Generationenaufgabe WaldWiederaufforstung gelingt nur mit viel weniger Rehwild

Lesezeit 4 Minuten
Was dem Forst zusetzt, ist eine Kombination von negativen Entwicklungen.

Was dem Forst zusetzt, ist eine Kombination von negativen Entwicklungen.

Oberberg – Käfer, Stürme, Trockenheit – Oberbergs Waldbesitzer sind nicht erst seit heute arg gebeutelt. Der Kreis als einem der größten von ihnen geht es nicht anders. Mit einem Wiederbewaldungskonzept soll jetzt begonnen werden, den Wald der Zukunft zu schaffen. Bis das gelingt, wird es mehrere Generationen dauern. Und es wird auch dann nur funktionieren, wenn die Jägerschaft ganz massiv das Rehwild in den Wäldern dezimiert, um die nachwachsenden Bäumchen vor Wildverbiss zu schützen.

940 Hektar Wald besitzt der Kreis, aufgeteilt auf die vier Reviere Bergneustadt, die Meerhardt in Gummersbach, das Kaltenbachtal und Schloss Homburg. Sie liegen zwischen 130 bis 470 Meter hoch und waren viele Jahre lang eine sichere und nachwachsende Einnahmequelle. Zwischen 150 000 und 250 000 Euro brachte dem Kreis die Holzwirtschaft noch 2010 jährlich ein. Das ist lange her.

Inzwischen verliert der Kreisforst massiv an Wert. Sechs Millionen Euro betrug der Wertverlust 2020, sagt Wolfgang Hamm, Leiter des Amtes für Finanzwirtschaft. Den Kreisumweltausschuss musste er jetzt über den neusten Stand informieren, wonach der Kreis im laufenden Jahr eine weitere Million abschreiben muss.

Fichte am stärksten betroffen

Bei der Fichte dem „Brotbaum“ der Waldwirtschaft sind die Schäden am größten. Sie machen 36 Prozent des Kreisforstes aus, 34 Prozent sind abgestorben, nur noch zwei Prozent gelten als „vital“. Jeder fünfte Baum ist eine Eiche, es folgen Buche (19%) und Douglasie (11%).

Was dem Forst zusetzt, ist eine Kombination von negativen Entwicklungen. Planungsdezernent Frank Herhaus, als ehemaliger Chef der Biologischen Station Oberberg auch in Sachen Forst ein Fachmann, beschrieb dem Umweltausschuss Ursachen und Wirkungen: Zwischen 1881 und 2010 stieg die mittlerere Jahreslufttemperatur um 1,1 Grad, bis 2050 soll es um weitere 1- 1,4 Grad nach oben gehen. Gleichzeitig erhöhen sich die jährlichen Niederschläge zwischen 1 und 3 Prozent, wobei es im Winterhalbjahr deutlich mehr regnet als früher. Die Folgen sind ein Wassermangel in der Vegetationszeit und eine massenhafte Vermehrung von Borkenkäfern.

Der Kreisforst als Wirtschaftsgut

Mit dem Kreiswald ist immer weniger Geld zu verdienen. Lag die nutzbare Holzmenge je Hektar und Jahr bei 10 Festmetern, wird sich diese Menge bis 2030 auf 3,7 Festmeter reduzieren. Mehr als 100 000 Euro sind schon jetzt nicht mehr zu erlösen. Aber der Kreisforst ist nicht nur Wirtschaftsgut und Arbeitgeber.

Herhaus verwies auch auf dessen ökologische Funktionen als Lebensraum, Co2 -Speicher und Garant für Artenvielfalt. Zugleich dient er der Gesundheit der Menschen, als Luftfilter und Wasserspeicher. Es sei deshalb eine besondere gesellschaftliche Verantwortung, den Kreiswald und seine Funktionen nachhaltig zu sichern.

Ziel und Perspektive ist es, ökologisch und ökonomisch stabile und möglichst artenreiche und vielfältig strukturierte Wälder zu schaffen. Eine Patentlösung dafür gebe ist nicht, vom jeweiligen Standort hänge ab, was man dort unternehme. Herhaus schlägt vor, die natürlichen Prozesse abzuwarten und einzubeziehen, um Biomasse in Waldbeständen und Böden aufzubauen, zu erhalten und zu speichern.

Zur Risikostreuung sollen vielfältige Mischbestände aufgebaut werden, wobei der Schwerpunkt auf heimischen Baumarten liegt. „Fremdländer“ sollen nur in kleinen Mengen gesetzt werden. Die Baumartenliste ist lang. Die Rotbuche steht ebenso drauf wie Stiel- und Traubeneiche, die Hainbuche, Sandbirke, Vogelkirsche oder Winterlinde, Schwarzerle und Eberesche.

Es wird eine Kombination aus Naturverjüngung und gezielter Anpflanzung geeigneter Baumarten sein. Auf bereits abgeräumten Flächen hieße das, abzuwarten, was sich an so genannten Pionierpflanzen selbst aussäht, den Bestand ausdünnen und unter seinem Schirm schließlich nach vielleicht zehn Jahren Wirtschaftsbaumarten anzupflanzen. Im Prinzip dasselbe gilt für „Dürrständerflächen“.

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch hier soll zwischen den abgestorbenen, aber noch stehenden Bäumen zuerst eine natürliche Wiederbewaldung stattfinden, ehe geeignete Wirtschaftsbäume nachgepflanzt werden. Denn tote Bäume dienen dem Nachwuchs als Schattenspender und schützen den Boden vor Austrocknung. In Naturschutzgebieten soll, abgesehen von unvermeidbaren Maßnahmen zur Verkehrssicherungspflicht, auf eine forstwirtschaftliche Steuerung komplett verzichtet werden. Hier kann die Natur sich selbst entfalten.

Das alles wird ohne tatkräftige Unterstützung der heimischen Jägerschaft nicht funktionieren. Damit die Rehe nicht alles auffressen, was in Jahrzehnten der neue Wald sein soll, sei es mit einem Hegeabschuss durch die Jäger nicht mehr getan, so Herhaus: „Wir brauchen einen deutlichen Reduktionsabschuss“. Dass der Kreisforst eines fernen Tages wieder so wie vor dem Klimawandel mit all seinen Folgen, wird zwei oder drei Generationen dauern, „das werden wir alle hier nicht mehr erleben“, sagte Herhaus mit Blick in den Umweltausschuss.