seine Ausstrahlung und die freundliche Art, mit der er Menschen auf Augenhöhe begegnet.

Und wie nehmen Sie, Herr Braun, Ihren Vorgänger Jürgen Knabe wahr?

Braun: Ich habe Herrn Knabe als eine unheimlich integrierende Persönlichkeit kennengelernt. Er hat mich sehr beeindruckt, auch auf der Herbstsynode: Wie er aus einer sehr theologischen Perspektive die Lebenswirklichkeit von heute reflektiert, das hat es auf den Punkt getroffen.

Wie ist das eigentlich nach der offiziellen Einführung im Februar? Darf Herr Braun Sie anrufen, wenn er mal eine Frage hat?

Knabe: (schmunzelt) Ja, darf er.

Braun: (lacht) Ganz ehrlich: Die Erlaubnis habe ich mir eben erst abgeholt. Und sie ist mir auch erteilt worden.