Carsten BrodesserWie Oberbergs Abgeordneter den Mittwoch in Berlin erlebt hat

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Der Mittwoch in Berlin war für Carsten Brodesser kein normaler Tag als Abgeordneter.

Der Mittwoch in Berlin war für Carsten Brodesser kein normaler Tag als Abgeordneter.

Oberberg – Die Abstimmung über das neue Infektionsschutzgesetz am Mittwoch in Berlin war auch für Carsten Brodesser (CDU) kein ganz normaler Arbeitstag. „Es war ein komisches Gefühl, zum Teil gespenstisch“, sagt der oberbergische Bundestagsabgeordnete über seinen Weg zum Parlament an den Demonstranten vorbei.

Teilweise, so der Lindlarer, habe er sich beim Weg durch das Spalier an Szenen erinnert gefühlt, „wie man sie sonst nur aus dem Geschichtsunterricht kennt“ – und meint die Endphase des Parlaments der Weimarer Republik in der Kroll-Oper.

Raunen, Dröhnen und Trommeln war zu hören

Auch im Parlament sei die Demonstration draußen spürbar gewesen. „Natürlich haben wir über die Nachrichtensender gesehen, was los war. Und ständig war ein Raunen, Dröhnen und Trommeln zu hören.“ So frei wie sonst konnte sich Brodesser auch im Tagesverlauf nicht in Berlin bewegen. „Nachmittags hatte ich einen Vortrag auf dem Kudamm: Ich habe anderthalb Stunden bis da gebraucht.“

Bereits am Wochenende vor der Entscheidung habe auch ihn persönlich der Widerstand der Kritiker erreicht: 1350 Nachrichten seien an seine E-Mail-Adresse gegangen. „Weit mehr als 90 Prozent kamen von irgendwo her, 40 bis 50 Mails aber auch aus Oberberg“, erzählt Brodesser. Dem Widerstand gegen die in Gesetzesform gegossenen Corona-Maßnahmen habe er sich dann auch gestellt: „Wenn ich fragte, wie sie denn darauf kommen, antworteten die Menschen, das hätten sie im Internet so gelesen.“ Einige habe er mit seinen Argumenten sogar überzeugen können.

Zusammensetzung war kurios

Entsprechend vielfältig sei auch das Bild der Protestierenden vor dem Reichstag gewesen: „Die Zusammensetzung war schon kurios. Sie reichte von Friedensaktivisten über Neonazis bis hin zu ganz normalen besorgten Bürgern.“

Empört ist Brodesser über die Szenen auf den Fluren des Reichstages, wo mit Gästeausweisen eingeschleuste Aktivisten Abgeordnete angegangen und – Handyvideos drehend – zur Rede gestellt hatten. „Die Frau, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Aufzug gestellt und gefilmt hat, kam mir auch entgegen.“ Ihn habe sie aber nicht angesprochen: „Sie war aber offenbar auf der Suche nach prominenteren Personen.“

Für ihn steht fest, dass AfD-Abgeordnete dahinter steckten

Am Mittwochabend habe er ein Schreiben an den Bundestagspräsidenten mitunterschrieben, in dem eine lückenlose Aufklärung gefordert wird, wer die Menschen als Gäste ins Parlament gelassen habe. Noch am Abend vor dem Mittwoch sei die sonst geltende Regel dafür, wie viele Gäste ein Abgeordneter mitbringen kann, außer Kraft gesetzt worden. Diejenigen, die auf den Fluren unterwegs waren, seien aber schon vorher angemeldet worden. „Auch wenn ich das alles mehr als bedenklich finde: Viel Hoffnung, dass es da zu Konsequenzen kommt, habe ich aber ohnehin nicht“, räumt Brodesser ein. Für ihn stehe zwar fest, dass AfD-Abgeordnete dahinter steckten, aber ebenso, dass die sich irgendwie herausreden würden.

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Die traurige Erkenntnis für Brodesser: Die Provokation, die auch im Plenarsaal von den Abgeordneten der AfD gesucht worden sei – ohne Masken, ohne Abstand und mit Plakaten –, habe schlicht und einfach funktioniert: „Sie inszenieren sich als einziger Repräsentant der Volksmeinung.“ Auch wenn es nicht die Masse der Menschen erreiche: „In ihrer Filterblase auf den sozialen Medien sehen die Menschen das, was sie sehen wollen. Ein AfD-Abgeordneter, der zu den Demonstranten hinausgeht und bewusst eine Situation schafft, in der er festgenommen wird, wird da zum Märtyrer.“